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Die Bedeutung der

frühkindlichen Darmgesundheit

Einleitung

DermenschlicheDarmverwertet imLaufe des Lebens etwa30 TonnenNahrungund50.000 Liter

Flüssigkeit. Neben dieser enormen Leistung an Verdauung und Absorption vonNährsto en und

Flüssigkeiten erfüllt der Darm noch eine Vielzahl anderer Funktionen. So nimmt er unter ande-

rem eine Schlüsselrolle in der Regulation des Immunsystems ein, beein usst wichtige metaboli-

sche Prozesse, nimmt Ein uss auf unser tägliches Wohlbe nden und kann bei Störungen an der

Entstehung von Krankheiten beteiligt sein.

Viele dieser Funktionenmüssen sich allerdings erst entwickeln, da Neugeborenemit einem rela-

tiv unreifen Verdauungstrakt zur Welt kommen. Die Entwicklung des Gastrointestinaltraktes

ermöglicht unter anderem auch anderen Organsystemen, in den ersten Lebensjahren eine ein-

zigartige und faszinierende Phase des Wachstums und der Entwicklung zu durchlaufen. Insbe-

sondere diese ersten Lebensjahre werden als das entscheidende Zeitfenster angesehen, in der

Ernährung und Darmentwicklung weitreichende Auswirkungen auf Immunsystem, Sto wech-

sel und Nervensystem haben. Auf diese Bedeutung der frühkindlichen Darmgesundheit möch-

ten wir in diesemArtikel eingehen.

Da die Funktionen des Gastrointestinaltraktes bzw. die Darmgesundheit eng mit dessen mik-

robieller Besiedelung verbunden sind und nicht unabhängig davon betrachtet werden kön-

nen, möchten wir zu Beginn auf die Darmmikrobiota eingehen. Anschließend befassen wir uns

mit folgenden Fragestellungen: Wie muss die Entwicklung des Darms und dessen Besiedelung

mit Mikroben ablaufen, damit eine stabile Grundlage für all seine Aufgaben gelegt wird? Wel-

che Faktoren beein ussen die Darmgesundheit im Kindesalter? Welche Funktionen erfüllt ein

gesunder Darmbzw. welche Folgen haben Störungen in der Darmmikrobiota? Wie kann Darm-

gesundheit erhalten, gefördert bzw. wiederhergestellt werden?

Frühkindliche Darmgesundheit

De nition„Darmgesundheit“

Vommedizinischen Standpunkt ist es schwie-

rig, eine gute Beschreibung für „Darmge-

sundheit“ zu nden und diese zu messen.

Eine De nition könnte wie folgt lauten: „Der

Zustand physischen und mentalen Wohlbe-

ndens in Abwesenheit von gastrointesti-

nalen Beschwerden, die eine Konsultation

eines Arztes erfordern, in der Abwesenheit

von Anzeichen oder Risiken einer Darmer-

krankung, in Abwesenheit einer gesicher-

ten Darmerkrankung.“ Eine andere mögli-

che De nition widmet sich den Aufgaben

des Darmes: „Die wirksame Verdauung und

Absorption von Nährsto en, die optimale

Darm-Barriere-Funktion, eine normale und

stabile Zusammensetzung des Darmmikrobi-

oms, ein e ektiver Immunstatus mit Abwehr

von Krankheitserregern und der Zustand des

allgemeinenWohlbe ndens“. [1]

Die Darmmikrobiota – Die Besiedelung

des Darms

Der menschliche Körper beherbergt ein viel-

fältiges, dynamisches Ökosystem an Mikro-

organismen, deren Anzahl jene der mensch-

lichen Zellen um den Faktor 10 übertri t.

Diese Mikroben besiedeln alle Ober ächen

des Körpers, die der Außenwelt zugewandt

sind, einschließlich Haut, Mund, Nasenhöh-

len sowie Urogenital- und Gastrointestinal-

trakt. Auch lange Zeit als steril angesehene

Organe, wie Lunge und Plazenta, beherber-

gen Mikroorganismen. Von all diesen Orga-

nen ist der Darm mit 100 Billionen (10

14

)

Mikroben, [2] entsprechend einem Gewicht

von 0,5–1 kg, am dichtesten besiedelt. Diese

früher als „Darm ora“ bekannte Ansamm-

lung mutualer Mikroorganismen im Darm

wird als Darmmikrobiota zusammengefasst.

Der Begri „Mikrobiom“ bezeichnet hinge-

gen die Gesamtheit aller mikrobiellen Gene

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Maximilian Karla

Korrespondenzadresse:

Priv.-Doz. Dr. Andreas VÉCSEI

Ambulanz für Gastroenterologie,

Hepatologie und Ernährung

St. Anna Kinderspital

Kinderspitalgasse 6, 1090Wien

andreas.vecsei@stanna.at

Tel:: 43 1 40170–2015

Fax: 43 1 40170–7110

L I T E R A T U R

Hubert Kogler

Andreas Vécsei

Erstpublikation in Arzt+Kind 4/2016. Mit freundlicher Genehmigung des Prometus Verlags, Wien