Previous Page  27 / 46 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 27 / 46 Next Page
Page Background

01 / 2017

FORTB I LDUNG

K I N D E R Ä R Z T E

.

SCHWEIZ

27

Abdomen-Übersichtsröntgen kann bei dieser Fragestel-

lung weiterhelfen.

 Bei Kindern mit

Enkopresis

(Stuhlschmieren) wird

nicht selten eine Verhaltensstörung vermutet und ein

Kinderpsychiater beigezogen. In den meisten Fällen

handelt es sich jedoch um eine Überlauf-Enkopresis bei

chronischer Obstipation und nicht um ein psychisches

Problem. Mit Beseitigung der Obstipation bessert die

Symptomatik.

Herausforderungen in der Therapie

Die Therapie einer chronischen Obstipation ist langwie-

rig und braucht eine hohe Motivation von Kind und

Eltern. Je früher die Problematik erkannt und je kon-

sequenter therapiert wird, umso kürzer ist die Thera-

piedauer und umso besser die Prognose. Eine gute Be-

gleitung und Motivation der Familie ist essenziell, um

eine mehrmonatige medikamentöse Therapie gewähr-

leisten zu können.

Ziel der Behandlung ist eine Dekonditionierung,

das

Kind muss seine Angst überwinden und lernen, den

Stuhlgang nicht mehr zurückzuhalten. Dies wird erreicht

durch

eine

regelmässige, vollständige und schmerzlose

Defäkation

über einen längeren Zeitraum mithilfe von

Stuhlweichmachern.

 Bevorzugt werden Medikamente mit guter Verträglich-

keit, wenig Nebenwirkungen und einfacher Einnahme res-

pektive Dosierung. Therapie der ersten Wahl sind Medika-

mente auf Basis von

Polyethylenglykol (PEG 3350/4000).

Sie sind

in jedem Alter sicher

und wirksamer als Lactulose,

welches in höheren Dosen Blähungen und Bauchschmer-

zen verursachen kann. Lactose (Milchzucker) ist auch bei

Säuglingen keine Therapieoption. Andere Medikamen-

te haben entweder mehr Nebenwirkungen oder wurden

wie die neuen Arzneimittel für Erwachsene (Lubiproston,

Linaclotide, Prucaloprid) bisher nicht an Kindern geprüft

und werden nicht empfohlen. Medikamente, die rektal

verabreicht werden müssen, sollten nicht längerfristig

angewendet werden, da sie retraumatisierend sind. Im

Falle von schmerzhaften Analrhagaden empfehlen wir

die lokale Anwendung von steroidhaltigen Crèmes (z.B.

Scheriproct

®

) in Zyklen von je 5 Tagen mit 2 Tagen Pause

zur Vermeidung von Hautatrophien.

QUELLEN

[1] Benninga MA et al. Childhood Functional Gastrointestinal Disorders:

Neonate/Toddler. Gastroenterology 2016;150:1443–1455

[2] Tabbers MM et al. Evaluation and Treatment of Functional Constipa-

tion in Infants and Children: Evidence-based recommendations from

ESPGHAN and NASPGHAN. JPGN 2014;58:258–274

KORRESPONDENZADRESSE

jeannine.zeindler@triemli.zuerich.ch

• Vorgehen nach folgendem Prinzip:

Darm leeren

(Desimpaktion)

mit hochdosierten PEG-Präparaten (1–1,5 g/kg/d) oder Einläufen

(2. Wahl) über 3 bis 6 Tage und

leer halten

(Erhaltungstherapie)

mit PEG-Präparaten (0,2–0,8 g/kg/d) oder Lactulose (1–2 g/kg/d).

Falls mehr als 2 Tage intensiv abgeführt wird, sollte das Kind

nachkontrolliert werden (cave: Wasser- und Elektrolytver-

lust).

• Bei weniger schweren Fällen kann direkt mit einer Erhaltungs-

therapie begonnen werden, dabei gibt der Arzt die Anfangsdo-

sierung vor (z. B. 2 TL Macrogol 4000 Pulver pro Tag). Im Verlauf

sollen die Eltern die

Dosis nach gewünschter Wirkung anpassen

(Ziel: Stuhlgang regelmässig, vollständig, schmerzlos). Das Fest-

legen einer individuellen Obergrenze in der Tagesdosis ist sinn-

voll. Oft wirkt das Medikament nicht, weil es zu tief dosiert wird,

keine Dosisanpassung stattfindet oder der Darm nie richtig ent-

leert wurde.

• Wichtig für eine gute Compliance ist der

Geschmack des Prä-

parates!

Für eine mehrmonatige Therapie eignet sich das ge-

schmacklose Macrogol 4000 Pulver, welches zudem einfach do-

siert werden kann.

Verabreichung:

Am besten wird das Medikament auf 1 bis 3 Do-

sen aufgeteilt, in wenig Flüssigkeit (frei wählbar) eingenommen

und innert weniger Minuten getrunken.

• Die

Erhaltungstherapie

soll

mindestens 2 Monate

fortgeführt

werden und eine

langsame Reduktion über Wochen

soll erst er-

folgen, wenn das Kind in diesem Zeitrahmen komplett asymp-

tomatisch war. Absetzversuche während der Sauberkeitserzie-

hung sind nicht empfohlen. Es gibt keine Obergrenze in der

Therapiedauer, sofern das Kind regelmässig nachkontrolliert

wird. In der Regel muss mit einer 6- bis 12-monatigen Therapie

gerechnet werden, es gibt aber auch deutlich längere Verläufe.

• Nicht-medikamentöse Massnahmen: Es soll eine

normale Flüs-

sigkeitszufuhr, Kost und körperliche Aktivität

empfohlen wer-

den. Ein entspanntes

postprandiales WC-Training

über 5 bis 10

Minuten zur Förderung des gastrokolischen Reflexes kann bei

bereits kontinenten Kindern hilfreich sein. Eine forcierte Sauber-

keitserziehung ist kontraproduktiv, das Kind darf diesbezüglich

das Tempo bestimmen.

• Für den Einsatz von

Komplementärmedizin, therapeutischen

Milchen

und

Prä- und Probiotika

gibt es bis jetzt keine Evidenz,

sie werden daher zur Therapie der funktionellen Obstipation

nicht empfohlen.

Rezidive sind häufig

(Ferien, Betreuungswechsel u. a.), bei Ab-

schluss der Behandlung sollten Eltern über dieses Risiko infor-

miert werden, damit sie im Falle eines Rezidivs eine frühzeitige

Therapie einleiten können.

Folgende Punkte sind bei der Verordnung der Therapie und Patienteninstruktion wichtig: