

01 / 2017
FORTB I LDUNG
K I N D E R Ä R Z T E
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SCHWEIZ
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oder jeglichen tierischen Produkten (vegane Ernährung)
vor allem ethische und moralische Bedenken in Bezug auf
das Tierwohl im Vordergrund. Je stärker eine Nahrungs-
auswahl eingeschränkt wird, desto grösser ist das Risiko
einer Mangelernährung; bei einer veganen Ernährung be-
trifft dies v.a. die Energiedichte, die Proteinqualität, Ver-
sorgung mit essenziellen Fettsäuren, Vitaminen D, B12,
Riboflavin, Calcium, Zink, Eisen und Jod. Grundsätzlich
ist eine bedarfsgerechte Versorgung eines Säuglings mit
veganer Ernährung möglich, setzt jedoch von den Eltern
ein fundiertes Wissen in Bezug auf eine geschickte, diver-
sifizierte Nahrungsauswahl und eine zusätzliche Supple-
mentierung, sicherlich von Vitamin B12 und D, voraus.
Beim gestillten Säugling einer sich vegan ernährenden
Mutter muss diese bezüglich möglicher Mikronährstoff-
defizite kontrolliert werden und entsprechend supplemen-
tiert werden. Nicht mit Muttermilch ernährte Säuglinge
können mit einer bilanzierten Säuglingsanfangsnahrung
auf Sojabasis ernährt werden. Im Bericht der Eidgenössi-
schen Ernährungskommission (EEK) zur vegetarischen Er-
nährung (2006) und den Empfehlungen der Schweize-
rischen Gesellschaft für Ernährung (SGE) wird von einer
veganen Ernährung im Säuglingsalter abgeraten [5]. Eine
Autorengruppe der EEK arbeitet derzeit an der Überarbei-
tung der Empfehlungen zur veganen Ernährung.
«Leitungswasser ist für die Schoppen
zubereitung nicht geeignet»
«Muss man in der Schweiz das Wasser für den
Schoppen immer abkochen?»
Zur Zubereitung der Schoppenmahlzeit nimmt der EEK-
Bericht zur Ernährung in den ersten 1000 Tagen [4] mit
Verweis auf die Empfehlungen der Ernährungskommissi-
on der Deutschen Gesellschaft für Kinderheilkunde eben-
falls Stellung. Für die Schoppenzubereitung wird dabei
frisches Trinkwasser empfohlen, dazu soll das Wasser vor-
her abgelaufen werden lassen, bis kaltes Wasser aus der
Leitung fliesst. Von der Verwendung von Wasserfiltern
wird abgeraten, da durch Wasserfilter Keimzahlen und
Kontaminantenkonzentrationen erhöht werden können.
Bei hohem Nitratgehalt des Wassers (>50 mg/L; vor allem
bei häuslichen Brunnen) und bei Wasserleitungen aus Blei
(in manchen Altbauten) sollte für die Säuglingsernährung
geeignetes, d.h. mineralstoffarmes, abgepacktes Was-
ser benutzt werden. Eine entsprechende Übersicht fin-
det sich auf der Seite des Verbandes Schweizerischer Mi-
neralquellen (http://mineralwasser.swiss/mehr-als-wasser/
mineralisierungstabelle).
Flaschennahrung sollte immer frisch zubereitet und so-
gleich gefüttert werden. Flasche und Sauger sind sorgfäl-
tig zu reinigen und trocken aufzubewahren, ein Ausko-
chen ist nicht erforderlich. Sterilisierbäder werden nicht
empfohlen. Säuglingsnahrung auf Pulverbasis kann ge-
mäss Empfehlung mit auf Trinktemperatur erwärmtem
Wasser oder aber mit auf Trinktemperatur abgekühltem
abgekochtem Wasser zubereitet werden. Von der Zube-
reitung von Säuglingsnahrungen mit kochendem oder
auf 70° C erhitztemWasser wird wegen der Risiken kind-
licher Verbrühungen und nachteiliger Veränderungen
der Nährstoffgehalte der Milch abgeraten.
«Für die prophylaktische Gabe von
Probiotika gibt es keine Evidenz»
Diese Frage ist wohl zu pauschal formuliert bzw. muss dif-
ferenziert zu beantworten versucht werden. Eine Evidenz,
und von einigen neonatologischen Abteilungen auch ein-
gesetzt, ist in mehreren Studien für die Gabe einer Kom-
bination von verschiedenen probiotischen Keimen zur
Prävention der nekrotisierenden Enterokolitis (NEC) bei
Frühgeborenen gezeigt worden. Falls eine Prophylaxe ei-
ner Antibiotikum-assoziierten Diarrhoe für einen Patien-
ten als wichtig erachtet wird, so findet eine Arbeitsgruppe
der Europäischen Gesellschaft für pädiatrische Gastroen-
terologie, Hepatologie und Ernährung (ESPGHAN) in ei-
ner rezenten Publikation eine gute Evidenz für die Keime
Lactobacillus rhamnosus GG oder Saccharomyces boular-
dii [6]. Die Datenlage zur Prävention von allergischen Er-
krankungen und auch Infektionen wie die Gastroenteritis
oder Luftwegsinfekte von Kleinkindern ist hingegen we-
niger klar und eine Empfehlung zu einer solchen Indikati-
on kann derzeit nicht gegeben werden. Die Schwierigkeit
ist unter anderem, dass in vielen Metaanalysen Studien
mit unterschiedlichen Interventionen verglichen werden,
grundsätzlich aber Effekte streng erregerstammgebun-
den sind. Somit kann ein positives Resultat eines Keimes
nicht einfach auf ein anderes Präparat übertragen wer-
den. Zur Frage der Rolle von Probiotika in Säuglings-For-
mulanahrung nimmt die ESPGHAN in einem Positionspa-
pier von 2011 Stellung – und kommt zum Schluss, dass
die Datenlage derzeit zu unvollständig sei, um eine routi-
nemässige Beigabe von Probiotika zu empfehlen [7].
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REFERENZEN
[1]Saarilehto S, Lapinleimu H, Keskinen S, et al. Growth, Energy Intake,
and Meal Pattern in Five-year-old Children Considered as Poor Eat-
ers. J Pediatr 2004;144:363-7.
[2]Agostoni C, Decsi T, Fewtrell M, Goulet O, Kolacek S, Koletzko B,
Michaelsen KF, Moreno L, Puntis J, Rigo J, Shamir R, Szajewska H,
Turck D, van Goudoever J. Complementary feeding: a commentary
by the ESPGHAN Committee on Nutrition. J Pediatr Gastroenterol
Nutr 2008;46(1): 99–110.
[3]Bundesamt für Gesundheit, Vitamin D-Empfehlungen des Bundes
amtes für Gesundheit BAG Bern, Juni 2012.
[4]Eidgenössische Ernährungskommission. Ernährung in den ersten
1000 Lebenstagen – von pränatal bis zum 3. Geburtstag. Experten-
bericht der EEK. Zürich: Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und
Veterinärwesen, 2015.
[5]www.sge-ssn.ch/media/Merkblatt_Vegetarische_Ernaehrung_2013_6
[6]Szajewska H, Canani RB, Guarino A, Hojsak I, Indrio F, Kolacek S, Orel
R, Shamir R, Vandenplas Y, van Goudoever JB, Weizman Z. Probiot-
ics for the Prevention of Antibiotics-Associated Diarrhea in Children.
J Pediatr Gastroenterol Nutr. 2016; 62(3): 495–506.
[7]Braegger C, Chmielewska A, Decsi T, Kolacek S, Mihatsch W, Moreno
L, Pieścik M, Puntis J, Shamir R, Szajewska H, Turck D, van Goudoever
J. Supplementation of infant formula with probiotics and/or prebiot-
ics: a systematic review and comment by the ESPGHAN committee
on nutrition. J Pediatr Gastroenterol Nutr. 2011 Feb;52(2):238–50.
FALSCH
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