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Pro Senectute Kanton Luzern 4 | 17

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FreundSchaFten geStern und heute

chen bei der GrossmütterRevolution

(www.grossmuetter.ch).

Wie war das früher? Aus welchen

Gründen und wie schlossen Frauen

früher Freundschaften, und welchen

Stellenwert nahmen sie in ihrem

Leben ein? Generell war das wichtigste

Beziehungsnetz für Frauen die eigene

Familie und Verwandtschaft. Beson-

ders in Arbeitsgemeinschaften, wo alle

arbeiten mussten für den gemein-

samen Lebensunterhalt, war die Soli-

darität unter den Tüchtigen zentral.

In der Regel waren Frauen gemein-

sam mit ihren ältesten Töchtern und

Söhnen Solidargemeinschaften, wel-

che für die anderen zu sorgen hatten.

Das konnten trinkende Väter, kranke

oder invalide Geschwister oder auch

alte Grosseltern, Tanten und Onkel

sein. Die Bezeichnung «Freundschaft»

traf auf diese Beziehungen kaum zu;

sie waren fundamental fürs Überleben

der Gemeinschaft und in der Regel

auch emotional sehr befriedigend.

Jahrzehntelange Briefwechsel

Frauen aus bessergestellten Familien –

vor hundert Jahren also eine Minder-

heit – hatten andere Möglichkeiten.

Schon in der Kindheit waren «Mäd-

chenkränzchen» üblich, wo sich die

Töchter wohlhabender Familien in

den privaten Salons bei Kuchen und

Spielen trafen. Später, im Pensionat,

entstanden in der Regel Freundschaf-

ten fürs Leben.

Die meisten Frauen schrieben

neben dem obligatorischen Sonntags-

brief an die alten Eltern, der dann

auch an die anderen erwachsenen

Geschwister weitergereicht wurde,

regelmässig ihren Freundinnen – jahr-

zehntelang. Wir machen uns im Zeit-

alter des Internets kaum mehr Vor-

stellungen, welchen Stellenwert die

Schriftlichkeit im Leben dieser

Frauen hatte.

Für das Buch «Brave Frauen – auf-

müpfige Weiber» lasen Elisabeth Joris

und ich Hunderte von Briefen aus

dem wohlhabenden Milieu im Zür-

cher Oberland und fanden unzählige

Familiengeschichten, aber kaum Kla-

gen. Zentrales Thema war die Familie,

das Aufwachsen der Kinder usw. Die

eigene Befindlichkeit, Sorgen oder

schwierige Umstände wurden nur

angedeutet, indem die Frauen die

gemeinsame unbeschwerte Jugendzeit

beschworen.

Altersfreundschaften waren in der

Zeit vor hundert Jahren kein spezielles

Thema. Die durchschnittliche Lebens-

erwartung betrug um 1900 knapp

50 Jahre, heute sind es gut 30 Jahre

mehr. Wohlverstanden, dies sind

Durchschnittszahlen – es gab sehr

wohl 80-Jährige, sie waren jedoch

sehr selten. Heute haben wir in der Re-

gel nach der Pensionierung noch zwei

Jahrzehnte vor uns, in denen wir auch

weiter unsere Beziehungen pflegen

und ausbauen können. In meinem

Erleben sind Altersfreundschaften

eine grosse Bereicherung. Ich stamme

aus der Generation der 1968er und

wurde durch den feministischen Auf-

bruch der 1970er-Jahre stark geprägt.

Die damaligen Mitstreiterinnen

treffe ich nun wieder im Rahmen der

Bewegung der «GrossmütterRevolu-

tion», wo wir uns gemeinsam für ein

Alter in Würde für alle einsetzen. Ich

staune immer wieder, wie vielfältig

unsere Erfahrungen, Engagements

und heutige Situationen sind – und

wie sehr wir aus einem jahrzehnte-

langen Fundus schöpfen können, um

unsere Anliegen bekannt zu machen

und durchzusetzen. Dazu gehören

natürlich auch Kontakte mit jungen

engagierten Frauen, die wir unterstüt-

zen, auch wenn uns ihre Anliegen nicht

auf den Nägeln brennen.

Freundschaft kennt kein Alter

Auch pflege ich Freundschaft zu we-

sentlich älteren Frauen, die ihr hohes

Alter bewusst gestalten. Im Kontakt zu

den Frauen, die in meinem Buch

«Wie kluge Frauen alt werden» port-

rätiert werden, habe ich unendlich viel

gelernt: über den Stellenwert des

Engagements für eine Sache, die das

eigene Feuer am Leben erhält, über

Beziehungsnetze im Alter, über den

Umgang mit Krankheit und Gebrech-

lichkeit. Und natürlich auch über Ster-

ben und Tod, die uns unausweichlich

näher kommen.

Eine meiner engen Freundinnen,

eine enorm aktive und lebenssprü-

hende Frau, die in den letzten Jahren

im Rollstuhl sass und ständig Schmer-

zen verspürte, versicherte mir mit

leuchtenden Augen, jetzt erlebe sie

Welten, von denen sie vorher keine

Ahnung gehabt habe. Ich glaube ihr –

Freundschaften öffnen Fenster, schaf-

fen Beziehungen und bereichern das

Leben bis zum Ende.

das Leben bis zum Ende»

Früher war

für die Frauen

die Familie

das wichtigste

Beziehungsnetz.