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Pro senectute Kanton luzern 1 | 18

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sind Erinnerungen, Erlebnisse, Verbindungen zu Perso-

nen und Orten. Heimat, das sind Gerüche, die Erinnerung

an einen weichen oder harten Stoff, bestimmte Gerichte,

Bilder. Heimat ist ein Schatz, den wir im Laufe des Lebens

in unserem Innern anreichern können. Und in diesem

Sinn ist Heimat kein physischer Ort, sondern ein Gefühl,

das in jedem und jeder von uns wohnt.

heimat ist auch etwas dynamisches

Für die eine ist Heimat stark mit einem Duft oder einer

Temperatur, einer Tageszeit oder einem bestimmten

Winkel verbunden, in dem das Sonnenlicht einfällt. Für

den anderen ist Heimat vielleicht der Ort, wo er in seiner

Jugend prägende Dinge erlebt hat, zusammen mit Gleich-

altrigen. Heimat, das ist vielleicht die «Bilanz» jeden

Lebens: was man erlebt hat, was man gesehen hat, was

man gespürt, gesehen, geschmeckt und gehört hat. Natür-

lich kann und muss das alles unterschiedlich gewichtet

werden. Man kann erinnern, überhöhen, verdrängen, aus-

schmücken. Aber was wir erlebt haben, wird immer Teil

von uns bleiben.

Heimat ist aber auch etwas Dynamisches. Manchmal

muss auch die Heimat ausgemistet werden. Es braucht

Abnabelungsprozesse, Loslassen, Aufräumen. Denn sonst

kann einen die Heimat auch ersticken und erdrücken. In

diesem Sinne ist Heimat nie fertig. Es gibt immer noch

Raum für mehr. Für mehr, anderes und Neues.

Diese Überlegung hat vieles für sich. Problematisch ist für

mich dagegen das Bild der Wurzeln. Wie oft und wie

selbstverständlich spricht man davon, wo man «verwur-

zelt» sei, wo dieser und jene ihre Wurzeln hätten. Von

alten Menschen sagt man, «einen alten Baum solle man

nicht mehr verpflanzen», und denkt dabei an das Bild von

einem alten Baum mit tiefen Wurzeln. Die Wurzeln die-

nen einem Baum zur Nahrungsaufnahme und halten ihn

bei Sturm und Wetter im Boden verankert.

Aber Menschen haben keine Wurzeln, sondern Füsse.

Und seit es Menschen gibt, sind sie mit diesen Füssen

gewandert, aus wirtschaftlicher Notwendigkeit oder weil

sie vielleicht einfach neugierig waren und Neues ent-

decken wollten oder auch weil sie dort, wo sie herkamen,

unerwünscht waren. Wäre demnach die Heimat aller

Menschen der Ort oder die Orte, wo sich die ersten Men-

schen entwickeln konnten? Oder wäre die Heimat immer

der Ort, wo man geboren wird? Oder der Ort, an welchem

man die längste Zeit gelebt hat? Oder dort, wo man die

wichtigsten Dinge erlebt hat? Oder wäre es am Ende

möglich, mehrere Heimaten zu haben, obwohl, streng

genommen, das Wort Heimat gar nicht in den Plural ge-

setzt werden kann.

Was die Wurzeln beim Baum sind, ist beim Menschen

vielleicht das Gefühl der Heimat: Heimat gibt Nahrung

und hält am Boden fest, sprich, Heimat hilft den Men-

schen, gut im Leben zu stehen. Ich denke, Heimat, das