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an der Adligenswilerstrasse. Am Schwanenplatz wird sie

manchmal von wildfremden Menschen gegrüsst. «Die

Leute schauen mich an und nicken mir zu, aber immer auf

liebenswürdige Art.» Das stört sie nicht, es passiere auch im

erträglichen Mass. «Ich bin ja kein Rockstar.»

Zu Hause bereitet sie ihr Mittagessen zu. Ein Süppchen?

Empört schüttelt sie den Kopf. «Etwas Einfaches, ja. Aber

schon etwas Rechtes mit Gemüse, Kartoffeln und etwas

Fleisch.» Ein Freund habe ihr kürzlich beim Essen Gesell-

schaft geleistet und beim Anblick des kleinen Fleischstück-

chens auf ihrem Teller gemeint: «Da kommen mir die

Tränen.» Angela Rosengart lacht. In ihrem Alter brauche

man nicht mehr viel. «Aber es ist wichtig, sich gesund zu

ernähren, mit viel Obst.»

streng mit sich selber

Apropos gesund: Das ist die 85-Jährige. Und das komme

nicht von ungefähr, versichert sie. Ihr Geheimnis: Gym-

nastik. «Seit 30 Jahren mache ich jeden Morgen während

20 Minuten meine Übungen. Das ist wichtig und hält mich

beweglich.» Als sie unlängst bei der Dentalhygienikerin war

und sich mühelos aus der liegenden Haltung heraus auf-

setzen konnte, habe diese über ihre Bauchmuskulatur

gestaunt, erzählt sie mit einem Hauch von Stolz in

ihrer Stimme.

Die Luzernerin hat ein Leben lang auf ihre Gesundheit

geachtet. Es heisst, sie habe noch nie einen Tropfen Alkohol

getrunken. «Das sagt mir einfach nichts. Wenn, dann habe

ich eine Schwäche für Schokolade.» Aber auch diesen

Genuss erlaubt sie sich nur mit Mass. «Wenn ich mal Prali-

nen habe, dann nehme ich höchstens zwei Stück nach dem

Essen. Ich bin streng mit mir.» Nach dem Mittagessen

gönnt sie sich aber eine kleine Ruhezeit, die sie mit der

Zeitungslektüre verbringt. «Eine erste Tranche sozusagen.

Die zweite folgt amAbend, wenn ich mehr Zeit habe.»

Danach arbeitet sie in ihrem Büro zu Hause. Kataloge

aufarbeiten, Werkverzeichnisse vervollständigen und so

weiter. Immer mehr Zeit verbringt sie mit Provenienz-

Anfragen, bei denen es um die Herkunft von Bildern geht

im Zusammenhang mit der Raubkunst aus der Nazizeit.

«Da ich nur wenige Unterlagen habe, ist das eine sehr auf-

wendige Arbeit, die ich für Fragende machen muss, ohne

selbst etwas davon zu haben.»

Punkt 18.30 Uhr macht Angela Rosengart Feierabend.

«Das ist eine alte Gewohnheit aus der Zeit, als wir noch die

Galerie hatten und um diese Zeit den Laden schlossen.»

Wenn sie mal bereits um 18 Uhr die Arbeit niederlegt, hat

sie fast ein schlechtes Gewissen. Nach dem Abendessen –

auch das bereitet sie selber zu – ist Lektüre angesagt. Die

bereits erwähnte Zeitung und jede Menge Bücher, die sich

auf dem Boden stapeln. Für Romane oder Krimis hat sie

keine Zeit. Sachbücher über Kunst, Archäologie, Geschichte

und Kultur sind ihre Leidenschaft. «Aber ich komme kaum

nach, alles zu lesen, was ich möchte. Ich glaube, ich brauche

zwei Leben.»

Um 22 Uhr geht sie ins Bett – und liest dort noch etwas

weiter. Abendlicher Ausgang ist für sie kein grosses Thema

mehr. Früher ging Angela Rosengart oft und gerne ins The-

ater. Heute fast nicht mehr. «Ich habe Mühe damit, wenn

klassische Werke künstlich auf modern getrimmt werden.»

Auch ihr Freundeskreis ist kleiner geworden. «Ich kenne

Leute in New York, Paris, Genf und auch hier in Luzern.

Aber die sterben mir langsam weg», meint sie mit einem

leicht bitteren Schmunzeln.

Einsam ist sie deswegen nicht, zu gross ist ihr Bezie-

hungsnetz, das sie sich in ihrem Leben als Kunsthändlerin

aufgebaut hat. Bereits 1948, mit 16 Jahren, stieg sie bei

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Pro senectute Kanton luzern 1 | 18