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zu Hause war. Später als Stadträtin in Dübendorf wurde

ich angefragt, Verwaltungsratspräsidentin einer neu zu

gründenden Firma eines Bekannten zu werden. Als ich

aufs Notariat kam, wurde ich gefragt, wo mein Mann sei,

er müsse unterschreiben. Dabei hatte ich als Stadträtin

von Dübendorf alle Kompetenzen für Unterschriften, nur

nicht für mich persönlich. Alle diese Erfahrungen haben

mich politisiert.» Unverständlich war für sie auch, dass

die Männer das Stimmrecht für die Frauen mehrmals

abgelehnt hatten. «Schon 1959 setzte ich mich dafür ein

und habe gekämpft, oft gegen Frauen, die lieb und brav

waren und sich ihren Ehemännern unterwarfen.»

Begeisterte Politikerin

Lachend schildert sie ihren Weg in die aktive Politik. Kurz

nachdem sie das Präsidium des Frauenvereins übernom-

men hatte, wollte sie der Präsident der CVP auf die Liste

für den Gemeinderat nehmen. «Du musst keine Angst

haben, du wirst sowieso nicht gewählt», meinte er bei der

Anfrage. Zur grossen Überraschung aller kam es anders:

Auf Anhieb wurde sie mit der zweitbesten Stimmenzahl

erzählt von ihrer Kindheit und Jugend in Rapperswil.

Wegen der oft kranken Mutter war sie als Älteste so etwas

wie das Mami für die Familie. Der fortschrittliche Vater

weckte ihr Selbstbewusstsein und wollte, dass die drei

Töchter eine Ausbildung machen. Eigentlich hätte sie

gerne Geschichte studiert, liess sich dann aber den

Möglichkeiten entsprechend zur Damenschneiderin

ausbilden. «Doch gab ich mich damit nicht zufrieden, ich

wollte mehr, besuchte Kurse am KV und absolvierte eine

Fachausbildung für Kostümkleider und Herrenmode»,

schildert sie die Zeit, als sie eine gute Couture-Stelle am

Zürcher Paradeplatz hatte.

Wohl auf der Suche nach familiärer Geborgenheit

heiratete sie schon mit 20, bekam ein Jahr darauf die erste,

dann die zweite Tochter und bald auch einen Adoptiv-

sohn. Mehrmals nahm sie auch Pflegekinder auf, von

denen ein Pflegesohn bald ganz zur Familie gehörte.

Rosmarie Zapfl hat ihr Leben und ihre Karriere nicht

geplant. Manche Aufgaben erreichten sie zufällig. Interes-

siert und offen für Neues, stellte sie sich den Herausforde-

rungen und wuchs daran. So kam sie als junge Frau zu

ihrem ersten öffentlichen Amt. Eine Nachbarin nahm sie

mit an die GV des Katholischen Frauenvereins, den sie

vorher nicht gekannt hatte. Als an dieser Versammlung

der ganze Vorstand zurückgetreten war, schlug der Präses

Rosmarie Zapfl als neue Präsidentin vor mit der

Begründung, sie könne dies als Geschäftsfrau und

Mutter. Sie sagte zu und packte die Aufgabe praktisch

und mit Elan an.

Später wurde sie Präsidentin des Zürcher Kantonal-

verbandes und arbeitete im Schweizerischen Dach-

verband mit. Ihr Bemühen, die Frauen an der Basis für

die Bedeutung der politischen Arbeit zu sensibilisieren,

war oft ein schwieriges Unterfangen, wollten diese

doch häufig nichts zu tun haben mit der in ihren Augen

«dreckigen Politik». Unermüdlich zeigte Rosmarie Zapfl

in ihren Vorträgen auf, dass «Politik am Morgen mit der

Butter beginnt, die wir aufs Brot streichen» und dass auch

Desinteresse und Abseitsstehen politisches Handeln sind.

Als Frau rechtlos

«Ich wurde politisiert, weil ich als Mädchen geboren bin

und schon in der Schule nicht dieselben Rechte hatte

wie die Buben», erklärt sie und beschreibt ihre Erfahrun-

gen: «Ich durfte nicht ins Englisch und nicht in die

Algebra. Mit 20 heiratete ich einen Österreicher. Als die

Kinder kamen, musste ich feststellen, dass ich als Schwei-

zerin Ausländerkinder bekommen hatte. Bei der Grün-

dung der eigenen Firma liess ich mir meine zweite Säule

auszahlen. Der Briefträger durfte mir das Geld an der

Haustür nicht aushändigen, wenn mein Mann nicht

Ich wurde politi-

siert, weil ich als

Mädchen geboren

bin und schon in

der Schule weniger

Rechte hatte als

die Buben.

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Pro Senectute Kanton Luzern 2 | 17