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Pro Senectute Kanton Luzern 1 | 17

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Foto: Peter Lauth

Weil dies ja auch Auswirkungen auf die Solidarität

zwischen den Generationen hat ...

Es wurde befürchtet, die Menschen würden sich von

ihrem Engagement zurückziehen, wenn es mehr öffentliche

Angebote der familienergänzenden Kinderbetreuung oder

der Spitex gibt. Das Gegenteil ist der Fall. Eine gute unter-

stützende Infrastruktur wirkt sich positiv auf die

Beziehungen aus, da sie diese entlastet. Grosseltern sind

vom Druck, ihre Enkelkinder hüten zu müssen, befreit. An-

gehörige können sich vermehrt auf die organisatorische

Unterstützung konzentrieren, wenn sie von der rein pflege-

rischen Arbeit entlastet sind. Fakt ist, dass gegenseitige Un-

terstützung in der Familie zum einen aus Liebe geschieht,

jedoch auch aufgrund finanzieller und struktureller Not-

wendigkeit, wenn etwa Kinderkrippen fehlen oder zu teuer

sind und die Kosten für Heime und Spitex ebenfalls steigen.

Der aktuelle Spardruck bewirkt aber, dass die öffent-

liche Hand immer mehr Kosten auf die Familien abwälzt.

Ja, dies ist ein wunder Punkt, ein absoluter Teufelskreis.

Wir müssen deshalb erst recht dranbleiben, über die

Zusammenhänge informieren und ein Bewusstsein dafür

schaffen, dass die Familien und insbesondere die Frauen

nicht mehr alles Gewünschte leisten können.

Sie plädieren dafür, die Solidarität zwischen den

Generationen nicht nur zu fordern, sondern selbstbe-

wusst auszuhandeln und gesetzlich zu unterstützen.

Diese Aushandlung ist wichtig und muss auf verschiedenen

Ebenen geschehen. Generationenbeziehungen sind ja nicht

a priori konfliktfrei. Jede Generation ist unter anderen Be-

dingungen aufgewachsen und ist mit anderen Herausforde-

rungen konfrontiert. Differenzen dürfen bestehen, Unter-

schiedlichkeiten können sich ergänzen. Deshalb ist es

wichtig, offen miteinander zu reden und dies auch in der

Schule, am Arbeitsplatz und in der Politik immer wieder

zum Thema zu machen. Für mich steht und fällt die Gene-

rationensolidarität mit einer besseren Unterstützung der

Familien. Diese sind zwar klar eine private Angelegenheit,

aber auch eine Zelle des Staates. Alles hängt zusammen.

Im Generationenbericht wird eine Vielfalt an inter-

generationellen Initiativen gefordert. Was hat sich

diesbezüglich bewegt?

Von privater Seite ist einiges gegangen. Ich denke z.B. an

Generationen imKlassenzimmer oder intergenerationelles

Wohnen. Ich lasse den Vorwurf nicht gelten, die Initiativen

kämen immer von den Älteren. Wer soll es denn sonst

machen? Die Jungen sind doch mit ganz anderen Proble-

men beschäftigt, Intergenerationalität ist eine Frage der

Generativität, und das ist eine Aufgabe der zweiten

Lebenshälfte.

Wie sehen Sie die künftige Entwicklung der Generatio-

nensolidarität?

In den letzten zehn Jahren ist einiges gegangen, das

Bewusstsein für die Thematik ist da. Es existiert sogar eine

Faszination für Generationendiskurse. Wir sollten uns

dabei noch mehr einmischen und mitgestalten, zeigt die

Bereitschaft zur Solidarität doch ihre Grenzen.

INTERVIEW: MONIKA FISCHER

Zur Person

Pasqualina Perrig-Chiello

(1952), Prof. Dr., studierte

Psychologie an der Universität Fribourg und habilitierte

an der Universität Bern. Die Mutter zweier erwachsener

Söhne war 2003–2017 Professorin an der Universität

Bern. Familiale Generationenbeziehungen (mittlere

Generation, pflegende Angehörige, Grosselternschaft)

gehören zu ihren zentralen Forschungsschwerpunkten.

Pasqualina Perrig-Chiello ist amPro-Senectute-

Anlass imKKL «Sind Roboter die besseren Menschen»

Gast in der Talkrunde von Kurt Aeschbacher. (Seite 2)