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K I N D E R Ä R Z T E

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SCHWEIZ

FORTB I LDUNG

01 / 2017

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Einleitung

Die Ernährung während der ersten Lebensphase hat einen grossen

Einfluss auf Wachstum, Gedeihen und die Gesundheit des Kindes.

«Frischgebackene» Eltern beziehen ihr Wissen über die «richtige»

Ernährung aus verschiedenen Quellen wie Freundeskreis, Mütter-

und Väterberatungsstellen, Broschüren, Internet, Blogs und – oft erst

wenn Probleme auftauchen – in der Kinderarztpraxis. Die auf Basis

aktueller Empfehlungen beruhende Beratung ist eine wichtige kinder-

ärztliche Aufgabe. Die wissenschaftliche Basis der Ernährungsemp-

fehlungen für die ersten 1000 Tage wurden durch eine Experten-

gruppe in Zusammenarbeit mit verschiedenen Fachgremien erarbei-

tet und 2015 publiziert (BAG) [1]. Der vorliegende Artikel fokussiert

auf praktische Fragen zur Ernährung im Säuglingsalter und basiert

auf dem EEK Bericht sowie den aktuellen europäischen Empfehlun-

gen der ESPGHAN 2017 [2].

Der Ernährungsplan für das 1. Lebensjahr

unterscheidet 3 Altersabschnitte

AusschliesslichMilchernährung–

in den ersten 4–6 Lebensmonaten

Einführung Beikost –

ab dem 5. bis spätestens 7. Monat

Übergang zur Familienkost –

gegen Ende des 1. Lebensjahres

Ausschliesslich Milchernährung

Stillen ist die natürliche Form der Säuglingsernährung und unterstützt

in optimaler Weise Wachstum und Entwicklung. Die Empfehlungen

lauten, Säuglinge vier bis sechs Monate ausschliesslich zu stillen und

anschliessend während der Einführung der Beikost weiterzustillen [3].

Muttermilchmenge:

Das Kind soll die Häufigkeit des Stillens bestimmen, es darf so viel

und so oft trinken, wie es möchte. In den ersten Lebenswochen trin-

ken die meisten Säuglinge täglich etwa 10–12 Mal, später noch alle

3–4 Stunden. Im Mittel nehmen Säuglinge 750 ml Muttermilch pro

Tag auf (der sogenannte Normalbereich reicht von 500 bis 1500 ml).

Wie häufig wägen:

Stillende Mütter sind oft unsicher, ob die Milchmenge ausreicht und

das Baby genügend zunimmt. Macht das Kind einen zufriedenen

Eindruck und zeigt es keine Zeichen von Gewichtsabnahme, kann

die Gewichtsbestimmung bei der Mütterberaterin oder im Rahmen

der normalen ärztlichen Kontrolluntersuchungen erfolgen.

Wie lange ausschliessliches Stillen:

Die Ernährungskommission der European Society of Paediatric Gas-

troenterology, Hepatology and Nutrition

(ESPGHAN)

[1] kommt zum

Schluss, dass 6 Monate ausschliessliches Stillen ein erstrebenswer-

tes Ziel ist. Die Beikost sollte nicht vor der 17. und auch nicht nach

der 26. Lebenswoche eingeführt werden [1].

Stillen und Adipositasprävention:

Stillen kann neben anderen Vorteilen auch zu einer Risikominde-

rung für eine spätere Adipositas beitragen. Mögliche Wirkungsme-

chanismen sind der im Vergleich zu Muttermilchersatzprodukten

tiefere Proteingehalt der Muttermilch, was einen Einfluss auf den

Insulinmetabolismus haben könnte [1].

Wie lange weiterstillen:

Die WHO empfiehlt, nach der Einführung der Beikost mindestens

bis zum Alter von 2 Jahren weiterzustillen [4]. Die Ernährungskom-

mission der Schweizerischen Gesellschaft für Pädiatrie

(SGP)

[5] hat

sich den Empfehlungen der Ernährungskommission der ESPGHAN

[1] angeschlossen und empfiehlt, das Stillen nach Einführen der Bei-

kost so lange weiterzuführen, wie Mutter und Kind dies möchten.

Wie sieht die Realität aus in der Schweiz:

In der Schweiz gebärende Mütter stillen ihre Säuglinge zu Beginn

zahlreich, aber nicht so lange wie empfohlen. Die 2014 veröffent-

lichte Stillstudie des Bundes bestätigt entsprechende Erkenntnisse

aus früheren Untersuchungen. Sie zeigt, dass Säuglinge in den ers-

ten Lebensmonaten konsequenter gestillt werden als noch vor zehn

Jahren und dass unterstützende Rahmenbedingungen und Mass-

nahmen sich positiv auf die Stilldauer auswirken können. Nach dem

4. Lebensmonat erhalten 35% der Säuglinge keine Muttermilch

mehr und nach dem 9. Lebensmonat sind es 75% Prozent, womit

eine leichte Abnahme der Stilldauer in den letzten zehn Jahren zu

verzeichnen ist [6].

Wenn Stillen nicht möglich ist:

Steht Muttermilch nicht in ausreichender Menge zur Verfügung

oder gibt es bestimmte Gründe für das sogenannte Nichtstillen eines

Säuglings, sind industriell hergestellte Säuglingsflaschennahrungen

als Muttermilchersatz die Nahrung der Wahl.

Welche Säuglingsnahrungen werden unterschieden:

Säuglingsanfangsnahrungen (Typ 1 oder Pre):

sind Säuglingsmil-

chen, die als Muttermilchersatzprodukt für die Ernährung von ge-

sunden Säuglingen während der ersten Lebensmonate bestimmt

sind und die Ernährungsbedürfnisse bis zur Einführung der Bei-

kost abdecken. In Menge und Frequenz können diese Nahrungen

ad libitum gefüttert werden. In den ersten 6 Lebensmonaten soll

nur Säuglingsanfangsnahrung und keine Folgenahrung als Mutter-

milchersatz angeboten werden. Der wesentliche Unterschied zwi-

schen einer Pre-Säuglingsanfangsmilch und einer 1-Nahrung liegt

in der Zusammensetzung der Kohlenhydrate. Pre-Milch enthält aus-

schliesslich Laktose als Kohlenhydrat und wirkt daher flüssiger, in der

Ernährung im Säuglingsalter –

praktische Tipps für die pädiatrische Praxis

DR. MED. J. SPALINGER,

PÄDIATRISCHE GASTROENTEROLOGIE UND ERNÄHRUNG, KINDERSPITAL LUZERN