Zenit Nr. 3, September 2023

14 Pro Senectute Kanton Luzern 3 | 23 PERSÖNLICHKEITEN Wie war das damals, als der erste Batzen verdient, das erste Sackgeld erwirtschaftet wurde? Wie gross war die Freude und was geschah mit dem Geld? Seniorinnen und Senioren im Haus Ibenmoos am Lindenberg im Luzerner Seetal erinnern sich an ihre meist entbehrungsreiche Kindheit. TEXT UND FOTOS: ROBERT BOSSART «Sackgeld gab es früher bei uns nicht» Mein erstes verdientes Geld «Sackgeld? Davon hat zu meiner Zeit niemand geredet, das gab es damals nicht. Ich ging in Ennetmoos bei den Klosterfrauen sechs Jahre zur Schule und eigentlich hätte ich nach Stans in die Sek kommen sollen, aber es hiess, ich müsse helfen. Mein Vater war Waldarbeiter und verdiente nicht viel, zudem war er eine ewige Zeit im Dienst an der Grenze, schliesslich war Krieg. Meine Mutter half auf anderen Höfen aus, machte die grosse Wäsche und arbeitete tagelang mit der Sense. Als Zweitälteste musste ich zu den Geschwistern schauen, Mittagessen kochen, jäten, Holzböden auf den Knien schrubben und so weiter. Im Ennetmooser Trachenried waren 400 Polen interniert. Dort mussten wir helfen, wir gingen zum Beispiel Bohnen auflesen nach der Schule, dafür bekamen wir 5 Rappen auf die Stunde. Aber das Geld konnte ich nicht für mich behalten. Mit 15 trat ich meine erste Stelle an als Mädchen für alles beim Nachbar. 15 Franken Monatslohn erhielt ich, Ferien oder Freizeit gab es nicht. Von morgens früh bis abends arbeiten, nur am Sonntagnachmittag hatte ich frei, aber um halb vier musste ich wieder in der Scheune sein. Das waren andere Zeiten. Ich erinnere mich genau, wie ich nach den ersten drei Tagen heimkam und mich beklagte, dass es so streng war. Meine Mutter sagte nur, ich solle ins Bett gehen. Drei Jahre lang bin ich nicht mehr gewachsen, weil die Arbeit so viel Energie kostete. Später hatte ich selber elf Kinder und lebte in Ballwil, weniger anstrengend waren diese Zeiten auch nicht. Aber die Freude an den Kindern war immer gross. Alle haben es schliesslich zu etwas gebracht und arbeiteten immer viel.» Christine Hess, 93

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