Zenit Nr. 3, September 2023

Pro Senectute Kanton Luzern 3 | 23 15 «Wir waren neun Kinder, meine Eltern hatten eine Liegenschaft in Zuckerriet bei Wil im Kanton St. Gallen. Mein Vater ging auswärts arbeiten, darum mussten wir umso mehr daheim mit anpacken. Sackgeld? Da muss ich etwas studieren. Ich weiss noch, wie wir am Sonntag helfen mussten, die Kegel von der Kegelbahn draussen vor der Wirtschaft aufzustellen. Nach einem Spiel bekamen wir Kegelbuben normalerweise etwas. Aber eben nur normalerweise. Es ging nicht immer so ehrlich zu und her, zum Teil wurden wir um unser Sackgeld betrogen. Darum war ich froh, wenn der Pfarrer am Sonntagnachmittag auch in die Wirtschaft kam. Der hatte ein Motorrad und wenn er auftauchte, waren wir glücklich, weil sich dann niemand getraute, uns über den Tisch zu ziehen. Aus heutiger Sicht waren die Sonntage ziemlich streng, obwohl es eigentlich der einzige freie Tag hätte sein sollen. 45 Minuten dauerte der Weg zur Kirche am Vormittag, dann zurück zum Mittagessen und am Nachmittag wieder hin zur Kirchenlehre. Und später dann in die Wirtschaft. Das war so um 1939 herum, und es herrschte Krieg. Deshalb konnte ich das verdiente Geld nicht «Wir verdienten fast nichts» einfach verputzen, sondern musste es hergeben, um Holzschuhe oder Stiefel zu kaufen. Für Luxus wie Süsses hatten wir kein Geld. Aber schliesslich ging es den anderen Familien ähnlich, wir waren trotzdem zufrieden. Ich hatte eine sehr liebe Mutter. Wenn der Vater am Sonntag in die Beiz zum Jassen ging und wir zu Hause blieben, gingen wir Beeren pflücken und machten ein feines Müesli. Er vergnügte sich auswärts, dafür konnten wir es zu Hause schön haben und auch etwas Gutes zu essen bekommen. Auch später hatten wir nie Geld für die Dinge, die nicht absolut nötig waren. Zu essen hatten wir genug, aber für Extras reichte es nie. Auch in den folgenden Jahren, als ich geheiratet habe und wir 1940 nach Herrlisberg kamen, mussten wir sehr streng arbeiten und verdienten fast nichts. Dann gingen wir für fünf Jahre nach Kanada, wo ich in der Molkerei meines Bruders arbeiten konnte. Schlecht hatten wir es nie, auch als Kind nicht. Wir hatten stotziges Land und konnten im Winter auf selbst gebauten Fassdubelis Ski fahren. Das machte Spass. Und ich war 70 Jahre lang verheiratet, das kommt nicht gerade häufig vor.» «Die ersten Batzen gab es fürs Mäuse- fangen auf den Feldern. Und am Donnerstag, wenn wir frei hatten und zur Christenlehre gingen, halfen wir noch beim Heuen und am Abend beim Abladen. Und Heuferien hatten wir auch, da gab es mal einen Franken oder zwei. Vor der Schule hat uns der Vater um Viertel nach fünf geweckt und wir mussten im Stall die Kühe anrüsten. Später, als die Melkmaschine kam, half ich auch mit und brachte nach dem Melken die Milch in die Käserei. Verwöhnt wurden wir nicht. Wir waren vier Geschwister und sind auf einem Hof in Ballwil aufgewachsen. Ich habe noch Hasen gezüchtet und konnte das Kilo dann für drei bis vier Franken verkaufen. Das hat etwas Sackgeld gegeben. Manchmal durften wir etwas kaufen damit, aber das meiste Geld kam auf die Bank. Später, als ich eine Schnapsbrennerei gekauft habe, brauchte ich das Geld. Ich habe die Landwirtschaftsschule absolviert und auf einem Hof gearbeitet, später war ich dann bei Emmi.» «Das meiste Geld kam auf die Bank» Fridolin Aregger, 80 Alois Odermatt, 95

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