Zenit Nr. 3, September 2023

VON ROBERT BOSSART Die Zweizimmerwohnung am Stadtrand von Luzern ist klein, die Möbel sind einfach, aber die Einrichtung ist gemütlich, auch die Katze und der Hund von Francesca Licciano scheinen sich wohlzufühlen. Und die Bewohnerin, die mit ihren 74 Jahren aussieht, als wäre sie erst gerade 60 geworden, strahlt zufrieden. Dass sie fast ihr ganzes Leben lang jeden Rappen umkehren musste und mit sehr wenig Geld lebte, sieht man ihr nicht an. Das entbehrungsreiche Leben scheint mehr oder weniger spurlos an ihr vorübergegangen zu sein. Sie lacht und meint nur: «Ich habe wohl ein Urvertrauen, um das mich viele beneiden. Trotz allem, was mir das Leben an Schwierigkeiten beschert hat, ging es mir psychisch immer gut.» Neben ihr sitzt Jürg Hottiger, ihr Treuhandberater von Pro Senectute. Einmal im Monat sitzen die beiden zusammen und gehen alle Rechnungen und sonstigen Ausgaben durch. Er ist auch pensioniert und leistet ehrenamtlich diesen Einsatz. «Ich bin eigentlich ihr Buchhalter.» Er hat für alle Geschäftsbeziehungen Vollmachten und zahlt für sie sämtliche Rechnungen. Sie hebt vom Konto das Haushaltsgeld ab, das sie für den Monat benötigt. Mit 937 Franken AHV und rund 2000 Franken Ergänzungsleistungen beträgt ihr monatliches Budget knapp 3000 Franken. Mit der Miete von knapp 1300 Franken bleibt damit nicht mehr viel für alles andere. Aber Francesca Licciano reicht das, sie kann damit umgehen. «Sie hat ihr Budget gut im Griff», bestätigt Jürg Hottiger. «Es ist beeindruckend, zu sehen, wie sie mit ihren bescheidenen Mitteln klarkommt.» Für ihn ist es zentral, dass sie sich gegenseitig vertrauen. So kann die Rentnerin frei über ihr Konto verfügen. Es gibt andere Mandate, bei denen der Treuhandberater stärker kontrollieren muss, dass die Finanzen im Lot bleiben. Für Francesca Licciano ist es wichtig, dass sie nicht zu stark bevormundet wird. «Ich bin froh um die Unterstützung, aber auch darum, dass ich die Freiheit über meine Mittel behalte.» Wie lebt man mit so wenig Geld? Die 74-Jährige schmunzelt. Sie besitzt jede Menge Erfahrung darin, mit 12 Pro Senectute Kanton Luzern 3 | 23 knappem Budget über die Runden zu kommen. «So viel wie heute hatte ich früher fast nie zur Verfügung.» Klar, es sei immer noch bescheiden, aber sie komme gut zurecht damit. «Ich lebe sehr einfach, das bin ich mir von früher her gewohnt.» Ab und zu kann sie es sich leisten, sich mit einer Freundin im Coop-Restaurant zum Mittagessen zu verabreden, was sie sehr schätzt. «Ansonsten schaue ich darauf, dass ich günstig einkaufe, obwohl ich auch auf gesunde Ernährung schaue.» Auf Extras wie teure Kleider, neue Möbel oder Konzertbesuche verzichtet sie. Zunehmend überfordert Den Dienst von Pro Senectute hat sie nicht in Anspruch genommen, weil das Geld nicht reicht, sondern vor allem, weil sie sich mehr und mehr überfordert fühlte von der zunehmend komplexen administrativen Arbeit. «Ich habe meine Finanzen immer selber erledigt. Bis ich letztes Jahr merkte, dass ich langsam den Überblick verliere und teilweise nicht mehr wusste, ob ich eine Rechnung bereits bezahlt hatte oder nicht.» Dann seien die Einzahlungsscheine mit QR-Code gekommen, mit denen sie nie so richtig zurecht kam. Die fortschreitende Digitalisierung bereitet ihr Mühe. «Ich habe zwar ein Handy, aber nur schon, wenn ich etwas googeln will, funktioniert es irgendwie nicht.» In den letzten Jahren habe sich so viel verändert, das sei ihr irgendwann zu mühsam geworden, seufzt sie. «Deshalb bin ich froh um die Hilfe von Jürg Hottiger.» Dabei ist Francesca Licciano eine, der selten etwas zu mühsam wurde im Leben. Obwohl sie einigen Grund gehabt hätte, sich so zu fühlen. Sie musste sich ohne jegliche Ausbildung durchs Leben schlagen. Als junge Frau begann sie zwar in Italien mit der Ausbildung zur Lehrerin, brach diese dann aber ab. «Mein Papa war zu ehrlich, und da man damals fast nur mit Schmiergeldern zu einer Anstellung kam, liess ich es bleiben.» Dann versuchte sie Mit gut 900 Franken AHV und ohne Pensionskasse: Francesca Licciano musste ihr ganzes Leben lang mit wenig Geld leben. Mit Hilfe des Treuhanddiensts hat sie ihre Finanzen im Griff und kann sogar ab und zu mal auswärts essen gehen. TREUHANDDIENST «Ich bin es gewohnt, schmal durchzumüssen» Foto:Adobe iStock

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