Zenit Nr. 1, März 2022

16 Pro Senectute Kanton Luzern 1 I 22 CLAUDINE FERRER (78), HORW Schwierige Rückkehr ins Leben «Fast neun Jahre lang pflegte ich meinen an Alzheimer erkrankten Mann zu Hause. Irgendwann kam der Moment, als es nicht mehr ging und er in ein Heim ziehen musste. Im Januar 2020, kurz vor Ausbruch von Corona, starb er. Es folgten intensive Wochen. Ich musste den Abschied organisieren, bekam viel Besuch und war mit Reisevorbereitungen beschäftigt. Denn als gebürtiger Brasilianer hatte mein Mann gewünscht, die Hälfte seiner Asche im Meer vor Rio zu verstreuen, wo wir uns kennengelernt und gelebt hatten. Ich reiste nach Südamerika, um diesen Wunsch zu erfüllen und vor Ort eine kleine Abschiedsfeier für seine Familie zu organisieren. Genau in dieser Zeit rief der Bundesrat alle Schweizer imAusland auf, sofort zurückzureisen. Mit dem allerletzten Flug landete ich in Zürich, und vom einen Moment auf den anderen war ich mutterseelenallein. Mein Mann war nicht mehr da, das öffentliche Leben stand still, man durfte keine Freunde treffen, ja nicht mal einkaufen gehen. In den folgenden Monaten häuften sich gesundheitliche Probleme. Das raubte mir alle Lebensfreude. Nach einem langen Gespräch mit meiner Hausärztin und dank Unterstützung von Freundinnen fasste ich wieder Mut. Doch selbst heute, zwei Jahre nach dem Tod meines Mannes, geht es auf und ab. Eine Freundin riet mir, ein Buch über mich zu schreiben, da ich ein verrücktes, spannendes Leben hatte und während Jahren im Ausland lebte. Eine andere wollte mir eine Aufgabe als Freiwillige vermitteln. Doch ich denke, ich muss zuerst wieder Boden unter den Füssen bekommen. Ein Lichtblick ist, dass Reisen bald wieder möglich ist. Wie gerne würde ich meinen Stiefsohn in den USA, meine Stieftochter in Brasilien und Freunde in England oder Rom persönlich sehen, nicht nur per Video-Anruf. Mit dem Tod meines Mannes ist ein Teil von mir gestorben. Der andere Teil braucht einen Sinn zum Weiterleben. Nach unserem intensiven gemeinsamen Leben ist das ein langer Prozess.» BOA CHARLES KUHN (77), HITZKIRCH In guten und schlechten Zeiten «Ein Hirnschlag führte dazu, dass meine Frau seit einem guten Jahr in der ‹Chrüzmatt› Hitzkirch lebt. Doch schon zuvor war es nicht einfach. Ruth hatte sich immer mehr zurückgezogen, und ich übernahm viele Aufgaben. Diesbezüglich war der Heimeintritt auch entlastend. Zudem ist mir bewusst, dass Ruth hier besser betreut werden kann, als es mir zu Hause möglich war. Ich besuche meine Frau fast jeden Nachmittag, auch an den Wochenenden. Nach dem Mittagsschlaf hole ich sie im Zimmer ab und motiviere sie, mit in die Cafeteria zu kommen oder ein paar Schritte im Park zu gehen. Eine gewisse Verpflichtung spüre ich schon, denn wenn ich komme, nimmt sie Anteil am öffentlichen Leben. Aber ich besuche meine Frau nicht aus schlechtem Gewissen. Wir hatten schöne gemeinsame Jahre, jetzt will ich auch in einer schwierigeren Zeit für sie da sein. Durch den Heimeintritt hat sich auch mein eigenes Leben verändert. Ich bin froh, dass ich meine Netzwerke stets gepflegt habe. Ich nehme regelmässig an einem Morgen-Stamm im Café teil, gehe mit Kollegen jeden Freitagabend jassen, unternehme öfters eine Wanderung und habe guten Kontakt zu unseren Kindern. Die stillen Abende allein in derWohnung sind trotzdem nicht einfach.» BOA

RkJQdWJsaXNoZXIy MjYwNzMx