Zenit Nr. 1, März 2022

Ted Scapa «Ich bin immer tätig, arbeiten ist meine Therapie» 1|22 MÄRZ Blick in die Geschichte Von den «universitas scholarium» im Mittelalter Theater «Chuenägele» Gegen Rassismus und Vorurteile Was macht eigentlich? Zu Besuch bei Renato Cavoli SCHWERPUNKT: Betreuende und pflegende Angehörige

2 Pro Senectute Kanton Luzern 1 | 22 lu.prosenectute.ch «Marktwert Alter» Potenziale nutzen und fördern – zu welchem Preis? Pro SenectuteTALK Eintritt CHF 35.- Kartenverkauf KKL Luzern, kkl-luzern.ch, Telefon 041 226 77 77 Die auf Bundesebene verordneten Massnahmen zur Eindämmung des Coronavirus stellten Wirtschaft, Politik und das gesellschaftliche Miteinander während Mon ten ja sogar Jahre auf eine harte Bewährungsprobe. Hat die Coronakrise das Ansehen der älteren Menschen in ihren Grundwerten erschüttert? Welchen Marktwert hat das Alter nach Covid-19? Hat sich der Umgang, die Denkweise zwischen Jung und Alt verändert? Brauchen wir eine neue Alterskultur? Moderation Kurt Aeschbacher Marie-Theres «Maite» Nadig Gesprächsteilnehmende: − Marie-Theres «Maite» Nadig, ehemalige Schweizer Skirennfahrerin, Doppel-Olympiasiegerin − Julia Onken, Autorin, Gründerin und Leiterin des Frauenseminars Bodensee − Eveline Widmer-Schlumpf, Präsidentin des Stiftungsrates Pro Senectute Schweiz − Dr. Benedikt Weibel, ehemaliger Geschäftsleiter der Schweizerischen Bundesbahnen SBB Donnerstag, 9. Juni 2022 17.00 Uhr, KKL Luzern, Konzertsaal Julia Onken Eveline Widmer-Schlumpf Dr. Benedikt Weibel Unterhaltung mit Komödiantin und Kabarettistin Anet Corti. Partner Medienpartner a Inserat

EDITORIAL «Betreuende und pflegende Angehörige» Geschätzte Leserinnen und geschätzte Leser Pflegenden und betreuenden Angehörigen gebührt ein riesengrosses Dankeschön für ihre Arbeit. Ungefähr 80 Millionen Stunden werden jährlich unentgeltlich geleistet. Damit die Pflege und Betreuung nicht in Einsam- keit oder Überforderung endet, gilt es aber nicht nur Dankeschön zu sagen, sondern auch hinzuschauen. SP-Nationalrätin Flavia Wasserfallen ist überzeugt, dass alle Staatsebenen gefordert sind, um die Situation von betreuenden Angehörigen zu verbessern. Pro Senectute Kanton Luzern bietet in Partnerschaft mit dem Roten Kreuz Kanton Luzern und der finanziellen Unterstützung der CSS im aktuellen Kursprogramm zwei Kurse an (siehe Seite 13). Kursleiterin Frieda Waldispühl Zindel beantwortet im Interview unter anderem die Frage, wann der richtige Zeitpunkt ist, um Hilfe in Anspruch zu nehmen. Sechs Menschen schildern zudem ihren Alltag als pflegende Angehörige. Sie erzählen von zusätzlicher Belastung, aber auch von bereichernden Momenten während ihrer meist jahrelangen Tätigkeit. Pflegerische Unterstützung benötigt auch Ted Scapa. Der 91-Jährige lebt in einem Berner Altersheim und ist vielen bekannt als Zeichner und Maler der einstigen Kinder- sendung «Spielhaus». In der Titelgeschichte blickt er auf sein langes, reiches und kreatives Leben zurück. 2002 beendete Renato Cavoli seine Karriere als Sport- reporter beim Radio. Während 36 Jahren war seine Stimme bei Fussball- und Hockeyspielen zu hören. In der Rubrik «Was macht eigentlich…?» gibt er Einblick in seine aktuelle Leidenschaft als Regisseur von Volkstheatern. Im Herbst 2022 haben die roten und orangen Einzahlungs- scheine definitiv ausgedient. Ersetzt werden sie durch die QR-Einzahlungsscheine. Im Serviceteil zeigen wir Ihnen, wie diese funktionieren. Erfreuliches zum Schluss: Die Corona-Pandemie lässt es zu, dass im April unsere beliebten Veranstaltungen starten. Wir freuen uns auf viele Begegnungen. Ruedi Fahrni Geschäftsleiter Pro Senectute Kanton Luzern Impressum Zenit ist ein Produkt von Pro Senectute Kanton Luzern Erscheint vierteljährlich Redaktionsadresse Zenit, Pro Senectute Kanton Luzern Maihofstrasse 76 Postfach 6002 Luzern 041 226 11 88 info@lu.prosenectute.ch Redaktion Esther Peter (Leitung) Robert Bossart Astrid Bossert Meier Monika Fischer Heidi Stöckli (publizistische Leitung) Layout/Produktion Media Station GmbH Inserate lu.prosenectute.ch/Zenit Druck und Expedition Vogt-Schild Druck AG Gutenbergstrasse 1 4552 Derendingen Auflage 53 500 Abonnemente Für club-sixtysixMitglieder im Jahresbeitrag inbegriffen 04 IM ZENIT Im Gespräch mit dem Maler, Zeichner, Designer, Cartoonisten und Verleger Ted Scapa. 10 INTERVIEW Kursleiterin Frieda Waldispühl Zindel über die Leistungen, die Menschen erbringen müssen, die jemanden pflegen. 14 PERSÖNLICHKEITEN Sechs Betroffene erzählen, welche Herausforderungen die Betreuung von Angehörigen mit sich bringt. 19 CARE-ARBEIT SP-Nationalrätin Flavia Wasserfallen erläutert, welche Aufgaben die Politik auf allen Staatsebenen bei der Angehörigenbetreuung angehen muss. 22 BLICK IN DIE GESCHICHTE Walter Steffen über die «universitas scholarium» im Mittelalter. 27 WAS MACHT EIGENTLICH …? Zu Besuch beim ehemaligen Radioreporter und Sportjournalisten Renato Cavoli. 28 THEATER «CHUENÄGELE» Ein Zeichen gegen Rassismus und Vorurteile. 31 QR-EINZAHLUNGSSCHEIN Was sich alles ändert und was beim Alten bleibt. 32 AGENDA Spannende Anlässe und Termine zum Vormerken. 37 THANK YOU FOR THE MUSIC Rückblick auf die beiden Neujahrs- konzerte im Luzerner Theater. 39 GUT ZU WISSEN Wichtige Adressen von Pro Senectute Kanton Luzern. Pro Senectute Kanton Luzern 1 | 22 3 inhalt

Als Moderator der Kindersendung «Spielhaus» wurde Ted Scapa in den 1970er-Jahren schweizweit bekannt. Heute ist der Maler, Zeichner, Designer, Cartoonist und Verleger 91 Jahre alt und blickt auf ein reiches Leben zurück – reich an Schönem, aber auch an Leid. Und noch immer arbeitet er täglich. VON ASTRID BOSSERT MEIER Keine Spur von Altersheim-Groove. Dafür Kunst in jedem Winkel von Ted Scapas Zweizimmerwohnung in der Altersresidenz Burgerspittel, Bern. Hier eine Zeichnung mit persönlicher Widmung von Marc Chagall. Dort ein Werk von Miró. Über dem Sofa ein Bild von Jean Tinguely. Auf dem Sideboard antike afrikanische und asiatische Figuren neben einer dreibauchigen Keramikskulptur, die seine verstorbene Frau Meret Meyer-Benteli erschaffen hat. Und da- zwischen, davor und dahinter Blumensträusse, Gratulationskarten und Geschenke, die ihm Freunde zum 91. Geburtstag schickten, den er am 17. Januar feiern konnte. Veränderung üben In der Fülle des Wohnzimmers spiegelt sich Ted Scapas Leben. Es ist das reiche, intensive und lange Leben eines Universalkünstlers, dessen Kreativität trotz einiger Altersbeschwerden bis heute sprudelt. Vor einem Jahr zog er von der Berner Altstadt in eine Wohnung mit Betreuung und Pflege. Wie schwierig war der Schritt? «Wir probieren, hier echli am Läbe z᾽bliibe», sagt er schelmisch und blickt zu Tochter Tessa, die ihn beruflich seit über 25 Jahren als Managerin und Agentin unterstützt und zugleich seine persönliche Vertraute ist. «Ich habe mich in meinem Leben immer wieder verändert», so Scapa. Einfach sei der Umzug ins neue Zuhause trotzdem nicht gewesen. «Aber man darf sich nicht verrückt machen lassen.» Tatsächlich hat Ted Scapa in seinem Fotos: Raphael Hünerfauth Kreativität als Kraftquelle Leben viel Veränderung erfahren. Geboren wird er 1931 in Holland als Sohn eines Diplomaten unter dem bürger- lichen Namen Eduard Schaap. Gemeinsam mit seiner Mutter übersteht er fünf Jahre Nazi-Besatzung in Amsterdam. «Meine Mutter hat mich geprägt und dafür gesorgt, dass wir selbst in den schwierigsten Jahren Zuckerrüben und ein Stück Brot hatten», erinnert er sich. «Trotz der furchtbaren Zeit bin ich gut aufgewachsen.» 1945 kommt Ted Scapa zum ersten Mal in die Schweiz. Der Vater hat eine Anstellung in der holländischen Botschaft, der Sohn besucht die Schule in Bern. Anfänge als Cartoonist Vier Jahre später, zurück in Holland, absolviert er an der König- lichen Akademie der Bildenden Künste in Den Haag seine Ausbildung zum Grafiker. Nach Militärdienst und einer längeren Reise durch Länder wie Afghanistan, Indien, Russland oder Japan macht er sich als Grafiker und Cartoonist selbst- ständig. Mit seinen Cartoons in holländischen Zeitungen, aber auch mit Kinderbüchern, wird er rasch bekannt. Die Kontakte in die Schweiz brechen nie ab. So lernt Ted Scapa seine Frau Meret kennen, die Tochter des Berner Verlegers Hans Meyer-Benteli. Meret ist als Ausdruckstänzerin, Keramikerin und Malerin ebenfalls künstlerisch tätig. Dennoch begegnen sich die beiden nicht etwa auf einer Vernissage, sondern in einem Berner Fechtclub. Und Scapa gibt freimütig zu: «Meine Frau hat besser gefochten als ich.» 1962 heiratet das Paar und geht die nächsten 4 Pro Senectute Kanton Luzern 1 | 22 IM ZENIT «Ich habe mich in meinem ganzen Leben immer wieder verändert.»

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sche zur Arbeit zu fahren. «Ein Porsche vor der Druckerei, das kannst du nicht machen», habe es geheissen. Aber Scapa kann. Und er kann noch mehr. Nebst seiner Arbeit imVerlag und der eigenen künstlerischen Tätigkeit prägt er mit seiner Kreativität die Pionierzeit des Schweizer Fern- sehens. Bereits 1967 gestaltet er gemeinsam mit der legendären Heidi Abel den «Wunderspiegel» als erste Kinder- sendung im Fernsehen. Die grösste Popularität erreicht er jedoch ab 1968 in der Sendung «Spielhaus», in welcher der zeichnende Moderator die Kinder im Studio zum Mit- machen animiert. «Zeichnen mit Scapa» muss mit bescheidensten Mitteln auskommen und ist dennoch so erfolgreich, dass der Künstler noch heute auf seine Auftritte von damals angesprochen wird. Tinguely im Mechaniker-Overall Scapas Tochter Tessa erinnert sich gut an diese Zeiten. So gerne wäre sie auch mal als «Spielhaus»-Kind mit ins Fernsehstudio gefahren. Doch das Schweizer Fernsehen erlaubt es nicht. So sitzen sie und ihre Geschwister jeweils gespannt vor dem TV-Gerät, verfolgen die Sendung und sind mächtig stolz auf ihren Papa. Tessa realisiert, dass sich das kreaIM ZENIT 54 Jahre gemeinsam durchs Leben – bzw. als Patchwork- familie mit sechs Kindern, was in dieser Zeit ziemlich exotisch ist. Einen Sohn bringt Meret Meyer-Benteli mit in die Ehe, das Paar bekommt zwei gemeinsame Töchter und zieht zudem drei Pflegekinder aus dem Ausland auf, um ihnen in der Schweiz ein besseres Leben zu ermöglichen. Verleger mit gutem Riecher Beruflich steht für Ted Scapa eine entscheidendeWende an: Nach dem frühen Tod seines Schwiegervaters übernimmt er die Leitung des traditionsreichen Benteli-Verlages und der dazugehörenden Druckerei. Wollte oder musste Ted Scapa die Verlagsleitung übernehmen? «Beides», sagt er rückblickend. «Aber ich habe es nie bereut.» Über dreissig Jahre lang führt er das Familienunternehmen. Er beweist Mut und einen guten Riecher für den Zeitgeist, schafft eine neue Verlagslinie mit humoristischen Büchern, druckt aber auch Kinder- und Fotobücher und positioniert «Benteli» insbesondere als Kunstbuchverlag. Ted Scapa ist ein seriöser Geschäftsmann. Die eine oder andere Freiheit nimmt er sich trotzdem heraus. Beispielsweise erlaubt sich der bekennende Autofreak, mit dem Por- «Scapa ist ein Gesamtkunstwerk.» Mit diesen Worten wür- digte Publizist Roy Oppenheim seinen Freund an dessen 90. Geburtstag. Die Breite von Ted Scapas Wirken als zeitgenössischer Künstler, Verleger und Fernsehmoderator ist tatsächlich beeindruckend. In den 1960er- und 1970er-Jahren wurde er durch die Kinder- sendung «Spielhaus» schweizweit bekannt. Auch später arbeitete er oft und gerne mit Kindern zusammen, z.B. in seinen Art-Recycling-Workshops. Während 30 Jahren leite- te Ted Scapa den Berner Benteli-Verlag und die dazugehörige Druckerei und positionierte das Familienunternehmen insbe- sondere als Kunstbuchverlag. Mit 60 übergab er diese Auf- gabe und arbeitete wieder als freier und vielseitiger Künstler. Es entstehen Bilder, Skulpturen, Designerteppiche, Lichtkör- per, Vasen, Postkarten, Briefmarken, Foulards, Weihnachtsschmuck oder SwatchUhren. Bis heute ist er kreativ tätig. Ted Scapa war mit der Tänzerin, Keramikerin und Künstlerin Meret Meyer-Benteli verheira- tet, die 2016 verstarb. Das Paar hatte sechs Kinder, darunter drei Pflegekinder. Heute ist Ted Scapa fünffacher Grossvater und lebt in der Altersresidenz Burgerspittel, Bern. Zur Person Foto: Valentin Blank Ted Scapa mit Tochter Tessa. 6 Pro Senectute Kanton Luzern 1 | 22

Pro Senectute Kanton Luzern 1 | 22 7 tive Leben der Familie Scapa von anderen Schweizer Familien unterscheidet. «Wir sind in einer Wohnung im Schloss Bümpliz aufgewachsen. Die Küche war zwar winzig, doch im Keller gab es eine riesige Galerie. Dort fanden grosse Feste statt. Wir waren immer viele Kinder, und wir durften stets dabei sein.» Künstlerinnen und Künstler gehen im Hause Scapa ein und aus, auch als die Familie später nach Vallamand an den Murtensee umzieht. Tessa Scapa erinnert sich an ihre erste Begegnung mit dem schon damals bekannten Künstler Jean Tinguely. Es klingelt, und vor der Tür steht ein Mann im schmutzigen Overall. In der Annahme, es sei ein Mechaniker, schlägt sie ihm die Tür vor der Nase zu, um ihre Mutter zu holen. Tinguely habe sich noch Jahre später köstlich über diese Szene amüsiert. Durch Ted Scapas Arbeit als Verleger entstehen Freundschaften zu Kunstschaffenden, die ein ganzes Leben halten. Jean Tinguely ist einer davon. «Das allerletzte Bild vor seinem Tod hat er für mich gemalt», sagt Ted Scapa und deutet auf die Wand hinter dem Sofa. Familiäre Dramen Wer 91 wird, muss leider immer wieder Abschied nehmen – von Weggefährten, Künstlerfreunden, aber auch von seinen Liebsten. «Wir haben viele familiäre Dramen erlebt», sagt Ted Scapa. Bis heute trauert er um seine ältere Tochter, die einen Tag nach der Geburt ihrer Zwillinge verstorben ist. Nach diesem schweren Schicksalsschlag erleidet seine Frau einen Zusammenbruch und verletzt sich so schwer, dass sie während Monaten im Paraplegikerzentrum Nottwil behandelt werden muss. Damals hat Ted Scapa die Verlagsleitung bereits an seinen Stiefsohn Till übergeben und arbeitet wieder als freischaffender Zeichner und Designer. Um in der Nähe seiner Frau zu sein, bezieht er im Paraple- «Jean Tinguely hat sein letztes Bild vor seinem Tod für mich gemalt.»

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Pro Senectute Kanton Luzern 1 | 22 9 IM ZENIT gikerzentrum kurzerhand ein kleines Atelier. Und auch in Nottwil arbeitet er weiter. Ein Blick aus dem Fenster reicht, um seine Kreativität anzuregen: «Ich sah, dass ganz in der Nähe ein Golfplatz entstehen soll.» Und schon ist die Idee zu seinen witzigen Golf-Cartoons geboren, die später im Buch «Scapa Golf» gedruckt werden. Seine Frau Meret übrigens schafft es mit viel Wille und Disziplin, wieder unabhängig vom Rollstuhl zu leben, wenn auch mit einigen Einschränkungen. 2016 stirbt Meret Meyer. Drei Jahre nach ihrem Tod geht ein grosser Wunsch von Ted Scapa in Erfüllung – eine gemeinsame Ausstellung, in welcher nebst seinen eigenen Werken auch das Schaffen seiner verstorbenen Frau gewürdigt wird, die in der Öffentlichkeit kaum in Erscheinung trat. Mit dieser Paar-Ausstellung, welche im Schloss Wyl noch immer zu sehen ist, schliesst sich ein Kreis. Arbeiten als Therapie Ted Scapa jedoch arbeitet unbeirrt weiter und gibt immer noch jedes Jahr einen Kalender heraus – 2022 unter dem Titel «Herzlichst». Bis heute stellt er seine Werke aus, vom renommierten Kunstmuseum Bern bis zu kleinen Galerien wie aktuell dem Mauritiushof in Bad Zurzach. Und bis heute zeichnet und malt er fast täglich, oft schon um sechs Uhr früh. Die Pflege hilft bei der Morgentoilette, dann setzt sich der Künstler an seinen Arbeitstisch am Fenster des Wohnzimmers. «Manchmal arbeite ich auch nachts, wenn ich nicht schlafen kann.» Dann helfe ihm die Nachtwache – «die ist übrigens sehr nett» –, seine Arbeitsmaterialien vom Wohnzimmer ins Schlafzimmer zu schleppen oder umgekehrt. «So bin ich immer tätig. Und das ist wichtig für mich, obwohl ich jetzt schon über fünfzig bin, also fast zwei Mal fünfzig oder sogar drei Mal fünfzig?» Wer Ted Scapa gegenübersitzt, wird von seiner positiven Energie eingenommen, die sich in seinen Werken Als Mitglied profitieren Sie von attraktiven Rabatten! Für Jung und Alt: www.club66.ch für nur CHF 66.− im Jahr Aktuell! 10% bei von Moos Sport+Hobby widerspiegelt und allen Altersgebrechen zu trotzen vermag. «Wenn Ted andere mit seinem kreativen Schaffen beschenken kann, schöpft er selber Kraft daraus», sagt Tochter Tessa. «Arbeiten ist meine Therapie», fügt ihr Vater hinzu. Inserat

Foto: Peter Lauth Die Care Managerin Frieda Waldispühl Zindel* gibt Kurse für betreuende und pflegende Angehörige. Es sei mitunter unglaublich, was Menschen leisten, die jemanden pflegen, sagt sie im Gespräch. Oft sind sich diese nicht bewusst, dass ohne sie nichts mehr geht und das Familiensystem Unterstützung braucht. Darum sei es wichtig, über die eigene Situation zu sprechen und Hilfe in Anspruch zu nehmen. VON ROBERT BOSSART Frieda Waldispühl Zindel, weshalb braucht es einen Kurs für pflegende Angehörige? Es geht darum, Angehörige zu bestärken, sie zu sensibili- sieren, was sie leisten, und sie dazu zu befähigen, mit ihrer Situation gut zurecht zu kommen. Und natürlich möchten wir ihnen Mut machen für das, was sie tagtäglich leisten. Manche Angehörige sind am Anschlag und stossen an ihre Grenzen. Wenn ich solchen Menschen sage, dass es unglaublich sei, was sie leisten, kommen oft die Tränen und die Bemerkung, dass das noch nie jemand zu ihnen gesagt habe. Meist ging es immer nur um die Patienten, aber ohne die Angehörigen wäre das System längst zusammengebrochen. Und viele rutschen oft langsam in eine solche Situation hinein. Wer nutzt das Angebot, in welchen Situationen stecken diese Menschen? Zum einen sind es Leute, die noch nicht in einer pflegerischen Situation sind, sich aber darauf vorbereiten wollen. Andere stecken bereits in einer Rolle, in der sie Pflege- leistungen erbringen. Sie sind unglaubliche Organisations10 Pro Senectute Kanton Luzern 1 | 22 «Es ist wie ein Marathon, *Frieda Waldispühl Zindel (61), ist ausgebildete Pflegefachfrau und Care Managerin. Bis vor zwei Jahren war sie Bereichsleiterin Freiwillige beim Schweizerischen Roten Kreuz Zug. Heute bietet sie als freischaffende Referentin u.a. bei Pro Senectute Kanton Luzern Seminare zur Pensionierungs- vorbereitung an. Zudem gibt sie Kurse für betreuende und pflegende Angehörige.

Pro Senectute Kanton Luzern 1 | 22 11 BETREUENDE UND PFLEGENDE ANGEHÖRIGE einfach ohne Zeitlimite» talente, haben sich mühsam durch die zahlreichen Angebote, welche es gibt, durchgekämpft. Viele Menschen stecken aber bereits so tief drin in einer Situation, dass sie Mühe haben, sich überhaupt Zeit zu nehmen für ein solches Angebot. Manche suchen erst dann Hilfe, wenn es bereits fünf vor zwölf ist. Wann wäre denn der richtige Zeitpunkt, Hilfe in Anspruch zu nehmen? Ich höre immer wieder den Ausdruck: Wenn es dann nicht mehr geht, hole ich schon Hilfe. Aber wann ist dieser Zeitpunkt? Oft stimmt die Selbst- und Fremdeinschätzung von Angehörigen und den Betroffenen nicht überein. Kranke Menschen schätzen ihre Situation und ihre Fähigkeiten oft besser ein, als sie es in der Realität sind. Die nachhaltigsten Lösungen sind jene, wo frühzeitig Hilfe in Anspruch genommen wird. Die Angehörigen werden entlastet, und die Betroffenen gewöhnen sich langsam daran. Das können kostenpflichtige Dienstleistungen sein oder kostenlose Angebote durch Freiwillige. Es beginnt vielleicht mit einem Besuchs- und Begleitdienst, mit Hilfeleistungen im Haushalt, beim Treuhanddienst oder bei Pflegeleistungen über die Spitex. Gibt es klare Zeichen, wann Angehörige Hilfe benötigen? Wenn der Aufwand immer grösser wird, die Gebrechlichkeit der Patienten zunimmt und die Einschränkung den Tagesablauf zu bestimmen beginnt. Wenn sie beim Duschen, Anziehen und anderen alltäglichen Verrichtungen helfen müssen und immer mehr dazukommt, kann die Situation kippen. Oder wenn Angehörige jeden Tag während der Arbeit mit der pflegebedürftigen Person telefonierenmüssen. Sie beraten einerseits betreuende, anderseits pflegende Angehörige. Wo ist die Trennlinie, welches sind die Unterschiede? Die Grenze ist fliessend. Betreuend ist die Situation dann, wenn jemand beim Begleichen von Rechnungen und anderen administrativen Aufgaben hilft. Oder Termine beim Arzt, der Fusspflege oder bei der Bank vereinbart. Das pflegende Element kommt hinzu, wenn ich die Medikamente für meine Mutter bereitstelle, ihr beim Duschen helfe und so weiter. Oft sind sichMenschen anfangs gar nicht bewusst, dass sie in einer betreuenden und später pflegerischen Situation stecken. Man ist derart beschäftigt, den Spagat zwischen Beruf, eigener Familie und dem Unterstützen des Angehörigen zu bewältigen, dass man keine Zeit mehr hat, sich mit der eigenen Situation auseinanderzusetzen. Warummachen Betroffene oft immer weiter bis zur Erschöpfung, weshalb holen sie sich nicht früher Hilfe? Ich glaube, dass es damit zu tun hat, dass sich Familienmitglieder sehr gut und sehr lange kennen und sich mehr oder weniger nahe sind. Ehepaare geben sich das Versprechen, dass sie füreinander bis ans Lebensende sorgen. Aber auch Kinder haben solche Einstellungen verinnerlicht. Wenn ein Elternteil verstirbt, sorgen Töchter – seltener Söhne – für den verbliebenen Vater oder die Mutter, bis man daran zerbricht. Man weiss ja im Voraus meistens nicht, wie lange es dauern wird. Es ist wie ein Marathon, einfach ohne Zeitlimite. Hinzu kommt, dass viele Menschen die Kosten scheuen und es nicht gerne haben, wenn «fremde Leute», etwa von der Spitex, von Pro Senectute oder vom SRK ins Haus kommen. Sie könnten ja sehen, wie unaufgeräumt es aussieht, ist dann oft die Begründung. Wie schwierig ist es, die richtige Unterstützung zu finden? Die Fragmentierung im Gesundheits- und Sozialwesen ist ein riesiger Stolperstein. Wie soll ich wissen, welches der WICHTIGE ANLAUFSTELLE FÜR BETREUENDE UND PFLEGENDE ANGEHÖRIGE Pflegende und betreuende Angehörige leisten in der Schweiz jährlich Pflege- und Betreuungsleistungen im Umfang von rund 80 Mio. Stunden. Aufgrund der demo- grafischen Entwicklung wird die Pflege und Betreuung von Familienmitgliedern durch Angehörige künftig noch wichtiger. Was Angehörige, oft im Verborgenen und ganz selbstverständlich, leisten, ist von unbezahlbarem Wert und verdient grössten Respekt und Dank. Wichtig ist, dass pflegende und betreuende Angehörige zu sich selbst schauen. Es ist essentiell, dass es ihnen gut geht. Gerne beraten wir auch Angehörige von Seniorinnen und Senioren kostenlos: Pro Senectute Kanton Luzern, mit Beratungsstellen in Emmen, Luzern und Willisau, info@lu.prosenectute.ch, 041 226 11 88, www.lu.prosenectute.ch/Angehörige «Manche suchen erst dann Hilfe, wenn es fünf vor zwölf ist.»

12 Pro Senectute Kanton Luzern 1 | 22 Kanton Luzern lu.prosenectute.ch Detailprogramm laufend aktualisiert unter: lu.prosenectute.ch/Tag geführte Rundgänge Bildung+Sport Schnupperkurse spannende Referate club TALK Zauberei für Klein und Gross Pro Senectute BAR Pro SenectuteTAG Samstag, 21. Mai 2022 10 bis 16 Uhr Maihofstrasse 76 Luzern Herzlich willkommen Entdecken Sie Pro Senectute Kanton Luzern: Kommen Sie vorbei – wir freuen uns. Wettbewerb gratis Kaffee Ballone & Popkorn Inserat

Pro Senectute Kanton Luzern 1 | 22 13 BETREUENDE UND PFLEGENDE ANGEHÖRIGE unzähligen Angebote das richtige für mich ist? Angehörige entwickeln sich teilweise zu richtigen Case Managern. Da können wir mit unserem Angebot helfen, um Orientierung zu finden. Wie einsam sind pflegende Angehörige? Corona hat hier einen negativen Einfluss gehabt. Einsätze von Freiwilligen wurden beispielsweise gestrichen. Viele pflegende Angehörige, die rund um die Uhr zur Verfügung stehen müssen, haben kaum noch Zeit für anderes und sind nicht selten völlig isoliert. Wie kann man die Pflegesituation so gestalten, dass sie lebbar ist, was geben Sie den Teilnehmerinnen und Teilnehmern mit auf denWeg? Zentral ist, dass man nicht das Gefühl hat, alles allein durchstehen zu müssen. Wir ermuntern die Teilnehmenden, sich über die verschiedenen Angebote zu informieren und möglichst frühzeitig Hilfe in Anspruch zu nehmen. Pflegende Angehörige sollen sich regelmässige Zeitfenster herausnehmen, in denen sie Energie tanken können und in denen sie Entlastung finden. Da müssen sie sich je nachdem auch gegen den Willen der Patienten durchsetzen und mal in die Ferien verreisen. Wir weisen darauf hin, auf die eigenen Bedürfnisse zu achten und diese einzufordern. Im Kurs geht es vor allem um die Stärkung der Angehörigen, sie erhalten zudem Gundlagenwissen, und es findet ein Erfahrungsaustausch statt. Natürlich erhalten die Teil- nehmenden Unterlagen mit den Angeboten, die zu ihrer Situation passen. Jetzt informieren www.srk-luzern.ch 041 418 74 47 Rotkreuz-Notruf mehr Sicherheit rund um die Uhr. Was auch passiert. Nur ein Knopfdruck und Ihr Notruf kommt an. «Mit dem Rotkreuz-Notruf fühle ich mich sicher – und meine Familie auch.» Unsere Dienstleistungen: Beratung Besuchsdienst Entlastungsdienst Fahrdienst Hilfsmittel Kinderbetreuung Notruf Vorsorge neue Angebote In Partnerschaft mit dem Roten Kreuz Kanton Luzern und mit finanzieller Unterstützung von CSS bietet Pro Senectute Kanton Luzern Kurse für betreuende resp. pflegende Angehörige an. In drei Kurshalbtagen lernen Sie, wie Sie sich beim Betreuen oder Pfegen auch selber Sorge tragen können. Durch den praxisnahen Unterricht erhalten die Teilnehmenden ein breites Basiswissen und die Sicherheit, um auch in Not- fällen geschickt zu agieren. KURSE FÜR BETREUENDE UND PFLEGENDE ANGEHÖRIGE Grundlagen für pflegende Angehörige: «Notfälle bei älteren Menschen – reagiere ich richtig?», «Mobilisation – Tipps und Tricks», «Aggressives Verhalten – was tun, was nicht tun?» n Kurs 031: Montag, 25.04. (13.30 bis 16.30 Uhr); Sams- tag, 7.05., und Mittwoch, 11.05., jeweils 9 bis 12 Uhr, Kursort: SRK Luzern, Maihofstrasse 95c, Luzern Weitere Informationen und Online-Buchung unter: www.lu.prosenectute.ch/Online-Anmeldung, Telefon 041 226 11 99, bildung.sport@lu.prosenectute.ch. n Neue Kursdaten für pflegende und betreuende Angehörige folgen. Kursangebote für alle ab 60 Jahren 1. Halbjahr 2022  Sicherheit für betreuende und pflegende Angehörige  Fotografieren  Pétanque in Kriens  Saxofon nach Gehör  Hören und Verstehen  Digitales Gehirntraining Kanton Luzern lu.prosenectute.ch impulse  Apps rund um Ferien und Unterhaltung  Facebook auf Laptop  Textverarbeitung mit Pages  Sprach-Treff Englisch, Spanisch und Französisch  Single Lunch im Guggi  Ballett  Fitness im Freien  Bogenschiessen  Ballspiele  Stand-Up-Paddling  Nordic Walking Schötz  Mountainbike-Einführung Foto: zVg NEU Machen Sie mit! 31_10_Titel_Edito9.indd 1 03.11.21 09:36 Inserat

14 Pro Senectute Kanton Luzern 1 | 22 PERSÖNLICHKEITEN Wenn ein Familienmitglied erkrankt und auf Unterstützung angewiesen ist, dann übernehmen oft die Ehefrauen oder Ehemänner, manchmal auch die Töchter oder Söhne deren Betreuung. Zenit zeigt anhand von sechs Porträts, welche Herausforderungen die Betroffenen meistern müssen. TEXTE UND BILDER: ASTRID BOSSERT MEIER (BOA) UND ROBERT BOSSART (RB) «Es war kurz vor unserer Hochzeit, als meine Mutter den Hirnschlag erlitt. Ich hatte gerade den Hof übernommen, und wir bauten einen Anbau ans alte Bauernhaus. Meine Mutter verbrachte zuerst sechs Monate im Spital und in der Reha. Zusammen mit meinen fünf Schwestern und meinem Vater beschlossen wir, sie gemeinsam zu Hause zu pflegen. Entscheiden war das eine, aber es dann 14 Jahre lang durchziehen? Man kann sich das vorher nicht vorstellen. Aber ich möchte es nicht missen, trotz allem. Am Anfang dachten wir, das Ganze dauert vielleicht ein, zwei Jahre. Meine Mutter war auf der linken Seite gelähmt, zudem hatte sie von einer früheren Erkrankung her am rechten Bein ein steifes Knie. Sie war im Rollstuhl und benötigte viel Pflege, konnte nicht selber essen, brauchte Hilfe für die Toilette, beim Aus- und Anziehen und für die ganze Körperpflege. Zuerst dachten wir, es ginge ohne Spitex, aber bald merkten wir, dass wir es nicht allein schaffen. Meine Schwestern wechselten sich ab, so war immer eine SEPP INEICHEN (54), ALTWIS «Wir haben nicht gewusst, was auf uns zukommt» Zwischen Hingabe und Überforderung am Mittag und am Abend bei den Eltern. Ich ging vor dem Stall zu ihr, brachte ihr den Topf, später wechselte ich Windeln, schliesslich hatte sie einen Katheter. Nach ein paar Jahren war auch mein Vater auf Hilfe angewiesen. Es war die Zeit, als unsere drei Kinder klein waren und ich mit dem Hof viel zu tun hatte. Kaum waren unsere Kleinen ruhig amAbend, klopfte mein Vater, weil er oder meine Mutter etwas brauchte. Da ich gleich nebenan wohnte, ging ich oft bei ihnen vorbei. Klar, es hing viel an mir. Aber die Zusammenarbeit war gut mit meinen Schwestern, dem Hausarzt, der Spitex und der Physio. Wie viele Stunden ich aufgewendet habe, weiss ich nicht mehr. Zum Glück war meine Mutter stets sehr dankbar für unsere Hilfe. Sie hat alles bei vollem Bewusstsein miterlebt. Sie war nicht ein einziges Mal ungeduldig oder aggressiv. Ich habe viele Dankeschöns von ihr erhalten. Das machte es einfacher. Wichtig war auch, dass meine Frau diese Situation akzeptierte, mich auch unterstützte und Verständnis hatte. Ich war mit den Milchkühen ohnehin schon ziemlich angebunden, die Pflegesituation kam noch hinzu, sodass Ferien und längere Abwesenheiten nicht gross drin lagen. Aber wir hatten immer einen guten Zusammenhalt in der Familie, das war entscheidend und wertvoll. Das hat für vieles entschädigt, und es hat mir die nötige Kraft gegeben. Ich war immer da und damit so etwas wie der Dreh- und Angelpunkt, die Ansprechperson für Behörden, Arzt etc. Positiv war, dass jeden Tag eine meiner Schwestern hier war, das schätzten auch meine Kinder. Beide Eltern sind zu Hause gestorben und ich durfte dabei sein. Meine Mutter starb 2009. Eine wichtige Erfahrung für mich. Diese Zeit hat mir einen anderen Blick aufs Leben gegeben. Man wird bescheidener, man lernt das Leben schätzen, denke ich. Aber es war auch hart und hat viel von mir und uns abverlangt – viel Präsenzzeit und viel Verantwortung.» RB

Pro Senectute Kanton Luzern 1 | 22 15 «Weil meinem Mann schwindlig wurde, stürzte er hier in der Wohnung und brach sich den Oberschenkelhals. Das war im Februar vor einem Jahr. Ich konnte ihn im Spital SANDRA JOLLER (50), KRIENS «Ich bin dankbar für diese Zeit» «Nach meinem neurologischen Ereignis musste ich mich selbst erholen, zudem kam Corona, sodass ich so oder so weniger zu tun hatte. Deshalb hatte ich Zeit, meine Mutter zu pflegen. Mein Vater starb an Weihnachten 2019. Da fing es an, dass ich mich mehr und mehr um meine Mutter kümmerte. Sie litt an verschiedenen Erkrankungen, zuerst an einem Lungenkarzinom, dann an Gallenstein und am Schluss hatte sie Metastasen. Im letzten April ist sie mit 77 gestorben. Die ersten Monate verliefen so, dass ich jeden Nachmittag zu ihr ging und wir gemeinsam eine Runde drehten, was mir auch guttat. Ich blieb oft zum Abendessen und kochte für sie. Dann zügelte sie in eine kleine Wohnung, das gab viel zu tun. Sie brauchte auch mehr Pflege, die Spitex kam zweimal pro Woche. Für mich wurde es anspruchsvoller, ich habe immer mehr im Haushalt gemacht und meine Mutter gepflegt. Ich kam selber an meine Grenzen, da ich in Rehabilitation war. Je schlechter es ihr ging, desto grösser wurde die Anspannung bei mir. Ich musste 24 Stunden bereit sein für sie und immer wieder auch in der Nacht ausrücken. Irgendwann kam die Palliativpflege der Spitex zum Einsatz, das hat mich entlastet. Aber es war oft mit einem INGRID HEER (81), KRIENS «Der Schlafmangel belastet mich am meisten» und in der Reha nie besuchen, das war hart. Dann riefen sie an und fragten, wie ich mir das vorstelle, wenn er nach Hause komme. Ich sagte, ‹Keine Ahnung, das müssen Sie mir sagen›. Seit April ist Louis wieder hier und kann sich in der Wohnung mit dem Rollator einigermassen fortbewegen. Aber weil ihm immer wieder schwindlig wird, ist es heikel. Er ist schon einige Male gestürzt. Morgens kommt die Spitex und zieht ihm die Kompressionsstrümpfe an, das ist für mich zu anstrengend. Den Rest schaffen wir selber. Ich helfe ihm beimUmkleiden und bei solchen Dingen. Ich bin aber immer angespannt, stehe unter Strom. Weil ich nie weiss, wann er das nächste Mal hinfällt. Ich gehe deshalb nur noch kurz einkaufen und bleibe möglichst wenig ausser Haus. Kürzlich sass er am Boden, bis ich nach Hause kam. Aber ansonsten geht es schon, wir kommen klar. Was mich am meisten belastet, ist der Schlafmangel. Louis muss in der Nacht ein paarmal auf die Toilette, dann wache ich jeweils auf. Und am Morgen müssen wir zeitig aufstehen, um für die Spitex bereit zu sein. Deshalb gibt es Tage, an denen ich oder wir nicht so gut zwäg sind. Mal Pause machen und ausspannen, das könnte ich nicht. Da hätte ich keine Ruhe.» RB schlechten Gewissen verbunden. Ich hatte wenig Freizeit, keine Ferien mehr, und es gab in den 16 Monaten kaum einen Tag, an dem ich nicht bei ihr vorbeiging. Sie hat sich immer mehr an mich geklammert. Als sie starb, war es für mich auch ein Aufatmen, aber ich bin dankbar für das Erlebte. Für mich war es eine wertvolle Zeit, mein Partner hat mich dabei sehr unterstützt, was sehr wichtig war.» RB Foto: zVg

16 Pro Senectute Kanton Luzern 1 I 22 CLAUDINE FERRER (78), HORW Schwierige Rückkehr ins Leben «Fast neun Jahre lang pflegte ich meinen an Alzheimer erkrankten Mann zu Hause. Irgendwann kam der Moment, als es nicht mehr ging und er in ein Heim ziehen musste. Im Januar 2020, kurz vor Ausbruch von Corona, starb er. Es folgten intensive Wochen. Ich musste den Abschied organisieren, bekam viel Besuch und war mit Reisevorbereitungen beschäftigt. Denn als gebürtiger Brasilianer hatte mein Mann gewünscht, die Hälfte seiner Asche im Meer vor Rio zu verstreuen, wo wir uns kennengelernt und gelebt hatten. Ich reiste nach Südamerika, um diesen Wunsch zu erfüllen und vor Ort eine kleine Abschiedsfeier für seine Familie zu organisieren. Genau in dieser Zeit rief der Bundesrat alle Schweizer imAusland auf, sofort zurückzureisen. Mit dem allerletzten Flug landete ich in Zürich, und vom einen Moment auf den anderen war ich mutterseelenallein. Mein Mann war nicht mehr da, das öffentliche Leben stand still, man durfte keine Freunde treffen, ja nicht mal einkaufen gehen. In den folgenden Monaten häuften sich gesundheitliche Probleme. Das raubte mir alle Lebensfreude. Nach einem langen Gespräch mit meiner Hausärztin und dank Unterstützung von Freundinnen fasste ich wieder Mut. Doch selbst heute, zwei Jahre nach dem Tod meines Mannes, geht es auf und ab. Eine Freundin riet mir, ein Buch über mich zu schreiben, da ich ein verrücktes, spannendes Leben hatte und während Jahren im Ausland lebte. Eine andere wollte mir eine Aufgabe als Freiwillige vermitteln. Doch ich denke, ich muss zuerst wieder Boden unter den Füssen bekommen. Ein Lichtblick ist, dass Reisen bald wieder möglich ist. Wie gerne würde ich meinen Stiefsohn in den USA, meine Stieftochter in Brasilien und Freunde in England oder Rom persönlich sehen, nicht nur per Video-Anruf. Mit dem Tod meines Mannes ist ein Teil von mir gestorben. Der andere Teil braucht einen Sinn zum Weiterleben. Nach unserem intensiven gemeinsamen Leben ist das ein langer Prozess.» BOA CHARLES KUHN (77), HITZKIRCH In guten und schlechten Zeiten «Ein Hirnschlag führte dazu, dass meine Frau seit einem guten Jahr in der ‹Chrüzmatt› Hitzkirch lebt. Doch schon zuvor war es nicht einfach. Ruth hatte sich immer mehr zurückgezogen, und ich übernahm viele Aufgaben. Diesbezüglich war der Heimeintritt auch entlastend. Zudem ist mir bewusst, dass Ruth hier besser betreut werden kann, als es mir zu Hause möglich war. Ich besuche meine Frau fast jeden Nachmittag, auch an den Wochenenden. Nach dem Mittagsschlaf hole ich sie im Zimmer ab und motiviere sie, mit in die Cafeteria zu kommen oder ein paar Schritte im Park zu gehen. Eine gewisse Verpflichtung spüre ich schon, denn wenn ich komme, nimmt sie Anteil am öffentlichen Leben. Aber ich besuche meine Frau nicht aus schlechtem Gewissen. Wir hatten schöne gemeinsame Jahre, jetzt will ich auch in einer schwierigeren Zeit für sie da sein. Durch den Heimeintritt hat sich auch mein eigenes Leben verändert. Ich bin froh, dass ich meine Netzwerke stets gepflegt habe. Ich nehme regelmässig an einem Morgen-Stamm im Café teil, gehe mit Kollegen jeden Freitagabend jassen, unternehme öfters eine Wanderung und habe guten Kontakt zu unseren Kindern. Die stillen Abende allein in derWohnung sind trotzdem nicht einfach.» BOA

Pro Senectute Kanton Luzern 1 | 22 17 MARIA KOCH SCHILDKNECHT (72), LUZERN Hilfe annehmen braucht Mut «Ich war mein ganzes Leben lang berufstätig. Als ich mit 64 in Pension ging, freute ich mich darauf, Zeit für meine Ideen zu haben. Doch da hat sich die Demenzerkrankung meines 13 Jahre älteren Mannes bereits abgezeichnet. Heute ist eine vollumfängliche Betreuung nötig. Ich begleite, unterstütze, pflege, rege an, plane, organisiere ... Was mir am meisten Mühe bereitet: Wir können unsere Erinnerungen nicht mehr teilen. Das macht das Leben so furchtbar einsam. Aber auch der Alltag ist anspruchsvoll. Es kommt vor, dass sich mein Mann zurück im Beruf wähnt und den starken Drang verspürt, etwas zu organisieren oder zu kontrollieren. Selbst für mich als Fachfrau – ich leitete die Stiftung «Der rote Faden», die Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen unterstützt – sind solche Situationen schwierig zu handhaben. Denn in diesem Moment ist mein Mann wirklich verzweifelt. Das A und O ist, Entlastung anzunehmen. Seit knapp zwei Jahren unterstützt die Spitex meinen Mann morgens und abends in der Körperpflege. Das entlastet auch unsere Beziehung, weil ich so nicht ausschliesslich die Rolle der Betreuerin übernehme und er nicht nur der Hilfebezüger ist. Zudem verbringt mein Mann jeden Monat rund zehn Ferientage auf dem Hof Rickenbach, einer Einrichtung für Demenzbetroffene. Die Ferien tun meinem Mann gut, oft ist er danach lebhafter und spricht wieder mehr. Auch ich selber brauche diese Zeit. Eine Bergtour unternehmen, ein längeres Telefonat führen, Freundinnen treffen oder im Treppenhaus einen Schwatz halten, ohne dass mein Mann nach mir ruft – all das ist wichtig für mich. In meinen beruflichen Beratungen erklärten Angehörige immer wieder, der Erkrankte akzeptiere keine Hilfe von aussen. Auch mein Mann ist eher dominant. Vor jedem Ferienaufenthalt äussert er Bedenken und sagt, er kenne den Hof Rickenbach ja gar nicht. Dann sage ich mit Überzeugung, doch, dort gefällt es dir und das tun wir. Manchmal kämpfe ich mit einem schlechten Gewissen. Doch eigentlich weiss ich, ohne Ferien-Auszeit könnte ich ihn nicht so betreuen, wie ich es jetzt kann.» BOA PERSÖNLICHKEITEN

18 Pro Senectute Kanton Luzern 1 | 22 Inserat DINNER & CASINO: CHF 88.– STATT CHF 122.– Jetzt reservieren: 041 418 56 61 Apéro & 3-Gang-Menu im Restaurant Olivo inkl. Eintritt in den Spielbereich* und Spielchips im Wert von CHF 25.– *Ab 18 J., mit gültigem Pass, europ. ID, Führerschein, täglich von 09 bis 04 Uhr. www.grandcasinoluzern.ch

Pro Senectute Kanton Luzern 1 | 22 19 Foto: Adobe Stock Vom Danke-Sagen hin zu einer wirkungsvollen Politik des «Guten Alterns»: SP-Nationalrätin Flavia Wasserfallen* über die Herausforderungen, denen sich die Politik im Zusammenhang mit der Angehörigenbetreuung stellen muss. CARE-ARBEIT Jeweils am 30. Oktober bedankt sich die Schweiz bei allen betreuenden und pflegenden Angehörigen – so steht es auf der Website zum Aktionstag, der jedes Jahr stattfindet. Doch Dank an einem Tag pro Jahr genügt nicht. Betreuende Angehörige leisten unbezahlte Arbeit im Wert von 80 Millionen Stunden pro Jahr. Rund 8 Prozent der Schweizer Bevölkerung sind betreuende Angehörige. Unser System setzt auf freiwillige Sorgearbeit von Angehörigen. Sie kann von punktueller Hilfe über eine Koordinationsfunktion bis hin zu einer 24-Stunden-Begleitung des Partners reichen. Aufgrund der Mehrfachbelastung durch Familie, Arbeit und der Betreuung stossen Angehörige an ihre Belastungsgrenzen und haben finanzielle Einbussen zu «Alle politischen Ebenen sind gefordert» tragen. Negative Auswirkungen dieser Betreuungsarbeit zu minimieren, ein starkes Unterstützungsnetzwerk darum herum sicherzustellen und auch gewappnet zu sein, wenn die Angehörigenbetreuung an ihre Grenzen stösst, muss Aufgabe einer wirkungsvollen Politik des «Guten Alterns» sein. Der Betreuungs- und Pflegebedarf steigt, weil immer mehr Menschen älter werden, die «Unterstützungsphase» im Alter wird länger. Zudem sind Rentnerinnen und Rentner zunehmend kinderlos. Gesellschaftliche Veränderungen wie die räumliche Distanz zwischen den Generationen, die Individualisierung oder die steigende Erwerbsbeteiligung der Frauen wirken sich auch auf die Betreuungsarbeit im Alter aus.

20 Pro Senectute Kanton Luzern 1 | 22 Dienstag, 26. April 2022 10 bis 18.30 Uhr, Foyer Halle 1/2 Geistig und körperlich fit bleiben Gutschein Eintritt siehe Seite 24 Kanton Luzern lu.prosenectute.ch Pro SenectuteMESSE Besuchen Sie uns an der LUGA Entdecken Sie die Angebote von Bildung+Sport. Kursprogramm «impulse»: www.lu.prosenectute.ch/Freizeit oder Telefon 041 226 11 99 Kommen Sie vorbei und machen Sie mit: - zu jeder halben Stunde (ab 10.30 Uhr) Malen - Kunstwerke entstehen - zu jeder vollen Stunde (ab 11 Uhr) «sicher stehen - sicher gehen» - Gleichgewichtsparcour - Tanznachmittag (15 - 18 Uhr) Halle 15, Restaurant «Dorfplatz» - Informationen zu unseren Angeboten Wir freuen uns auf Sie. Infos: vivaluzern.ch/events Viva Luzern Dreilinden Mi, 23. März | Mi, 22. Juni 2022 Viva Luzern Eichhof Mi, 11. Mai | Mi, 15. Juni 2022 Viva Luzern Rosenberg Fr, 8. April | Fr, 20. Mai | Fr, 24. Juni 2022 Viva Luzern Staffelnhof Do, 7. April | Do, 5. Mai 2022 Viva Luzern Tribschen Do, 9. Juni 2022 Viva Luzern Wesemlin Do, 12. Mai 2022 Führungen durch unsere Betagtenzentren. Im Alter zuhause. Inserat FdB Zenit 89x121mm_RZ.indd 1 03.02.22 16:13 Heute das Morgen regeln – richten Sie Ihre letzte Runde ganz nach Ihren Wünschen aus und entlasten Sie gleichzeitig Ihre Lieben finanziell und emotional. Wir beraten Sie gerne: 041 211 24 46 | www.ssbv.swiss «Die letzte Runde geht auf mich! » Inserate

Pro Senectute Kanton Luzern 1 | 22 21 CARE-ARBEIT Ein wichtiger Treiber des Betreuungsbedarfs zu Hause ist ausserdem die politische Strategie «ambulant vor stationär». Diese Strategie stützt darauf, dass die freiwillige Care-Arbeit in Betreuungslücken springt. Das bringt vor allem Frauen, welche den grössten Teil der unbezahlten Sorgearbeit leisten, an Belastungsgrenzen, sorgt für Erwerbsausfälle und Löcher in deren Altersvorsorge. Worin besteht diese Sorgearbeit im Alter? Prof. Carlo Knöpfel von der FHNordwestschweiz unterscheidet hier drei Formen von Unterstützung. Mit Hilfe ist Unterstützung mit Dienstleistungscharakter gemeint, wie eine Wohnungsreinigung oder administrative Begleitung. Betreuungsarbeit setzt dort an, wo ältere Menschen Teile ihrer Selbstständigkeit verlieren und dank Betreuung Alltagsaktivitäten weiterführen können und so ihre Fähigkeiten und ihr soziales Netzwerk erhalten können. Sie ist entsprechend psychosozial ausgerichtet und benötigt Kompetenzen in der sozialen und kommunikativen Arbeit. Die Pflege ist medizinisch geprägt und zielt in erster Linie auf eine umfassende Körperpflege und Krankheitsbehandlung. Dabei ist klar, dass jede gute Pflege auch einen Betreuungsteil beinhaltet. Es gibt keine gute Pflege ohne Betreuung – es gibt aber sehr wohl eine Betreuung ohne Pflege. Betreuung deckt einen anderen Bedarf ab und setzt oft früher ein, als eine Pflegebedürftigkeit auftritt. Gerade bei diesen fliessenden Übergängen und der alltags- nahen Betreuung kommen oft die Angehörigen zum Zuge. Bundespolitik mit ersten kleinen Schritten 2014 hat der Bundesrat einen Bericht über die «Unterstützung für betreuende und pflegende Angehörige» veröffentlicht. Der Handlungsbedarf ist klar: Aufgrund der Mehrfachbelastung entstehen für viele Angehörige medizinische und finanzielle Einbussen. Es braucht bessere Informationen und den Ausbau von Entlastungsangeboten, wie Unterstützung durch Freiwillige oder Kurzaufenthalte in Alters- und Pflegeheimen. Zudemmuss die Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Angehörigenbetreuung gefördert werden. Erste kleine Verbesserungen konnten mit dem 2021 in Kraft getretenen Gesetz über die Verbesserung der Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Angehörigenbetreuung realisiert werden, das u.a. die AHV-Betreuungsgutschriften ausweitet und den Anspruch verankert auf drei Tage Urlaub, wenn Familienangehörige akut Betreuung benötigen. Der neue Betreuungsurlaub von 14 Wochen bei Unfall oder Krankheit steht Eltern von betroffenen Kindern zu – nicht jedoch Personen, die ihre älteren Angehörigen begleiten. Darauf folgte das Förderprogramm «Entlastungsangebot für betreuende Angehörige 2017–2020», das Empfehlungen für die Unterstützung von betreuenden Angehörigen formulierte. Zentral dabei ist der Zugang und die Finanzierbarkeit von Betreuungsange- boten, die die Care-Arbeit der Nächsten ergänzt und entlastet. *Flavia Wasserfallen (1979) studierte Politikwissenschaft, Volkswirtschaft und Medienwissenschaft. In einem Aus- tauschsemester studierte sie an der Universität Bologna mit Schwerpunkt Europapolitik. Von 2002 bis 2012 ge- hörte sie dem Grossen Rat des Kantons Bern an. Von 2006 bis 2010 amtete sie als Vizepräsidentin der SP-Fraktion. Am 29. Mai 2018 wurde sie als Nationalrätin vereidigt. Sie ist Mitglied der Kommission für Soziale Sicher- heit und Gesundheit, Präsidentin des Dachverbands Schwei- zerischer Patient:innenstellen sowie Präsidentin des Schwei- zerischen Fachverbands Mütter- und Väterberatung. Flavia Wasserfallen ist verheiratet, Mutter von drei Kindern und lebt mit ihrer Familie in Bern. Mehr Infos unter www.flaviawasserfallen.ch Daran anknüpfend hat jüngst eine viel beachtete Studie der Paul Schiller Stiftung die ungelöste Finanzierung der Betreuung im Alter ins Visier genommen. Die Studie zeigt auf, wie hoch der ungedeckte Bedarf von Betreuung ist und formuliert Vorschläge, wie diese Lücken geschlossen werden könnten (siehe www.gutaltern.ch). All diese Studien und Initiativen machen deutlich: Wir müssen politisch sicherstellen, dass ein Altern in Würde für alle möglich ist. Wir müssen den Angehörigen die Entlastung und Unterstützung bieten, damit sie möglichst lange ihre Care-Arbeit leisten können – ohne selber einen hohen Preis zu bezahlen. Wir müssen der Tatsache Rechnung tragen, dass Betreuung von alten Menschen auch eine sehr herausfordernde und komplexe Aufgabe sein kann, für die es ein Zusammenspiel von Angehörigen, Freiwilligen und Professionellen braucht. Und wir müssen sicherstellen, dass der Zugang zu Betreuungsangeboten für alle gewährleistet ist. Mit Informationen, die alle erreichen, und einer Finanzierung, die es allen möglich macht. Konkrete politische Verbesserungen Zur Verbesserung der Situation von betreuenden Angehörigen sind alle Staatsebenen gefordert. Auf Bundesebene sehe ich die Ausdehnung des für Eltern von kranken Kindern eingeführten Betreuungsurlaubs auf alle betreuenden Angehörigen imVordergrund – damit gerade die oftmals besonders anspruchsvollen Krisensituationen nach einem Unfall oder einer Diagnose besser begleitet werden können. Die Ergänzungsleistungen sollen eine Bezahlung des betreutenWohnens in allenWohnformen – auch zu Hause – für tiefe Einkommen ermöglichen. Die Hilflosenentschädigung muss den heutigen Gegebenheiten angepasst werden und vergleichbar mit der Weiterentwicklung im IV-Bereich mehr zur Selbstständigkeit alter Menschen beitragen. Die Rezepte sind nicht einfach, aber Lösungen müssen gefunden werden. Und die Investition in eine Entlastung der betreuenden Angehörigen sowie der qualitative Ausbau und die Finanzierung unterstützender Betreuungsangebote lohnt sich für die ganze Gesellschaft.

22 Pro Senectute Kanton Luzern 1 | 22 VON WALTER STEFFEN* Denn die Studentinnen und Studenten leiden gegenwär- tig oft unter dem strengen «Bologna-System» und dessen umstrittenen «Kreditpunkte-Auflagen». Diese «Bologna- Reform» zur Vereinheitlichung der universitären Studiengänge und Studienabschlüsse wurde 1999 von 29 europäischen Staaten in Bologna unterzeichnet. Eingeführt wurden damals auch neue Bezeichnungen für akademische Grade: Bachelor, Master, PhD (Doktorat). Das in diesem Zusammenhang geschaffene Kreditpunkte-System ECTS (European Credit Transfer System) ermöglicht die Anrechnung vergleichbarer Studienleistungen. Damit wird die Mobilität gefördert. So sind zum Beispiel 180 Kreditpunkte für den Erwerb des Bachelor- Diploms nötig. Das ECTS und das Erasmus-Projekt erleichtern den Austausch von Studierenden in ganz Europa. Die Studierenden werden dadurch von ihren Professoren aber auch minutiös kontrolliert. Im Mittelalter war es gerade umgekehrt: Die Studenten kontrollierten die Professoren – nicht mit einem Kreditsystem, sondern mit einem rigiden Bussenkatalog. Die Bologneser Schule des römischen Rechts geht auf den berühmten Gelehrten Irnerius (1050–1130) zurück. Er erklärte den damals wiederentdeckten «corpus iuris civilis» und ergänzte ihn mit Randbemerkungen, sogenannten Glossen. Er ist der unbestrittene Gründer der Bologneser Juristenschule. Umstritten ist dagegen, was eine euphorisch-nationalistische Historikerkommission 1888 bestimmte: Sie erklärte das Jahr 1088 willkürlich zum Gründungsjahr der Universität Bologna. Italien kam dadurch zur ältesten Hochschule Europas – älter als jene von Paris. Der Streit drehte sich um den Begriff der «universitas»: Ursprünglich ging es um die «universitas magistrorum et scholarium», die Gemeinschaft der Lehrer und Schüler. Erst in der Neuzeit erfasste der Begriff im Sinne Humboldts die universitas litterarum, also die Gesamtheit der Wissenschaften, sodass heute nur jene Hochschule eine Universität bildet, welche das breite Spektrum der Wissenschaften umfasst. Die erste Form der «universitas scholarium» entstand im 12. Jahrhundert, als sich wohlhabende Studenten aus ganz Europa in Bologna eigene Statuten (eine Verfassung) gaben, um den Lehrbetrieb zu organisieren und zu kontrollieren. Kaiser Friedrich Barbarossa förderte das Studium des römischen Rechts und stellte es klar über das kanonische, das Kirchenrecht. Bologneser Professoren waren seine Berater, und für die Studierenden erliess er 1155 die «Authentica Habita» – einen Schutzbrief für alle reisenden Studenten. Den in Bologna Studierenden gewährte er eine eigene Gerichtsbarkeit und Autonomie gegenüber der Stadtregierung. Um diese Zeit müssen bereits zwei Studentenuniversitäten mit je einem selbst gewählten Rektor existiert haben: Die «universitas citramontanorum» mit drei Nationen (Römer, Toskaner, Lombarden) und die «universitas ultramontanorum» mit 13 Nationen (Deutsche, Franzosen, Provenzalen, Engländer, Spanier, Ungarn, Polen, Böhmen, Burgunder, Pikarden (Picardie), Portugiesen und den Studenten aus Poitou). Gerichtsbarkeit über alle Studierenden Laut Statuten der Juristenuniversität von 1317–47 wurde der Rektor jährlich aus der Studentenschaft durch 38 Elektoren gewählt. Jedes sechste Jahr musste es ein Deutscher sein, jedes 25. ein Böhme. Der Rektor hatte das dritthöchste Studenten wählten im Mittelalter ihren Rektor aus ihren eigenen Reihen und kontrollierten den Lehr- betrieb mit rigiden Statuten. Sie beriefen Professoren an ihre «universitas» und setzten deren Saläre fest. Das waren Zustände, von denen heutige Studierende nur träumen können. BUSSENKATALOG Die Bussen sind auf den heutigen Geldwert übertragen Einmalige Verspätung des Unterrichtsbeginns 450.– Übermarchung der Stunde 450.– Aufschieben schwieriger Passagen auf das Unterrichtsende Verweis Nichterfüllen des Unterrichtsprogramms um einen Tag 3000.– Nichterfüllen des Unterrichtsprogramms um zwei Tage 5000.– Nichterfüllen des Unterrichtsprogramms um drei Tage 10000.– Jährlicher Bussefonds (zu hinterlegen beim Rektor) 25000.– Sicherheitsdepot bei Urlaub 100000.– Quelle: Die Statuten der Universitas scholarium iuristarum von 1317–1347, hrsg. von H. Denifle, Berlin 1887. Die Bologneser «universitas

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