KINDERÄRZTE.SCHWEIZ 4/2023

JAHRESTAGUNG 04 / 2023 KINDERÄRZTE. SCHWEIZ 28 Workshop Ärztinnen und Ärzte 11: Psychopharmaka Pharmakotherapie im Überblick. Kinderärztliche Chancen erweitern Bereits in der Vorstellungsrunde wurden drei Dinge klar: 1. Wir Pädiater:innen haben höchsten Respekt davor, Psychopharmaka einzusetzen. 2. Unsere Fragen könnten ein ganzes Wochenseminar füllen. 3. Elvira Tini kann kompetent alle Fragen beantworten. Die Wartefrist für kinder- und jugendpsychiatrische Betreuung liegt je nach Region zwischen 3 bis 12 Monaten. Dennoch haben viele der Teilnehmenden Respekt davor, Psychopharmaka einzusetzen; oft werden wenig(er) wirksame pflanzliche Mittel eingesetzt und die Patienten und deren Familien leiden. Somit sind wir Praxispädiater:innen immer häufiger gezwungen, eine medikamentöse Therapie auch ohne feste Diagnose zu beginnen. Damit können wir Symptome lindern und den Patient:innen helfen, die Zeit zur Diagnosestellung zu überbrücken. Die Referentin bestärkte uns darin, dass wir durchaus damit beginnen sollen, ja auch müssen, um den Betroffenen zu helfen. Antidepressiva oder Neuroleptika können gegeben werden, ohne dass gefährliche Nebenwirkungen zu erwarten sind. Regelmässige (zu Beginn wöchentliche) Kontrollen sind dann notwendig, um Wirkung und Nebenwirkungen zu erfassen. Auch die ADHS-Behandlung sollte durch jede Pädiater:in begonnen und sicher REFERENTIN: DR. MED. ELVIRA TINI Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie FMH, Leitende Ärztin Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie, Psychiatrische Universitätsklinik Zürich MODERATION: DR. MED. JESSICA BONHOEFFER TEMPLETON Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin FMH, Schwerpunkt Entwicklungspädiatrie, Praxis Youkidoc, Basel AUTORIN: SIBYL ISO Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin FMH, Kinderarztpraxis Muttenz Dorf Korrespondenzadresse: sibyl.iso@hinmail.ch betreut werden können. Zum Vorurteil «Psychopharmaka verändern die Persönlichkeit» meinte Elvira Tini in Bezug auf Depression, dass bedingt durch die Krankheit selbst Kinder und Jugendliche an vielen Aktivitäten nicht teilnehmen und sich aus sozialen Beziehungen zurückziehen. Auf diese Weise verlieren sie häufig weiter an Selbstvertrauen, was die depressive Symptomatik verstärken kann. Durch Gabe von Psychopharmaka können die Betroffenen wieder am sozialen Leben teilnehmen und sich dadurch weiterentwickeln. Also ein weiterer wichtiger Grund, um frühzeitig eine adäquate medikamentöse Therapie einzuleiten. Wegen der begrenzten Zeit des Workshops und den vielen Fragen zu den Medikamenten waren wir sehr froh, dass Helena Gerritsma Schirlo anwesend war. Als Leiterin des KIS Kurswesens unterstützte sie die Idee, das Thema der praktischen Umsetzung von Psychopharmakotherapie in der Praxis bald in einer neuen Fortbildung aufzunehmen. ■ Workshop Ärztinnen und Ärzte 10: Psychische Gesundheit Jugendlicher Konkrete Werkzeuge zum Umgang mit psychischen Problemen in der Praxis Der Workshop startete mit der Take-Home-Botschaft: «In Zeiten langer Wartezeiten auf Therapieplätze steigern psychologische Tools unsere Selbstwirksamkeit im Umgang mit psychischen Erkrankungen – Just do it!» Als Hintergrund gab Frank Wieber zunächst einen Überblick über die Datenlage in der Schweiz, die zeigt, dass weiterhin 20% bis 30% der Jugendlichen psychisch hoch belastet sind. Danach ging er auf die Symptome der häufigsten psychischen Störungen ein und, als konkrete diagnostische Screening-Werkzeuge, auf den 2 Fragen Test zur Depression sowie den SDQ-Fragebogen zum Erkennen von Verhaltensauffälligkeiten und emotionalen Störungen. Als Werkzeug zur (Früh-)Intervention stellte Johannes Greisser die von ihm entwickelte Burggemeinschaft REFERENT UND AUTOR: PROF. DR. PHIL. FRANK WIEBER Diplom-Psychologe, Stv. Leiter Forschung am Institut für Public Health der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften ZHAW, Winterthur Korrespondenzadresse: wieb@zhaw.ch MODERATION: DR. MED. JOE GREISSER Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin FMH, Kinder- und Jugendpraxis Arche, Aarberg Methode vor. Dabei erklärt man dem Kind oder Jugendlichen, dass es ein inneres Burgbewohner-Team hat, bei dem jede Bewohner:in eine andere Aufgabe hat, vom vorsichtigen Wachmann (Sicherheits-Motiv) bis zur mutigen Anführerin (Explorations-Motiv). In einem kurzen Rollenspiel zeigte er, wie man Kindern so effizient ihre Emotionen veranschaulichen und ihnen beim Umgang damit helfen kann. Als zweites Werkzeug stellte Frank Wieber die kostenlosen «Take Care»-Materialien vor, mit konkreten Tipps zum Stärken der psychischen Gesundheit, die man Eltern und Jugendlichen abgibt, sowie kompakten Fachinformationen für Ärzt:innen. In der angeregten Schlussdiskussion wurden insbesondere der grosse Bedarf und mögliche Anwendungen der Werkzeuge diskutiert. ■

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