KINDERÄRZTE.SCHWEIZ 4/2023

04/ 2023 «Psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen – ein Bal(l)anceakt» 2023

In der Druckausgabe befindet sich auf dieser Seite ein Hinweis für medizinische Fachpersonen.

KINDERÄRZTE. SCHWEIZ 3 © Kinderärzte Schweiz ■ HABEN SIE ANREGUNGEN, KRITIK ODER LOB? Dann schicken Sie uns eine E-Mail an: info@kis.ch Wir freuen uns. 04 / 2023 INHALT / IMPRESSUM IMPRESSUM REDAKTIONSTEAM: Dr. med. Matthias Furter, Winterthur; Dr. med. Stefanie Gissler Wyss, Neuendorf; Dr. med. Raffael Guggenheim, Zürich; Dr. med. Irmela Heinrichs, Uster (Leitung); Dr. med. Cyril Lüdin, Muttenz; Dr. med. Nadia Sauter Oes, Winterthur; Dr. med. Martin Schmidt, Rheinfelden; Dr. med. Jürg C. Streuli, Uznach; Dr. Daniel Brandl, PhD, Geschäftsführer, Dietikon HERAUSGEBER: Kinderärzte Schweiz, Löwenstrasse 17, 8953 Dietikon ABO: 4 Ausgaben/Jahr: Fr. 48.– inkl. Porto (für Mitglieder inklusive) Spezialpreis für MPAs, Mütter- und Väterberatungsstellen sowie Nonprofit-Organisationen im Bereich Kinder- und Jugendgesundheit: Fr. 32.– inkl. Porto BILDER / ILLUSTRATIONEN: Rainer Schmid Detail Studios Feldmeilen www.detail.ch, Kinderärzte Schweiz, Schweizerisches Institut für Kinder- und Jugendmedien SIKJM, SRF, Stiftung allani Kinderhospiz Bern, Verein Nanas Lunchbox, Prof. Dr. med. Bea Latal, Dr. med. Steffen Schmidt Inselspital Bern, Huebner G. et al., Heidi Simoni, Davignon et al., Robert Koch-Institut, blutdruck-medizin.de, Julia Krüger, kispi-wiki.ch, Niesse et al., Balmer et al., Deepak Sharma, Kinderärzte Sursee, Thomas Plaßmann www.thomasplassmann.de, Zuger Kinderarztpraxis, Irmela Heinrichs, Antje Hugi, Dörlemann Verlag, Bergli Books. KORRESPONDENZ: Kinderärzte Schweiz Löwenstrasse 17, 8953 Dietikon Telefon 044 520 27 17 info@kis.ch, www.kis.ch INSERATE: Dr. med. Cyril Lüdin, cyril@luedin.eu GRAFIK, SATZ UND DRUCK: Vogt-Schild Druck AG, CH-4552 Derendingen Auflage: 1250 Expl. Nächste Ausgabe: 01/2024 Redaktionsschluss: 15. Januar 2024 ISSN 2296-2549 (Print) ISSN 2673-4656 (Online) GENDERGERECHTE SPRACHE: Wir achten in unserer Kommunikation auf eine moderne, gendergerechte Sprache. Das heisst, wir beziehen Frauen, Männer und nicht binäre Menschen gleichermassen in unsere Texte ein, denn Sprache beeinflusst unser Denken und Handeln. Präferenziell wird eine genderneutrale Sprache verwendet. Das Genderwörterbuch www.geschicktgendern.de dient als Inspiration, passende genderneutrale Alternativen zum generischen Maskulinum zu finden. Wenn dies nicht möglich ist, benützen wir wegen der einfachen Lesbarkeit den Doppelpunkt (z. B. Moderator:innen), um alle Geschlechter anzusprechen. In Ausnahmefällen ist die schwerfällige Beidnennung männlich/weiblich möglich; diese versuchen wir jedoch zu vermeiden. Drucksache myclimate.org/01-23-290966 EDITORIAL 5 H erausforderungen, geballtes Praxiswissen, Denkanstösse, Engagement, Wirkung PINNWAND 7 L esenswertes aus dem KIS Vorstand, unseren Arbeitsgruppen und dem Rest der Welt BERUFSPOLITIK 9 mfe RECHTLICHES 10 Weitergabe von Berichten an die Versicherungen MITGLIEDERVERSAMMLUNG 13 Frust und Freude JAHRESTAGUNG 14 Jahrestagung Kinderärzte Schweiz 2023 15 Spenden an Nonprofit Organisationen 16 Vorprogramm: Ärztinnen und Ärzte und MPAs 1: Risikokindern 17 Vorprogramme: Ärztinnen und Ärzte 2: SVUPP 18 3: Treffen der regionalen Kinderarztverbände 19 Vorprogramm: MPAs 4: Pädiatrische Palliativmedizin 20 Hauptreferat 22 Workshops: Ärztinnen und Ärzte 1: Dermatologie 23 2: Entwicklungspädiatrie 3: Masterclass Endokrinologie 24 4: Masterclass Kinderkardiologie 25 5: Mediennutzung 6: Nachhaltigkeit 26 7: Neonatologie 27 8: Neuropädiatrie / pädiatrische Epileptologie 9: Pädiatrische Palliativmedizin 28 10: Psychische Gesundheit 11: Psychopharmaka 29 12: Psychosomatik 30 13: Schmerzen 31 14: Suchtmittel 32 Team-Workshops für Ärztinnen/Ärzte und MPAs 15: Reanimation 33 16: Teamarbeit 17: Zaubern 34 Input Referat MPAs: Schlaf 34 MPA-Forum 35 MPA Workshops 18: ADHS-ADS 36 19: Alternativmedizin 20: Praxisassistenz 37 21: Pubertät 22: Tarmed 38 Interaktives Supplément: Selbstfürsorge NACHHALTIGKEIT IN DER PÄDIATRIE 41 Gründung der Kinderärzte Schweiz Arbeitsgruppe Nachhaltigkeit KURSE/WORKSHOPS/FORTBILDUNGEN 43 Kurse KIS 45 Veranstaltungskalender REDAKTIONELLE SEITEN 46 Zuger Kinderarztpraxis ERFAHRUNGSBERICHT 49 Fortbildung «Zahnmedizin in der Pädiatrie» vom 29. Juni 2023 DAS GUTE KINDERBUCH FÜR DIE PRAXIS 50 Lea und Finn langweilen sich ABC Schweiz

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04 / 2023 EDITORIAL KINDERÄRZTE. SCHWEIZ 5 Liebe Leserinnen und Leser Die Jahrestagung 2023 ist Geschichte. Über 600 Teilnehmende – Kinderärzt:innen, MPAs, Gäste, Referierende und Ausstellende – fanden sich auf dem schönen Campus Sursee ein. Spürbar war, dass sie alle ihr Expert:innenWissen und Engagement für die Kinder- und Jugendmedizin mitbrachten. Die heutige Generation von Kindern und Jugendlichen ist mit vielen Herausforderungen konfrontiert und reagiert oft psychisch vulnerabel. Weil wir in den Praxen erste, niederschwellige und vertrauensvolle Anlaufstellen sind, sind wir im Bereich der psychischen Gesundheit gefordert. Deshalb stand eben diese Gesundheit im Fokus der diesjährigen Tagung. Dr. phil. Heidi Simoni, ehemalige Leiterin des Marie Meierhofer Instituts für das Kind, bestritt das Hauptreferat mit dem Titel «Psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen: Hält das interdisziplinäre Netz?». Sie sprach zuerst über unterschiedliche Faktoren, die bereits in der frühen Kindheit protektive oder adverse Wirkung auf die psychische Gesundheit haben können. Dabei unterstrich sie die Bedeutung eines tragfähigen interdisziplinären Netzes, weil dieses notwendig ist, um zielführende therapeutische Modalitäten umzusetzen. Herzstück der Jahrestagung war die Mitgliederversammlung. Sie ist Plattform für den Vorstand und die KIS-Mitglieder und so war es äusserst erfreulich, dass der Saal wiederum gut besetzt war. Im ersten Teil gab der Vorstand konzis Rechenschaft über sein intensives berufspolitisches Engagement und die Finanzen ab. Weiter wurden die unterschiedlichen Tätigkeiten im Bereich der Nachwuchsförderung und Fortbildung abgebildet. Im zweiten Teil präsentierte Jan Cahlik einen Antrag. Dieser forderte von unserem Verband ein verstärktes öffentliches Positionieren gegen zunehmende bürokratische Hürden, die uns die tägliche Arbeit in den Praxen erschweren. Der Antrag stiess bei den Anwesenden auf grosse Resonanz. Die spontanen Wortmeldungen verdeutlichten, dass viele Kolleg:innen Unmut über die wachsenden Regulationen verspüren. Klar war und ist, dass die strategische Planung und Umsetzung des Antrags aktive Kinder- und Jugendärzt: innen braucht, um den Vorstand zu unterstützen und bei laufenden Aktivitäten zu entlasten. Erfreulicherweise meldeten sich spontan einige Mitglieder, die in den nächsten Wochen die Forderungen konkretisieren werden. Die Auswahl an Workshops war umfangreich. Die Bandbreite reichte von somatischen bis kreativen Inhalten, sodass interaktive und gar zauberhafte Momente erlebbar waren. Die wichtige Konstante in allen Workshops war ihre Vermittlung von praxisrelevantem Wissen. Möglicherweise sind wir an dieser Jahrestagung ein Stück mehr zu einer engagierten Gemeinschaft aus Kinder- und Jugendärzt:innen in der Praxis zusammengewachsen. Was von der Jahrestagung 2023 bleibt, sind sicher Denkanstösse und Diskussionsprozesse, die hoffentlich wirkungsvoll umsetzbar sein werden. Wir wünschen allen Teilnehmenden, dass das Gelernte Wirkung in ihrem Berufsalltag erzielt und durch die Anwendbarkeit Kreise ziehen wird. Herzliche Grüsse, Camilla Ceppi und Marc Sidler Herausforderungen, geballtes Praxiswissen, Denkanstösse, Engagement, Wirkung Die Themen der folgenden Hefte sind: News 01/2024: Suchtverhalten News 02/2024: Hämatologie News 03/2024: Transition News 04/2024: Jahrestagung DR. MED. CAMILLA CEPPI COZZIO VORSTANDSMITGLIED KINDERÄRZTE SCHWEIZ, LEITERIN ARBEITSGRUPPE JAHRESTAGUNG, DÜBENDORF Korrespondenzadresse: c.ceppi@hin.ch DR. MED. MARC SIDLER PRÄSIDENT KINDERÄRZTE SCHWEIZ, BINNINGEN Korrespondenzadresse: marc.sidler@hin.ch

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Pinnwand Neues vom ErfahrungsMedizinischen Register EMR In den Kinderärzte Schweiz NEWS Nr. 3/22 haben wir euch das ErfahrungsMedizinische Register EMR vorgestellt. Damit auf dem weiten Feld der Komplementärmedizin die Qualität gewährleistet ist, gibt es für Therapeutinnen und Therapeuten Registrierungsstellen wie das EMR. Dieses versteht sich zugleich als Brückenbauer zur Schulmedizin. Neu gibt es auf der EMR-Website eine Seite zum Thema «Erfahrungsmedizin für Kinder» mit einem Suchfilter nach qualifizierten Therapeut:innen, welche Kinder behandeln: https://www.emr.ch/erfahrungsmedizin-kinder (Text: KIS-DFB) Buchstart Tipps 2023/2024 Buchstart setzt sich dafür ein, dass alle Kinder in der Schweiz vom ersten Lebensjahr an in ihrer Sprachentwicklung so gefördert werden, dass sie den Zugang zur Welt der Bücher und des Wissens finden. Dazu erhalten alle in der Schweiz geborenen Kinder über ein breites Netzwerk aus Gesundheit, Sozial- und Kulturbereich ein Paket mit zwei Büchern. Zögern Sie nicht, dieses für Ihre Praxis zu bestellen. Hier erhalten Sie weitere Informationen: www.buchstart.ch Eben erschienen sind für die Deutschschweiz die jährlichen «Buchstart-Tipps» mit Bücherempfehlungen für Kinder unter 3 Jahren (siehe Beilage in diesem Heft). In der Romandie und im Tessin gibt es vergleichbare Angebote auf Französisch und Italienisch. Bestellungen von Buchstart Tipps an info@sikjm.ch (Text/Foto: Schweizerisches Institut für Kinder- und Jugendmedien SIKJM) Für Sie gehört: Radio SRF Podcast ADS und ADHS: «Wie lebt es sich mit einem Kabelsalat im Kopf?» KIS Mitglied Dr. med. Lea Abenhaim aus Muri bei Bern hat bei einer zweiteiligen Radio SRF Podcastserie über ADS und ADHS mitgearbeitet. Darin deckt sie unter anderem Mythen rund um diese Störungen auf. Beide Teile (je ca. 20 Minuten) enthalten mehrere Interviewsequenzen mit Lea Abenhaim und können online nachgehört werden: https://www.srf.ch/kids/podcasts/podcast-srf-kidsreporter-in-ads-und-adhs-wie-lebt-es-sich-miteinem-kabelsalat-im-kopf (Text: KIS-DFB / Foto: SRF) Habt ihr daran gedacht? Neues Datenschutzgesetz ab 1. September 2023 Am 1. September 2023 trat das totalrevidierte Datenschutzgesetz (DSG) in Kraft. Es enthält zahlreiche Neuerungen, die verschiedene Anpassungen im Umgang mit Personendaten in der ärztlichen Praxis notwendig machen. Die FMH stellt den Ärztinnen und Ärzten für die Anpassung ihrer bestehenden Richtlinien und Datenschutzerklärungen die notwendigen Informationen sowie Unterlagen in Form von Leitfäden und Musterdokumenten zur Verfügung. Sie finden diese auf FMH Website. https://www.fmh.ch/themen/ehealth/datenschutz/ neues-datenschutzgesetz-dsg.cfm Das auf der Website erwähnte «Infoblatt zum Datenschutz» und der im Dezember 2022 veröffentlichte Artikel in der Schweizerischen Ärztezeitung «Datenschutzgesetz: Anpassungen in Arztpraxen» (auf der FMH Website verlinkt) liefern einen Überblick der relevanten Änderungen mit Verweis auf die jeweiligen Hilfsdokumente. (Text: FMH/KIS-DFB) Gendergerechte Sprache Sprache lebt und entwickelt sich. Weil Sprache unser Denken und Handeln beeinflusst, achten auch wir in unserer Kommunikation auf eine moderne, gendergerechte Sprache. Das heisst, wir beziehen Frauen, Männer und nicht binäre Menschen gleichermassen in unsere Texte ein. Präferenziell wird eine genderneutrale Sprache verwendet. Das Genderwörterbuch www.geschicktgendern.de dient als Inspiration, passende genderneutrale Alternativen zum generischen Maskulinum zu finden. Wenn dies nicht möglich ist, benützen wir neu wegen der einfachen Lesbarkeit den Doppelpunkt (z.B. Moderator:innen), um alle Geschlechter anzusprechen. In Ausnahmefällen ist die schwerfällige Beidnennung männlich/weiblich möglich; diese versuchen wir jedoch zu vermeiden. www.geschicktgendern.de (Text: KIS-DFB) Planungssitzung Jahrestagung 2024 Kaum ist die JaTa 2023 Geschichte, wird die Planung des nächstjährigen Highlights unseres Verbandsjahrs in Angriff genommen. Am Samstag 30. September 2023 trafen sich eine Abordnung der Arbeitsgruppe Jahrestagung 2024 auf der KIS Geschäftsstelle in Dietikon, um ein facettenreiches, interaktives und spannendes Programm von über 30 Veranstaltungen für Ärzt:innen und MPAs zusammenzustellen. Ihr könnt euch bereits jetzt auf die nächste Jahrestagung freuen, welche am Donnerstag 5. September 2024 im Campus Sursee (LU) stattfinden wird. (Text: KIS-DFB / Foto: KIS) (v.l.n.r. hintere Reihe: Naomi Götsch, Brigitte Lauri, Nina Schweizer, Nanette von Siebenthal. v.l.n.r. vordere Reihe: Daniel Brandl, Isabell Iff-Tureczek, Marc Sidler, Camilla Ceppi Cozzio, Beatrice Kivanc, Sandra Burri.) Lesenswertes aus dem KIS Vorstand, unseren Arbeitsgruppen und dem Rest der Welt

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04 / 2023 BERUFSPOLITIK KINDERÄRZTE. SCHWEIZ 9 DR. MED. ROLF TEMPERLI VORSTANDSMITGLIED MFE, EHRENMITGLIED KINDERÄRZTE SCHWEIZ, LIEBEFELD Korrespondenzadresse: temperli-rossini@bluewin.ch DR. MED. HEIDI ZINGGELER FUHRER VIZE-PRÄSIDENTIN MFE, ZUSTÄNDIGKEIT PÄDIATRIE, CHUR Korrespondenzadresse: h.zinggeler@mez-chur.ch Final Call Unzufriedenheit Die grosse Unterstützung, welche der Antrag von Jan Cahlik an der Mitgliederversammlung KIS erhielt, zeigt, dass viele Praxispädiaterinnen und -pädiater der Meinung sind, es müsse nun was geschehen. Sie fühlen sich behindert in ihrer Arbeit und schikaniert durch sinnlose Auflagen der Behörden. Das wirkt demotivierend, nicht nur für die aktuelle Generation der Praxispädiaterinnen und -pädiater, sondern – mit weit schlimmeren Auswirkungen auf die pädiatrische Versorgung – vor allem auch auf die zukünftige. Wer will noch Praxispädiaterin resp. -pädiater werden, wenn sich die Rahmenbedingungen inklusive Einkommen ständig verschlechtern? Reicht der immer noch vorhandene grosse Enthusiasmus für unseren fantastischen Beruf aus? Engagement Selbstverständlich sind die Berufsverbände aktiv, KIS, pädiatrie schweiz, mfe und FMH. Sie vertreten die Interessen der Ärzteschaft, der Patientinnen und Patienten und der Bevölkerung, der Kinder- und Hausärzte, an hunderten Gesprächen in der Politik, mit der Verwaltung, den Krankenkassen und den Medien, manchmal erfolgreich, manchmal nicht, manchmal sichtbar, manchmal nicht. Sicher: Es kann noch mehr getan werden. Dazu braucht es Ressourcen, finanzielle und personelle. Und es braucht Kooperation und Information. Die Vorstände der Berufsverbände haben die Interessen der Mitglieder mit allen Kräften wahrzunehmen, über Erfolge, Misserfolge und Schwierigkeiten zu informieren und die Meinung der Mitglieder abzuholen. Umgekehrt obliegt den Mitgliedern die Aufgabe, ihre Meinung zu äussern und die Vorstände in ihrer Arbeit zu unterstützen. Verbände brauchen eine kräftige «Hausmacht» in ihrem Rücken. In der Grundversorgung hat die Pädiatrie die gleiche Bedeutung wie die Hausarztmedizin, in der Prävention noch viel mehr. Auf der politischen Ebene ist die Pädiatrie auf mfe als wichtigsten Kooperationspartner angewiesen. Allerdings muss die Pädiatrie ihre Anliegen selber formulieren und einbringen. Integration statt Exklusion Seit mehr als einem Jahrzehnt predigen wir hier das Prinzip von «ONE VOICE». mfe wurde genau deswegen gegründet: Bündelung der Kräfte, Schaffung eines Politikverbandes der Grundversorgerfachgesellschaften. Die Politik wünscht sich einen einzigen Ansprechpartner, dem die Aufgabe obliegt, verschiedene Interessen unter einen Hut zu bringen. Wie der Bauernverband – immer wieder als Paradebeispiel aufgeführt – die Gross- und Kleinbauern, die Berg- und Mittellandbauern, die konventionellen und die Biobauern, die Vieh- und Getreidebauern vertreten muss, soll sich mfe für Hausärztinnen und Kinderärzte, auf dem Land und in der Stadt, in Einzel- und in Gruppenpraxen einsetzen. Partikularinteressen müssen manchmal zurückstehen, aber trotzdem immer gehört werden. Minderheiten müssen respektiert, kritische Stimmen ernst genommen werden. Differenzen müssen erkannt und ausdiskutiert werden. Schluss Wir treten aus dem Vorstand mfe zurück und melden uns letztmals auf dieser Seite zu Wort. Wir sind überzeugt, dass uns nur verstärkte Zusammenarbeit und gegenseitige Rücksichtnahme weiterbringen können. Erfahrene müssen weniger Erfahrene unterstützen, ohne ihnen den Enthusiasmus zu nehmen. Neues soll möglich sein und Bewährtes Bestand haben. Alle sind aufgerufen, sich für unsere gemeinsamen Ziele einzusetzen, wo und wie und so gut sie können. Probleme, die alle angehen, können nur von allen gelöst werden. Wir hoffen auf ideenreiche, hartnäckige, mutige, kämpferische, geduldige Nachfolgerinnen und Nachfolger. ■

RECHTLICHES 04 / 2023 KINDERÄRZTE. SCHWEIZ 10 Eine alltägliche Situation: Eine Krankenkasse kontaktiert Ihre MPA und verlangt nach einem medizinischen Bericht. Nach Rücksprache mit der Krankenkasse wird klar, dass diese keine konkrete Frage hat, sondern den «ganzen» Bericht des betroffenen Patienten möchte. Die Krankenkasse beharrt darauf, dass sie das Recht habe, die Berichte zu erhalten. Sie haben ein ungutes Gefühl – zu Recht. Fragen rund um Patientendaten sind äusserst vielseitig und betreffen diverse Gesetze. Die Weitergabe von Daten gilt als Datenbearbeitung und wird als solche im Datenschutzrecht geregelt. Datenschutz ist für viele Menschen ein rotes Tuch, wird er doch oft mit Mehraufwand und Bürokratie gleichgesetzt. Führt man sich jedoch vor Augen, dass es nicht um den Schutz der Daten an sich geht, sondern um den Schutz der Persönlichkeit jener Menschen, deren Daten betroffen sind, sieht die Sache anders aus. Dies gilt umso mehr, da Sie täglich mit besonders schützenswerten Daten arbeiten – nämlich Daten über die Gesundheit und die Genetik Ihrer Patient:innen. Datenschutz ist Ausfluss des in Art. 13 Abs. 2 BV verankerten Grundrechts auf Schutz der Privatsphäre: «Jede Person hat Anspruch auf Schutz vor Missbrauch ihrer persönlichen Daten.» Als Gesellschaft haben wir uns damit darauf geeinigt, dem Thema besondere Beachtung zu schenken. Subjektiv ist indes – ohne pathetisch zu werden – vermehrt festzustellen, dass verfassungsrechtliche Grundsätze sowohl in der Politik als auch von weiteren Akteuren kreativ ausgelegt oder gar übergangen werden, sei es aus politischem Kalkül, Unwissen, Pragmatismus oder schlicht im Bewusstsein, dass in gewissen Fällen keine oberste Instanz in Form eines Verfassungsgerichts besteht. Als pädiatrische/r Grundversorger:in wissen Sie um die Bedeutung der Verfassung. So sollen beispielsweise Bund und Kantone gemäss Art. 117a BV die Hausarztmedizin anerkennen und fördern und der Bund hat für eine angemessene Abgeltung dieser Leistungen zu sorgen. Keiner anderen medizinischen Disziplin kommt auf Verfassungsstufe ein solcher Stellenwert zu. Weiter haben Kinder und Jugendliche gemäss Art. 11 BV Anspruch auf besonderen Schutz ihrer Unversehrtheit und auf Förderung ihrer Entwicklung. Nach dem Gesagten laufen in der Pädiatrie im Kontext der Datenbearbeitung folglich zwei verfassungsrechtliche Grundsätze zusamWeitergabe von Berichten an die Versicherungen men: die Bearbeitung von medizinischen Informationen als besonders schützenswerte Daten einerseits und der erhöhte Schutz von Kindern und Jugendlichen andererseits. Dass dem Persönlichkeitsschutz von Kindern und Jugendlichen besondere Beachtung zukommt, leuchtet ein: Medizinische Sachverhalte aus ihrer Jugendzeit sollen sie im Erwachsenenalter nicht benachteiligen. Im Zuge der Digitalisierung der Medizin (EPD, Telemedizin, elektronischer Austausch von Daten, elektronische Patientendokumentation) und der zunehmenden Cyber- Kriminalität gewinnt Datenschutz allgemein an Bedeutung. Seit dem 1. September 2023 ist deshalb ein neues Datenschutzgesetz in Kraft, das zusammen mit den jeweiligen kantonalen Vorschriften den Umgang mit Patientendaten regelt. Die FMH hat dazu auf ihrer Website wichtige Informationen in Form von zweckdienlichen Leitfäden und Musterdokumenten bereitgestellt.1 Das Datenschutzgesetz regelt die Datenbearbeitung. Damit ist jeder Umgang mit Personendaten gemeint, unabhängig von den angewandten Mitteln und Verfahren, insbesondere das Beschaffen, Speichern, Aufbewahren, Verwenden, Verändern, Bekanntgeben (Übermitteln oder Zugänglichmachen), Archivieren, Löschen oder Vernichten von Daten. Der Grundsatz der rechtmässigen Datenbearbeitung gilt wie bis anhin unverändert. Das bedeutet, die Datenbearbeitung muss nach Treu und Glauben erfolgen und verhältnismässig sein. Daten dürfen nur zu dem Zweck bearbeitet werden, für den sie erhoben worden sind; dieser muss zudem für die betroffene Person erkennbar sein. Mit der Revision des Datenschutzgesetzes wurden folgende Veränderungen eingeführt, die in der pädiatrischen Praxis implementiert werden müssen: ■ Neu gelten konkrete Anforderungen an die Datenschutz-Folgenabschätzung (DSFA). ■ Das bis anhin geltende Register der Datensammlungen wird durch ein obligatorisches Verzeichnis der Bearbeitungstätigkeiten ersetzt. ■ Neu besteht bei Datenschutzverletzungen eine Meldepflicht. ■ Datenbearbeitungen sind technisch und organisatorisch so zu gestalten, dass die Datenschutzvorschriften eingehalten werden (Datenschutz durch Technik). Beispielsweise müssen durch Voreinstellungen die Datenbearbeitungen auf das für den Verwendungszweck notwendige Mindestmass beschränkt werden. LIC. IUR. CAROLINE BRUGGER SCHMIDT MASTER OF EUROPEAN SOCIAL SECURITY (EMSS), INHABERIN DER FIRMA LEXPLANATION, BEZIRKSRICHTERIN, RHEINFELDEN Korrespondenzadresse: brugger@lexplanation.ch

04 / 2023 RECHTLICHES KINDERÄRZTE. SCHWEIZ 11 Im eingangs beschriebenen Fall handelt es sich um eine Weitergabe von Daten, welche als Datenbearbeitung gilt und somit unter den Datenschutz fällt. Ferner unterstehen Ärzt:innen sowie deren Hilfspersonen dem Berufsgeheimnis (Art. 321 StGB). Diese Schweigepflicht schützt im Besonderen das Arzt-Patienten-Verhältnis, sodass sich die Ärzt:innen auf ihr Recht berufen können, Daten nicht bekannt geben zu müssen. Eine Datenweitergabe durch die Ärztin oder den Arzt hat also immer zwei Perspektiven: Die (etwaige) Pflicht zur Weitergabe und das Recht, diese zu unterlassen. Die Weitergabe von besonders schützenswerten Daten stellt im juristischen Sinne grundsätzlich eine Tangierung der Grundrechte dar. Eine solche bedarf einer gesetzlichen Grundlage oder kann gerechtfertigt werden durch die Einwilligung der betroffenen Person (Sie kennen aus der medizinischen Behandlung den «informed consent», also die Einverständniserklärung). Weiter können die zuständigen Behörden (z. B. durch den Kantonsarzt) die Ärztin oder den Arzt ermächtigen respektive verpflichten, die jeweiligen Daten weiterzugeben. Im Bereich der Sozialversicherungen bestehen diverse gesetzliche Grundlagen zur Datenweitergabe. Versicherungen müssen beispielsweise die Möglichkeit haben, ihre konkrete Leistungspflicht zu prüfen. Die versicherte Person muss also grundsätzlich nicht nochmals in die Datenweitergabe einwilligen. Jedoch greift immer der Grundsatz der rechtmässigen Datenbearbeitung: Es dürfen nur Angaben geliefert werden, die sich auf eine spezifische medizinische Leistungsprüfung beziehen. Dabei muss darauf geachtet werden, dass die überwiegenden privaten Interessen der Patient:innen gewahrt bleiben. Die Versicherung muss der Ärztin oder dem Arzt mitteilen, um welche Beurteilung und um welche Fragestellung es sich konkret handelt. Die pauschale Einforderung eines Berichts, wie dies im Eingangsfall geschildert wird, ist also unzulässig. Handelt es sich im konkreten Fall um eine soziale Krankenkasse, kann die behandelnde Ärztin oder der behandelnde Arzt in begründeten Fällen darauf bestehen, medizinische Angaben nur der Vertrauensärztin oder dem Vertrauensarzt des Versicherers bekannt zu geben. Sollen Daten an Dritte, so z. B. (Kranken-)Zusatzversicherungen, weitergegeben werden, muss grundsätzlich für jeden Fall eine Einwilligung der versicherten Person vorliegen. ■ QUELLEN 1. https://www.fmh.ch/themen/ehealth/datenschutz.cfm (besucht am 15. September 2023). Die Weitergabe von Daten ist eine Form der Datenbearbeitung und wird grundsätzlich im Datenschutzgesetz sowie in Spezialgesetzen (z. B. für die Krankenkassen) geregelt. Seit dem 1. September 2023 gilt das revidierte Datenschutzgesetz. Daten über den Gesundheitszustand und genetischer Natur gelten als besonders schützenswert und unterliegen einem strengen Schutzregime. Sozialversicherungen können Daten ohne zusätzliche Einwilligung der versicherten Patienten einfordern. Bei der Weitergabe muss auf Rechtmässigkeit geachtet werden: Weitergegeben werden darf nur, was für die medizinische Beurteilung des konkreten Sachverhaltes relevant ist. Persönliche Notizen der Ärztin oder des Arztes, Angaben zu weiteren Personen, die für den Sachverhalt nicht relevant sind, sollten nicht weitergegeben werden. Private Versicherungen müssen in jedem einzelnen Fall eine Einwilligung der Patientin oder des Patienten einholen. Im Zweifelsfall ist es erforderlich, eher wenige oder gar keine Daten weiterzugeben und sich nach dem konkreten Verwendungszweck zu erkundigen.

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04 / 2023 MITGLIEDERVERSAMMLUNG KINDERÄRZTE. SCHWEIZ 13 Frust und Freude Die Details können im Protokoll nachgelesen werden. Dies ist lediglich ein Stimmungsbericht in sechs Punkten aus der 28. Mitgliederversammlung von KIS. Erstens: Was für ein Verband, der stetig steigende Mitgliederzahlen vorzeigen kann, bei dem rund 230 von 844 Mitgliedern an die Jahrestagung und 192 an die Mitgliederversammlung kommen. Zweitens: Was für ein Verband, der seinen Jahreskongress selber organisiert, hervorragend, der ein stetig wachsendes Kursangebot präsentiert, selber geschaffen, und dessen Finanzen auf solider Grundlage stehen. Drittens: Die Mitgliederversammlung dient dem Rückblick und dem Ausblick und der verbandspolitischen Debatte. Jan Cahlik, langjähriges Vorstandsmitglied und ehemaliger Vizepräsident KIS, hat sie mit einem Antrag lanciert: ■ Auflagen, Kontrollen, Nachfragen, Einschränkungen und Schuldzuweisungen behindern unsere Arbeit und machen sie zunehmend unattraktiv. ■ Politische Fehlentscheide, die im benachbarten Ausland längst als solche erkannt wurden, werden in der Schweiz blind kopiert und gefährden die Grundversorgung. ■ Praxen schliessen die Türen, Junge gehen schon gar nicht mehr in die Praxis oder wechseln gar den Beruf. ■ Marc Müller, ehemaliger Präsident mfe, im «Primary and Hospital Care»: Wir Alten sind schuld, wir haben die Misere kommen sehen, wir haben die Grundversorgung trotz Gegenwind aus Politik und Verwaltung aufrechterhalten, wir haben uns zu wenig gegen Fehlentscheide gewehrt. ■ KIS soll sich vermehrt in der Öffentlichkeit positionieren und das Gespräch mit den Verantwortlichen DR. MED. ROLF TEMPERLI EHRENMITGLIED KINDERÄRZTE SCHWEIZ, LIEBEFELD Korrespondenzadresse: temperli-rossini@bluewin.ch suchen, nach Möglichkeit mit Partnerorganisationen, nötigenfalls auch alleine. Bei ungenügendem Ergebnis sind weitere Massnahmen in die Wege zu leiten, zum Beispiel auch der Aufruf zur Einstellung von Leistungen in den Praxen. Viertens: Die Diskussion: ■ Wir Pädiaterinnen unterstützen einander. Trotz Gängelung durch Politik und Administration ist unsere Freude am Beruf ungebrochen. ■ Die Berufsverbände – allen voran FMH und mfe – sind in stetigem Austausch mit Behörden und Politik und versuchen, sinnvolle Massnahmen zu unterstützen und sinnlose zu verhindern oder wieder rückgängig zu machen. ■ Politiker haben meist keine Ahnung, wie unsere Praxen funktionieren und was sie leisten (Aussage eines langjährigen Kantonsparlamentariers). ■ Wir müssen in der Öffentlichkeit von der Kostendiskussion wegkommen, hin zur Nutzen- und Versorgungsdiskussion. Unser Hebel ist das (politische) Gespräch in der Praxis. ■ Mit deutlicher Mehrheit wird der Antrag von der MV angenommen. Fünftens: Jetzt kommt die Arbeit. Ein Projekt gutheissen ist einfach, es umsetzen verlangt Einsatz. Welche Massnahmen sind unsinnig? Wie sollen sie bekämpft werden? Und wer engagiert sich dafür? Sechstens: Selbstverständlich darf der Dank nicht fehlen. Der Dank an die Mitglieder, allen voran den in vielen grossen und kleinen Aufgaben involvierten und engagierten, der Dank an die Arbeitsgruppe Jahrestagung, die Kursleitenden, die Geschäftsstelle, den Präsidenten und den Vorstand. Wir freuen uns auf die Diskussionen und Begegnungen an der nächsten Jahrestagung und auf die in der Zwischenzeit. ■

JAHRESTAGUNG 04 / 2023 KINDERÄRZTE. SCHWEIZ 14 Ein herbstliches Nebelband lag an diesem Septembermorgen unten über der Ebene. Auf dem Campus Sursee wurden letzte Reste von Schläfrigkeit abgeschüttelt. Ab jetzt galt es ernst. Die Vorfreude auf die Jahrestagung 2023 mit insgesamt 31 Veranstaltungen war stark spürbar. Auf zwei Ablagen standen rund 500 Tagungsmappen in Kisten bereit. Sie waren aufgeteilt nach Kinderärzt:innen und MPAs und alphabetisch geordnet. Mit dem Eintreffen der ersten Teilnehmenden begannen wir, die Mitglieder der Arbeitsgruppe Jahrestagung, mit den Fingern eilig in den Kisten das Alphabet abzugreifen. Passende Mappe gefunden! Mit einem lächelnden Willkommensgruss wurde sie übergeben. Die Nächste bitte! Im Kopf poppte die Frage nach dem «Wann» auf: Wann hatten wir zum letzten Mal in einem alphabetischen Index nach etwas gesucht? War diese Art des Suchens früher nicht Teil unseres Tagesgeschäfts? Welche Regeln prägen heute unseren Alltag? Ist diese analoge, alphabetisch suchende Fingerbewegung bereits Schnee von gestern? Die Verschiebung von analog zu digital hatten wir bereits in der Vorbereitung der Tagung diskutiert und entschieden, die Menge an Papier in der Mappe zu reduzieren. Statt viel Papier gab es neu zwei QR-Codes zum Abrufen des Programms und der Feedback-Fragen. Solche Veränderungen und weitere, wie die Tagungstasche aus rezykliertem Plastikmüll aus dem Meer oder das feine vegetarische Mittagessen, ermöglichen Bewegung. Sie ist notwendig, weil wir die JaTa zukünftig noch nachhaltiger gestalten wollen. In diesen Kontext gehört auch, dass KIS seit 2022 anstelle eines Give-aways ein innovatives Projekt für Kinder und Familien in Not finanziell unterstützt. Dieses Jahr erhielt «Nanas Lunchbox» unsere Spende über Fr. 5000.00. Die Lunchbox schenkt Familien in schwierigen Zeiten mit einem leckeren Familienessen ein Stück Normalität. Jahrestagung Kinderärzte Schweiz 2023 Im Hauptreferat wies Frau Dr. phil. Heidi Simoni − ehemalige Leiterin des Marie Meierhofer Institutes Zürich − nach, welche Auswirkungen schwierige Startbedingungen der frühen Kindheit auf die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen haben. Sie zeigte auf, dass insbesondere Armut, von der jedes 12. Kind in der Schweiz betroffen ist, nachteilig für die betroffenen Kinder und auch zukünftige Generationen ist. Sie bestärkte uns Kinder- und Jugendärzt:innen darin, unsere knapp bemessene Zeit zum gezielten Hinhören und Handeln zu nutzen, weil verlässliche Beziehungen die Resilienz dieser Kinder stärken. Während der Mitgliederversammlung wurde Dampf abgelassen. Voten von Mitgliedern verdeutlichten, dass einige den Berufsalltag wegen stetig neuer administrativer Aufgaben als verkompliziert erleben. Der Schuh drückt! Hoffentlich können die Votanten ihre auf Unmut basierende Energie so nutzen, dass sie sich aktiv und zielorientiert für die Berufspolitik von Kinderärzte Schweiz engagieren. Den unterschiedlichsten Erwartungen Rechnung zu tragen war und ist für uns ein Balanceakt. Dafür geben wir viel! Wir wünschten uns für euch, dass ihr in Sursee Schlüsselmomente erlebt habt und aus den vielen Workshops Anwendbares für euren Alltag mitnehmen konntet. Auch nächstes Jahr werden wir dafür einstehen, dass ihr durch die Teilnahme an der JaTa viel Wissen sammeln könnt, um noch mehr in eurem professionellen Werkzeugkasten zu haben. ■ DR. MED. CAMILLA CEPPI COZZIO VORSTANDSMITGLIED KINDERÄRZTE SCHWEIZ, LEITERIN ARBEITSGRUPPE JAHRESTAGUNG, DÜBENDORF Korrespondenzadresse: c.ceppi@hin.ch

04 / 2023 JAHRESTAGUNG KINDERÄRZTE. SCHWEIZ 15 allani nimmt Fahrt auf: Das erste Kinderhospiz in der Schweiz wird im Frühling 2024 eröffnet. In unserem Land leben über 5000 Kinder mit Diagnosen ohne Aussicht auf Heilung. Kinder mit komplexen Erkrankungen verbringen in ihrem letzten Lebensabschnitt viel Zeit in Spitälern. Das geplante Kinderhospiz sorgt für ihre Bedürfnisse als Erkrankte und lässt dabei Platz für ihre Wünsche als Kinder. Letztes Jahr hat Kinderärzte Schweiz allani mit einer Spende von Fr. 5000 unterstützt, als die Stiftung gerade mit einem symbolischen Spatenstich den Um- und Ausbau des allani-Hauses begonnen hatte. Seither befinden sich das Bauernhaus und das Stöckli im Umbau, und das zukünftige Zuhause für lebensverkürzend erkrankte Kinder nimmt immer mehr Form und Gestalt an. Diese Spende wird in den kommenden Monaten für die Einrichtung der Räumlichkeiten wie zum Beispiel Patientenzimmer eingesetzt. Als erstes Kinderhospiz der Schweiz befindet sich allani ANDRÉ GLAUSER GESCHÄFTSFÜHRER, STIFTUNG ALLANI KINDERHOSPIZ BERN www.allani.ch Korrespondenzadresse: andre.glauser@allani.ch Anstelle eines «Give-Aways» («Bhaltis») an Teilnehmende der KIS Jahrestagung wird der dafür budgetierte Betrag seit 2022 an ein gemeinnütziges und wohltätiges Projekt gespendet, in welchem Kinder und Jugendliche sowie deren Familien in der Schweiz begünstigt werden. Erste Empfängerin unseres Checks über Fr. 5000 war letztes Jahr die Stiftung allani Kinderhospiz. Dieses Jahr konnten wir den Verein Nanas Lunchbox mit Fr. 5000 unterstützen. Beide Organisationen informieren nachstehend, wie das Geld verwendet wurde bzw. wie dessen Verwendung geplant ist. Spenden an Non-Profit-Organisationen auf einem noch unbeschrittenen Weg. Bis zur Eröffnung stehen noch viele Herausforderungen bevor. Ermöglicht und getragen wird die allani-Vision von Menschen, die sich in einem einig sind: Der Schweiz fehlt ein Ort, wo lebensverkürzend erkrankte Kinder und ihre Familien zur Ruhe kommen und für sie gesorgt ist. Dieses Ziel rückt näher, die Eröffnung wird immer greifbarer. Aktuell steckt allani mitten in den Umbauarbeiten, nimmt die Einrichtungsgestaltung in Angriff, sucht nach professioneller Verstärkung im Pflegeteam, entwickelt das Angebotskonzept weiter und setzt sich auch politisch für die Anliegen betroffener Familien ein. Da Kinderhospize in der Schweiz gesetzlich weder national noch kantonal verankert sind, muss allani den Grossteil der benötigten finanziellen Mittel über Spenden erwirtschaften. Die Kinder, die betroffenen Familien, allani und alle Unterstützer:innen können es kaum erwarten, das allani- Haus mit Leben und Geschichten zu füllen. ■ Wenn ein Kind schwer erkrankt, steht der Alltag Kopf. Behandlungen im Spital, Sorgen um das erkrankte Kind, Arbeit und Haushalt bestimmen das Leben der betroffenen Familien. Da bleiben gemeinsame Familienmomente, die Partnerschaft und gesunde Geschwister oftmals auf der Strecke. Hier setzt Nanas Lunchbox an: Wir verschicken feine, liebevoll verpackte Mahlzeiten und schaffen damit Augenblicke am Esstisch, in denen die Familien gemeinsam Zeit verbringen und ihre Sorgen und Ängste für einmal vergessen können. Gerade in schwierigen Zeiten sind diese Momente für alle Familienmitglieder äusserst wertvoll, tragen sie doch dazu bei, die Batterien wieder aufzuladen und bei Kräften zu bleiben. Gleichzeitig sind sie im belasteten Alltag kaum zu schaffen, da oft die Energie und Zeit fehlt, sich ums Essen zu kümmern. Der spendenfinanzierte Verein Nanas Lunchbox starteNANNETTE KELLER GRÜNDERIN UND GESCHÄFTSFÜHRERIN, VEREIN NANAS LUNCHBOX, BERN www.nanas-lunchbox.ch Korrespondenzadresse: nana.keller@nanas-lunchbox.ch te 2016 mit der Auslieferung von einzelnen Mahlzeiten in Bern. Mittlerweile verschicken wir Boxen in die ganze Schweiz. Seit 2021 wird Nanas Lunchbox betroffenen Familien in der Universitätskinderklinik beider Basel (UKBB) sowie seit 2023 an der Kinderklinik des Inselspitals in Bern angeboten. Finanziert werden die Boxen in diesen Projekten von Stiftungen, sodass die Mahlzeiten für die Familien gratis sind. Die Partnerschaften mit Kinderkliniken wollen wir weiterentwickeln: Wir haben uns zum Ziel gesetzt, mittelfristig in allen Kinderkliniken der Schweiz präsent zu sein. Der Beitrag von Kinderärzte Schweiz und weitere Spenden unterstützen uns genau dabei. Damit können wir unsere Geschäftsstelle ausbauen und den Verein weiter professionalisieren. Um in Zukunft noch vielen weiteren Familien in schwierigen Situationen wenigstens einen kleinen Moment Alltagsnormalität zu ermöglichen und sie konkret zu entlasten. ■ Konkrete Entlastung in schwierigen Zeiten Bild: Nanas Lunchbox Die Stiftung allani Kinderhospiz Bern auf der Zielgeraden Foto: Stiftung allani

JAHRESTAGUNG 04 / 2023 KINDERÄRZTE. SCHWEIZ 16 Als «Risikokinder» gelten sehr kleine Frühgeborene, Kinder mit perinataler Asphyxie und Kinder mit schweren angeborenen Herzfehlern. Statistisch gesehen sind schwere Behinderungen in 2–30% zu erwarten und in 50% sind andere Entwicklungsprobleme möglich. Für alle drei Gruppen ist im schweizerischen Neonet-Follow-up-Register eine standardisierte Entwicklungskontrolle im Alter von 1,2 und 5 Jahren vorgesehen. Die Werte werden zur Qualitätskontrolle und Forschung gesammelt. Ziel ist eine enge Zusammenarbeit mit uns Kinderärzt:innen angesichts der vielen offenen Fragen: ■ Welche Therapien sind nötig? ■ Welche Spezialist:innen sind involviert? ■ Werden diese Kontrollen wahrgenommen? ■ Warum werden Kontrollen nicht wahrgenommen? ■ Wer übernimmt das Case Management? ■ Wird das vom zuständigen Kinderspital angeboten? ■ Wie ist die regionale Vernetzung mit z. B. Therapeut:innen, Schule, sozialpsychologischem Dienst, Beratungsstellen und Entlastungsdiensten aufgegleist? ■ Was sind die elterlichen Anliegen und Therapieziele? 40–50% der Risikokinder zeigen Probleme in schulischen Fertigkeiten (Lesen, Schreiben, Rechnen), Arbeitstempo, Merkfähigkeit, kognitiver Flexibilität oder sozialer Interaktion. REFERENTIN: PROF. DR. MED. BEA LATAL Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin FMH, Co-Leiterin Abteilung Entwicklungspädiatrie, Universitäts-Kinderspital Zürich MODERATION: DR. MED. KARIN PEIER HARBAUER Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin FMH, Kinderarztpraxis am Theater, Winterthur AUTOR: PRACT. MED. NIKOLA BOBOT Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin FMH, Hochgebirgsklinik Davos und Kinderarztpraxis Buchs Korrespondenzadresse: nikola.bobot@hgk.ch Vorprogramm 1: Ärztinnen und Ärzte Outcome/Nachsorge Risikoschwangerschaften: Entwicklung von Risikokindern: Was muss man als Kinderärzt:in wissen? Die Adoleszenz, eine per se schon intensive Zeit, stellt eine besondere Herausforderung dar in den Bereichen der exekutiven Funktion, der sozialen Interaktion und der Emotionskompetenz. Das Bewusstwerden der eigenen Probleme und der Behinderung sind nicht zu unterschätzen. Zusammenfassend ist die Betreuung von Risikokindern eine anspruchsvolle, interdisziplinäre und intensive Arbeit bis zur Transition in die Erwachsenenmedizin. Das besondere Augenmerk muss auf altersspezifische Herausforderungen und Probleme gelegt werden. ■ Zeitpunkt und Schweregrad Entwicklungsprobleme Schwer Cerebrale Bewegungsstörung schwere HörSehminderung schwerer ER Mittelschwer Sprach-ER ASS ADHS motorische Ungeschicklichkeit (UEMF) Refraktionsstörungen Leicht/andere Dyslexie Dyskalkulie Exekutive Funktionsprobleme ADHS 1 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 Alter (Jahre) Zeitpunkt und Schweregrad Entwicklungsprobleme Illustration: Prof. Dr. med. Bea Latal

04 / 2023 JAHRESTAGUNG KINDERÄRZTE. SCHWEIZ 17 Vorprogramm 2: Ärztinnen und Ärzte SVUPP: Sonografie der Lungen – es gibt noch viel Luft nach oben Zur Durchführung des Lungenultraschalls braucht es ein Ultraschallgerät mit Linearsonde (9–20MHz) und bei pathologischen Befunden mit Tiefenausdehnung über 4 cm eine Konvexsonde (5–8MHz). Der Untersuchungsablauf beim sitzenden Kind beginnt vorne beim Thorax. Es soll vom Unterrand der Klavikula im Zickzack bis zum Zwerchfell einseitig abgescannt werden. Anschliessend wird es in gleicher Weise auf der anderen Seite und dann am Rücken durchgeführt. Es werden auf beiden Seiten 5 Standardpunkte (Bild 1) dokumentiert. Ein pathologischer Befund soll zudem in zwei Ebenen dargestellt und mit dem Bodymarker markiert werden. REFERENT: DR. MED. STEFFEN SCHMIDT Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin, Oberarzt im Notfallzentrum für Kinder und Jugendliche, Inselspital, Bern MODERATION: MED. PRACT. MARLEEN GROSHEINTZ Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin, Praxispädiaterin in Landquart AUTOR: DR. MED. BEAT KROPF Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin FMH, Kinderarztpraxis am Lindenplatz, Zürich Korrespondenzadresse: kinderarzt.lindenplatz@hin.ch Neben den Artefakten ist bei unauffälliger Lunge das Lungengleiten nachweisbar. Diese kann anhand echoreicher atemabhängiger Linien nachgewiesen werden. Pathologische Befunde sind nur bei Kontakt mit der Pleura darstellbar. Folgende vier Pathologien wurden besprochen: 1. Der Nachweis des Lungengleitens schliesst einen Pneumothorax aus und das Auffinden des Lungenpunktes (Übergang gleitend in nicht-gleitend) beweist den Pneumothorax. 2. >3 B-Linien pro Zwischenrippenraum sind pathologisch. Falls dies beidseitig vorhanden ist, spricht es für ein Lungenödem. 3. Pneumonien sind bei Kindern häufig basal und zeigen sich als leberähnlicher Befund (Bild 3). Befund über 2 cm ist Hinweis für bakterielle Ursache. 4. Ergüsse können gut dargestellt werden, zeigen sich in der Regel als echofreier Raum im Pleuraspalt (Bild 3). Seltenere eiweissreiche Ergüsse und Pus sind dementsprechend echoreicher. ■ Take Home Message ■ Untersuchungsablauf nach einem Schema durchführen ■ Befunde (Artefakte) der normalen Lunge kennen ■ Pathologien mit Kontakt zur Pleura sind darstellbar Bild 1: Standardpunkte Die gesunde Lunge (Bild 2) ist beim Ultraschall nicht darstellbar, sondern folgende Artefakte: ■ A-Linien (Wiederholungsartefakte parallel zur Pleura) ■ B-Linien (Sonnenstrahlen nach unten, bewegen sich atemsynchron) ■ Z-Linien (ähnlich wie B-Linien, jedoch nicht so weit in die Tiefe und Löschen die A Linien nicht aus) Bild 2: Gesunde Lunge Bild 3: Pneumonie (leberähnliche Konsistenz der Lunge) und kleiner Erguss. Bilder/Illustration: Dr. med. Steffen Schmidt, Inselspital Bern

JAHRESTAGUNG 04 / 2023 KINDERÄRZTE. SCHWEIZ 18 Vorprogramm 3: Ärztinnen und Ärzte Treffen der regionalen Kinderarztverbände National | Regional | Kantonal | Lokal: Modelle zur Zusammenarbeit und Optimierung der Ressourcen Retrospektiv kann ich mir ein paar kritische Worte zum Start in die diesjährige, wiederum sehr spannende Jahrestagung nicht ganz verkneifen: Mittlerweile ist der standespolitische Austausch ein fixer, wichtiger und effektiver Bestandteil des Morgens unserer Jahrestagung geworden. Eine immense Herausforderung in unserer Standespolitik ist der Föderalismus. Viele für uns wichtige Themen werden auf kantonaler Ebene beschlossen: Notfalldienst, Taxpunktwerte, Schularztdienst, Praxisassistenzprogramme etc., weshalb unser aller persönliches Engagement auch auf Stufe der Kantone enorm wichtig ist. KIS kann hier Hand bieten, ein offenes Auge darauf haben, was wo funktioniert, wo es Probleme gibt, und den Erfahrungsaustausch unterstützen. Und genau dies war das Kernthema des diesjährigen Regionalgruppentreffens. In meiner Funktion als Co-Präsident des VBHK (Verein Berner Haus- und Kinderärzt:innen) durfte ich aus unseren Erfahrungen im Kanton Bern berichten und ein paar Ideen weitergeben. Die Diskussionen waren spannend und fruchtbar, in der Folge haben sich auch weitere Kontakte und Unterstützungen ergeben. Eigentlich also ein MODERATION/AUTOR: DR. MED. STEFAN ROTH Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin FMH, Vorstandsmitglied Kinderärzte Schweiz, Co-Präsident Verein Berner Haus- und KinderärztInnen VBHK, Liebefeld Korrespondenzadresse: stefan.d.roth@bluewin.ch perfektes Gefäss, um einmal ein wenig Standespolitik zu schnuppern. Im Hinblick auf die engagierten Diskussionen im Rahmen der Mitgliederversammlung gäbe es wohl viele Kolleg:innen mit guten Ideen und möglichem Engagement in unseren Reihen. Anwesend waren leider wieder nur die «usual suspects»… Wir durften in einer kleinen Runde von sieben Personen mit Philippe Luchsinger den Präsidenten von mfe – Haus- und Kinderärzte Schweiz begrüssen, einen (oder sogar den einzigen?) Pädiater als Nationalratskandidat (Bernhard Steiner / LU), dazu die engagierten Regionalvertreter:innen der grösseren Kantone. Im Wissen, dass wir in den Kantonen enorm viel bewegen können und angesichts der anstehenden standespolitischen Herausforderungen wäre genau eine solche Veranstaltung für Praxispädiater:innen aller Regionen ein geeignetes und hilfreiches Instrument, um diese anzugehen. KIS kann hier unterstützen, Plattformen zum Austausch anbieten, informieren. Das regionale Engagement kann KIS jedoch nicht übernehmen – hier sind alle Kolleg:innen in ihren eigenen Kantonen/Regionen gefordert. ■

04 / 2023 JAHRESTAGUNG KINDERÄRZTE. SCHWEIZ 19 Vorprogramm 4: MPAs Versorgung von Kindern am Ende ihres Lebens: Pädiatrische Palliativmedizin in der Praxis – Hilfreiches für MPAs Es geht nicht darum, dem Leben mehr Tage zu geben, sondern den Tagen mehr Leben. (Cicely Saunders, 1918–2005) Wie bedeutend dieses Zitat der Begründerin der modernen Hospizbewegung im Zusammenhang mit Palliative Care oder besser gesagt Comfort Care ist, und was genau dieses Fachgebiet der Medizin für das Leben und das Leben vor und nach dem Versterben bedeutet, hat uns Frau Dr. med. Mercedes Ogal höchst eindrücklich und einfühlsam in ihrem Referat vermittelt. Fallbeispiele halfen uns, die Bedürfnisse der betroffenen Kinder und deren Familienangehörigen zu verstehen. Genauso wichtig wie die fachlichen Kompetenzen sind Entlastungsangebote sowie eine medizinisch-pflegerische und psychosoziale Betreuung bis zum Tod und darüber hinaus während der nachfolgenden Trauerphase. Das Praxisteam kann dabei unterstützend wirken, indem es den Eltern die entsprechenden Kontakte vermittelt. Worauf es in einer Kinderarztpraxis ankommt und wie wir uns als Praxisteam gegenüber den betroffenen Kindern und Eltern verhalten sollen, illustrieren die folgenden Punkte: REFERENTIN: DR. MED. MERCEDES OGAL Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin FMH, Medizinische Hypnose (SMSH), Psychosomatische und psychosoziale Medizin (SAPPM), Akupunktur und Traditionelle Chinesische Medizin (ASA), Integrative Medizin Innerschweiz, Brunnen MODERATION: NAOMI GÖTSCH Leitende Medizinische Praxisassistentin, Quellenpraxis Uster AUTORIN: KARIN BALOGH Medizinische Praxisassistentin (hauptsächlich Pädiatrie), Ärztezentrum Oerlikon, Zürich Korrespondenzadresse: KBalogh@swissmedical.net Trotz der vielen schwerstkranken Kinder existiert in der Schweiz bislang kein einziges Kinderhospiz, ganz im Gegensatz zu Deutschland, wo es 15 stationäre Kinderhospizdienste gibt. Drei sind nun aber (in Bern, Basel und Zürich) in Planung bzw. am Entstehen. (Anmerkung der Redaktion: Das Kinderhospiz allani in Bern wird 2024 eröffnet. Siehe auch den Beitrag auf Seite 15.) Neben der Betreuung der betroffenen Kinder und deren Eltern ist es immens wichtig, die Geschwisterkinder nicht zu vergessen und das, was sie emotional leisten, zu würdigen. In diesem Zusammenhang ist der Verein Raum für Geschwister (VRG) zu erwähnen, der unter anderem den Geschwisterkindern Elternzeit schenkt. ■ Die Bücherliste zum Thema pädiatrische Palliative Care von Frau Dr. med. Mercedes Ogal kann im Internet unter https://www.rosenfluh.ch/44673 abgerufen werden. Praxisteam ■ Verständnis und Geduld zeigen, aktiv zuhören, sich selbst zurücknehmen. ■ Direkt in ein Sprechzimmer begleiten. ■ Falls Zeit: mit Geschwisterkindern spielen/ Buch anschauen. ■ «Zeitliche Puffer» in der Agenda v. a. im Übergang zur Lebensendphase schaffen. Kinderarztpraxis/Ärzteschaft ■ High person, low technology ■ Nicht alles muss gesagt werden. Aber alles, was gesagt wird, muss wahrhaftig sein. ■ Ausführliche und verständliche Informationen geben ■ Comfort Care

JAHRESTAGUNG 04 / 2023 KINDERÄRZTE. SCHWEIZ 20 Heidi Simoni brachte es auf den Punkt: Wenn wir Jugendlichen wirklich helfen wollen, dann müssen wir den Familien helfen – und zwar schon den jungen Familien. Im Hauptvortrag zum Tagungsthema, welches uns PädiaterInnen in den letzten Jahren immer mehr beschäftigt, zeigte die Rednerin auf, dass das interdisziplinäre Netz nicht erst für Jugendliche aufgebaut werden kann, sondern dass das Ganze früh beginnt, sehr früh sogar: in der frühkindlichen Entwicklung und Begleitung der Eltern auf diesem Weg. Die Rednerin, welche über viele Jahre das renommierte Marie Meierhofer Institut für das Kind geleitet hat, weiss, worüber sie redet. Die Verunsicherung der Jugend hat die Wurzeln in der Kindheit und es kann nicht genügend betont werden, dass belastende Kindheitserfahrungen die bedeutsamste Ursache für Verunsicherung von Jugendlichen ist. Die dabei präsentierte Pyramide von Huebner et al. über ACE (adverse childhood experiences) illustrierte dieses gerade für uns Kinderärzte so wichtige Erkenntnis. Wie geht es eigentlich unseren Jugendlichen heute? Heidi Simoni präsentierte die Zahlen, die wir als solche in unserer Sprechstunde erleben: Jugendliche mit Suizidgedanken +11% , Jugendliche mit Angststörungen +30%, täglich 8 Anrufe nur bei Pro Juventute von verzweifelten Jugendlichen mit Suizidgedanken. Und das nur in einem Jahr! Corona hat die Situation natürlich nicht gebessert, wenn auch die coronabedingten Lebensveränderungen für viele Jugendliche nicht nur belastend waren. Vielmehr ist es der Begriff «Multikrise» – dieses ständige Leben in einer (Des-)Informationsgesellschaft REFERENTIN: DR. PHIL. HEIDI SIMONI Fachpsychologin für Psychotherapie FSP, eidg. anerkannt, Leiterin Marie Meierhofer Institut für das Kind (bis Juni 2023), Zürich EINFÜHRUNG: DR. MED. MORENO MALOSTI Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin FMH, Vizeleiter Arbeitsgruppe Jahrestagung, Kinderarztpraxis Regenbogen, RapperswilJona ZUSAMMENGEFASST VON: DR. MED. RAFFAEL GUGGENHEIM Mitglied Redaktionskommission, Zürich Korrespondenzadresse: dokter@bluewin.ch Hauptreferat Psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen: Hält das interdisziplinäre Netz? mit grundlegenden Verunsicherungen, welches die in mit ihrer eigenen Adoleszenz beschäftigten Jugendlichen zermürbt. Und wir Erwachsenen machen es ihnen nicht leichter. So meinte Simoni zum Thema «Zugang von Jugendlichen zu gewaltbezogenen Medieninhalten >18 Jahre» mit einer Selbstdeklaration von über 50% von 13-Jährigen, diese zu benutzen: «Ich finde es bedenklich, dass wir überhaupt Inhalte produzieren, die wir für Kinder und Jugendliche als toxisch befinden!» Aber auch in Bezug auf die auch in der Schweiz bestehende Armut und die Gefahr vor sozialem Abstieg in mittelständischen Familien braucht die Rednerin klare Worte: «Ich finde es beschämend, dass wir in der Schweiz viele Familien haben, die ab dem 25. überlegen müssen, was zum Essen auf den Tisch kommt!» In der Schweiz, gemäss Caritas-Bericht, ist jedes 12. Kind von Armut betroffen und viele weitere leben in prekärem rechtlichem und sozialem Status. Dazu kommt der grosse materielle und ideelle Druck, welcher bei Eltern dazu führt, ihre Kinder mit Lernmassnahmen zu überfordern. All das führt unweigerlich zu Gewalt, Misshandlung und Vernachlässigung nicht nur in «randständigen» Familien. Nicht wenige Eltern bestrafen ihre Kinder immer noch, «um sich abzureagieren»! Die psychische Gesundheit der Jugendlichen ist also tatsächlich auf dem Prüfstand und leider zeigen sich viele ungünstige Tendenzen. Die Verunsicherung durch existenzielle Ängste, die zunehmende Überforderung durch mediale Inhalte und die soziale Situation macht das Ganze noch viel schwieriger. Wie sollen wir nun damit umgehen, um die Situation zu entschärfen und insbesondere den belasteten Jugendlichen zu helfen? Heidi Simoni sprach mir als entwicklungspädiatrisch orientiertem Kinderarzt aus dem Herzen. Sie fokussierte auf die Entwicklung der Kinder bereits in der

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