DAS GUTE KINDERBUCH FÜR DIE PRAXIS 03 / 2023 KINDERÄRZTE. SCHWEIZ 44 DR. MED. NADIA SAUTER OES MITGLIED REDAKTIONSKOMMISSION, WINTERTHUR Korrespondenzadresse: nadia.sauter@oes.ch Auf dieser Seite möchten wir euch drei Bücher vorstellen, die nicht zur leichten Kost im Kinderbuchsektor gehören. Vielmehr thematisieren sie Schwieriges und Schweres aus dem Kinderalltag. «Mama und der verhexte Spiegel», «Silberfunken» und «Auch solche Tage gibt es» helfen zu Hause oder im therapeutischen Setting, mit betroffenen Kindern Gefühle wie Ohnmacht, Trauer, Einsamkeit und Hilflosigkeit im Zusammenhang mit elterlichen Erkrankungen oder eigenen dunklen Tagen zu verarbeiten. Kurzserie zum Thema «Krankheiten von Eltern/Bezugspersonen» DR. MED. KERSTIN WALTER MITGLIED REDAKTIONSKOMMISSION, BERN Korrespondenzadresse: praxis@drwalter.ch Mama und der verhexte Spiegel (aracari verlag, Zürich) Brigitte Endres, mit Illustrationen von Anna Karina Birkenstock «Mama und der verhexte Spiegel» schildert realitätsnah die Problematik einer mütterlichen Depression: Timmys alleinerziehende Mutter kann sich aufgrund einer schweren Depression nicht mehr adäquat um Timmy kümmern. Sie liegt nur antriebslos im Bett und die Grossmutter muss die Betreuung von Timmy übernehmen. Die Grossmutter versucht, Timmy die Erkrankung zu erklären, indem sie ihm ein Märchen erzählt: darin sorgt ein verhexter Spiegel dafür, dass man nur noch das Negative im Leben sehen kann. Die Mutter schafft es nicht selbst, aus der Depression herauszufinden. Als sie merkt, wie sehr Timmy darunter leidet, kann sie sich aber schliesslich darauf einlassen, sich Hilfe zu holen und in eine Klinik zu gehen. Dadurch endet die Geschichte dann hoffnungsvoll. In der Geschichte werden die wichtigsten Themen einfühlsam illustriert: Timmys Schuldgefühle und die Frage, ob er daran schuld ist, dass Mama immer traurig ist, das Gefühl, allein gelassen zu werden, obwohl sich andere Bezugspersonen um ihn kümmern, die Auswirkungen auf die Gefühlswelt der Kinder (z.B. plötzliche Wutanfälle für andere scheinbar aus dem Nichts) sowie die Tatsache, dass eine stationäre Behandlung mit längerer Abwesenheit der erkrankten Person notwendig werden kann. Ein Buch, mit dem man Kindern, die in einer ähnlichen Situation stecken, zeigen kann, dass sie nicht alleine sind und dass man ihnen trotzdem Hoffnung auf Besserung schenken kann. Auch solche Tage gibt es (aracari verlag, Zürich) Young-ah Kim, mit Illustrationen von Ji-soo Shin Es gibt Tage, an denen alles schwarz und schwer und schleppend, dunkel, dumpf und drückend erscheint. Solche Tage stehen am Anfang des vorliegenden Buches. Mit einfachem Strich und Farbgebung gelingt es dem koreanischen Illustrator Ji-soo Shin eindrücklich, die Stimmung der Einsamkeit, des Verlassenseins einzufangen. Der Bär erscheint mal winzig klein und einsam in der dunklen Lebenslandschaft, mal ganz gross in seiner fast greifbaren Not. Die kurzen Texte von Young-ah Kim sind treffend einfach, bedrückend – und dabei gleichzeitig wunderschön. Als Lesende war ich richtiggehend erleichtert, als in der Mitte des Buches Hoffnung und damit Farbe aufkommt in Gestalt eines Froschfreundes mit Regenbogenschirm. Von jetzt an sind die Bilder bunter, die Texte optimistischer. «Solche Tage» mag es geben – aber es gibt auch wieder andere. Auf den letzten Seiten finden sich Vorschläge, wie mit dem Buch gearbeitet werden kann. Das Thema Einsamkeit wird kurz aufgenommen und mögliche Fragen aufgelistet, mithilfe derer mit Kindern das Thema philosophisch oder therapeutisch aufgearbeitet werden könnte. Das Buch geht hier nicht allzu sehr in die Tiefe, aber es gibt hilfreiche Anregungen und Denkanstösse. So eindrücklich Illustration und Text dieses Bilderbuches auch sind – weit betroffener hat mich die Tatsache gemacht, dass Einsamkeit in der hier gezeigten Form ein Kinderbuchthema geworden ist. Und ich nehme nicht an, dass es Kinder mit «solchen Tagen» nur in Korea gibt… DR. MED. NADIA SAUTER OES MITGLIED REDAKTIONSKOMMISSION, WINTERTHUR Korrespondenzadresse: nadia.sauter@oes.ch
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