KINDERÄRZTE.SCHWEIZ 3/2023

FORTBILDUNG: THEMENHEFTTEIL 03 / 2023 KINDERÄRZTE. SCHWEIZ 32 Mit bestem Dank und freundlicher Genehmigung der Autorin und des Rosenfluh Verlags reproduzieren wir diesen Artikel, welcher erstmals in «Psychiatrie+Neurologie» Nr. 05/2018 erschienen ist. Ziele KOMPASS soll Menschen mit einer ASS helfen, die soziale Welt zu entdecken und zu erforschen, sich in der sozialen Umgebung zurechtzufinden und darin «navigieren» zu können. Im Training wird das soziale Verständnis gefördert, unter anderem für das sogenannte «Hidden Curriculum». Damit sind die als selbstverständlich betrachteten, impliziten sozialen und kulturellen Regeln, Konventionen und Werthaltungen, die den meisten «typischen» Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen klar sind, gemeint. Die Teilnehmer sollen soziale Handlungsmöglichkeiten mit Freiraum für individuelle Ausgestaltung erlernen und erfahren, dass sie mit ihren sozialen Schwierigkeiten nicht allein dastehen, sondern einer «Schicksalsgemeinschaft» angehören. In der KOMPASS-Gruppe werden auch die (sozialen) Stärken betont, es wird auf ihnen aufgebaut, und sie werden zur Identitätsentwicklung genutzt. Längerfristig geht es auch um eine Veränderung des Selbstkonzepts und die Integration bisheriger und neuer sozioemotionaler Erfahrungen, die durch das technische Erlernen sozialer Kompetenzen (z. B. wechselseitige, soziale, persönliche Gesprächsführung, Entwicklung von Freundschaften) ermöglicht wurden. Verbessert werden soll auch die Selbst- und Fremdwahrnehmung. Das Verständnis dafür wird gefördert, was die soziale Umwelt von Menschen mit einer ASS implizit erwartet und wie die Betroffenen diese Erwartungen nicht erfüllen. Ganz im Sinne von Watzlawicks «Man kann nicht nicht kommunizieren»4 wird das Bewusstsein für die eigenen sozialen Signale (z. B. steife Körperhaltung, Monologisieren) geweckt, mit denen sie ständig, auch unbeabsichtigt, kommunizieren. Den Teilnehmern soll bewusst werden, dass sie laufend Bewertungen unterworfen sind und diese auch dann erfolgen, wenn sie etwas (z. B. nonverbale Kommunikation, Blickkontakt, soziales Lächeln) nicht tun oder wenn sie selbst von Bewertungen absehen. So lernen sie, den Eindruck, den sie bei anderen hinterlassen, bewusster zu steuern und nicht mehr nur Opfer von Fehlinterpretationen aufgrund ungenauer oder nicht so beabsichtigter Signale zu bleiben. Sie erleben sich als selbstwirksam, was ihr Selbstvertrauen stärkt. Ansatz Die Grundhaltung bei KOMPASS ist personenzentriert und ressourcenorientiert. Der Respekt vor den manchmal andersartigen Bedürfnissen und dem «anderen» Erleben von Menschen mit einer Störung aus dem autistischen Spektrum steht im Zentrum. Der Begriff Kompetenztraining soll betonen, dass Menschen mit einer ASS über viele Kompetenzen verfügen, die als Ressourcen eingesetzt werden können, dass sie aber auch neue Kompetenzen erlernen. Auf der Ebene der Techniken werden auch verhaltenstherapeutische Elemente und TEACCHTechniken1 einbezogen. Das Kompetenztraining in der Gruppe für Jugendliche mit einer Autismus-Spektrum-Störung (KOMPASS) wurde 2004 im Ambulatorium Zürich der Psychiatrischen Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie von Bettina Jenny und Philippe Goetschel entwickelt und wird seit 2005 regelmässig durchgeführt. Es umfasst das sogenannte KOMPASS-Basistraining2 und das Gruppenprogramm KOMPASS-F für Fortgeschrittene3. DR. PHIL. BETTINA JENNY PSYCHIATRISCHE UNIVERSITÄTSKLINIK ZÜRICH KLINIK FÜR KINDER- UND JUGENDPSYCHIATRIE UND PSYCHOTHERAPIE (KJPP) FACHSTELLE AUTISMUS NEUMÜNSTERALLEE 3, POSTFACH 233, 8032 ZÜRICH Korrespondenzadresse: bettina.jenny@pukzh.ch Gruppentherapie KOMPASS für Jugendliche und junge Erwachsene mit einer Autismus-Spektrum- Störung (ASS) Quelle: Zentrum für Kinder- und Jugendpsychiatrie Zürich

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