KINDERÄRZTE.SCHWEIZ 2/2023

02 / 2023 ERFAHRUNGSBERICHT KINDERÄRZTE. SCHWEIZ 49 Chronische Bauchschmerzen Ein häufiger Konsultationsgrund in der pädiatrischen Praxis sind die rezidivierenden Bauchschmerzen. Durch eine genaue Anamnese und die körperliche Untersuchung sollen insbesondere die «red flags» beachtet werden, wie z. B. Gewichtsverlust, nächtliche Schmerzen, blutiges oder galliges Erbrechen, Blut im Stuhl, rezidivierende Diarrhö. Als Zusatzuntersuchungen werden primär das Calprotectin im Stuhl und die Zöliakiediagnostik im Blut empfohlen. Die Abdomensonografie dient häufig zur Beruhigung der Eltern, ist aber nur in speziellen Fragestellungen notwendig. Bei chronisch funktionellen Bauchschmerzen helfen Bigaia und Iberogast (bei 2-Jährigen 3×1 Tropfen; 3- bis 6-Jährige 3×10 Tropfen; 6 bis 12-Jährige 3×15 Tropfen; ab 13 Jahren 3×20 Tropfen). CAVE: Iberogast ist hepatotoxisch. Leider ist Iberogast momentan nicht lieferbar. Alternativ können Bigaia und Carmenthin eingesetzt werden (auch unter 12 Jahren, dann allenfalls alle 2 Tage, es kann Blähungen verursachen). Falls dies nichts wirkt, kann Akupunktur helfen (z. B. bei Hanna Seewald, Mercedes Ogal, Naoko König, alles Kinderärztinnen mit Zusatzausbildung) oder die Spezialdiät FODMAP (Meiden der osmotisch aktiven und schlecht absorbierbaren Kohlehydraten, die im Kolon durch bakterielle Fermentation zu Blähungen und Diarrhö führen können). Glutenerkrankungen DIPL. MED. SANDRA SENTELER BISCHOF FACHÄRZTIN FÜR KINDER- UND JUGENDMEDIZIN FMH, PRAXIS WUNDERLAND, GOSSAU Korrespondenzadresse: sandra.senteler@hin.ch Take-home-Messages der Fortbildung «Gastroenterologie in der Praxis» vom 17. März 2023 HLA DQ2 und/oder DQ8 positiv ist für die Diagnose bei Kindern nicht nötig (30–40% der Weltbevölkerung sind positiv, jedoch nur ein Teil davon entwickelt eine Zöliakie), kann aber umgekehrt zum Ausschluss verwendet werden. Die Bestätigung der Diagnose sollte durch einen Gastroenterologen erfolgen. Eine Beratung bezüglich der lebenslangen glutenfreien Diät durch eine erfahrene Ernährungsberaterin wird empfohlen. Das regelmässige Monitoring der Blutwerte sollte nicht nur beim Zöliakiepatienten, sondern auch bei freiwilliger glutenfreier Ernährung nicht vergessen werden (CAVE: Selen, Zink, Vitamin B12). Erst wenn die Patientin in Remission ist, sind Nahrungsmittel, welche Spuren von Gluten enthalten können, und glutenfreier Hafer erlaubt. Es lohnt sich, bei der Krankenkasse nachzufragen, ob sie einen Beitrag an die anfallenden Kosten übernimmt, da die IV nicht mehr involviert ist. Obstipation Babys mit hochrotem Kopf, die weinen und pressen, verunsichern die Eltern. Wenn die Babys danach weichen Stuhl absetzen, spricht man von einer kindlichen Dyschezie. Dies ist eine Unreife der Koordination der Stuhlentleerung und wächst sich aus. Die Obstipation des Kindes ist eine Stuhlentleerungsmotilitätsproblematik und hat nichts (oder kaum etwas) mit der Ernährung zu tun. Es braucht keine weitere Abklärung, wenn die Obstipation mit einer normalen Dosis Macrogol behandelt werden kann. Das Mikrobiom Noch wissen wir wenig über das Mikrobiom, ausser: je diverser das Mikrobiom, desto besser. Die Zunahme der Autoimmunerkrankungen hängt mit dem Mikrobiom zusammen. Einfluss auf die Diversität haben Genetik, Geburtsmodus, Ernährung, Medikamente, Hygiene, Lebensstil, Krankheiten, Stillen. Kinder nach Sectio, welche nicht gestillt werden, haben mehr Allergien, mehr Autoimmunerkrankungen und mehr Koliken. Kurz: Die ganze Verantwortung liegt in der Kacke … Stuhltransplantationen sind Probiotikabomben und können die Verläufe von entzündlichen Darmerkrankungen deutlich verbessern. ■ Herzlichen Dank an die Referierenden Dr. med. George Marx und Andrea Mathis, an die Kursleiterin Antje Hugi Maier sowie an KIS für die äusserst kurzweilige, praxisnahe Fortbildung. Über den MPA-Teil dieser gemeinsamen Fortbildung für Ärztinnen/Ärzte und MPAs informiert Corina Sognos Artikel auf Seite 21. Glutenerkrankungen Vorgeschlagene Klassifikation von «Glutenerkrankungen» Quelle: Präsentation Dr. med. George Marx Zöliakie nimmt, wie andere Autoimmunerkrankungen, in den letzten Jahren stark zu. Die Diagnose wird grundsätzlich durch eine Dünndarmbiopsie gestellt. Ausnahme: ■ Typische Anamnese und Klinik ■ Anti-Transglutaminase IgA > 10× Norm ■ Anti-Endomysium IgA positiv (bestimmt in 2. Blutprobe, um eine allfällige Verwechslung zu umgehen) Autoimmun Allergisch Nicht autoimmun Glutensensitivität (Mikrobiom???) Mit Asthma Durchfall Haut (Urtikaria) Kontakt symptomatisch asymptomatisch möglich Dermatitis herpetiformis Zöliakie Weizenallergie

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