KINDERÄRZTE.SCHWEIZ 2/2023

02 / 2023 FORTBILDUNG: THEMENHEFTTEIL KINDERÄRZTE. SCHWEIZ 31 Das ist eine schwierige Frage. Verschiedene Erkrankungen können zu roten Augen führen. Die häufigsten sind die: ■ Primäre Tränenkanalstenose (NLDO) ■ Bakterielle Konjunktivitis ■ Epidemische Keratokonjunktivitis (EKC) ■ Pharyngokonjunktivales Fieber (PCF) ■ Uveitis ■ Keratokonjunktivitis vernalis (VKC) ■ Blepharokeratokonjunktivitis (BKC) ■ Atopische Keratokonjunktivitis (AKC) Viele dieser Erkrankungen können harmlos verlaufen und heilen ohne Therapie aus. Andere sind akut behandlungsbedürftig, ansteckend, chronisch oder chronisch rezidivierend und können unerkannt oder falsch behandelt zu schweren okulären Komplikationen führen. Die Differenzierung der unterschiedlichen Krankheitsbilder ist auch für uns Ophthalmologen herausfordernd – in der pädiatrischen Praxis ohne die entsprechenden Untersuchungsgeräte (z. B. Spaltlampe) ist dies noch schwieriger. Für die pädiatrische Praxis ist es essenziell, die akute einmalige Konjunktivitis von anderen akuten Erkrankungen (z.B. Uveitis) sowie von chronisch oder rezidivierend erkrankten Augen zu unterscheiden. Akute (einmalige) Konjunktivitis Die Differenzierung zwischen viraler und bakterieller Konjunktivitis erfolgt an der Spaltlampe durch die Beurteilung der Bindehaut, wobei sog. «Papillen» von «Follikeln» unterschieden werden können. Das Ektropionieren der Oberlider und die Beurteilung der subtarsalen Bindehaut an der Spaltlampe sind dabei ebenfalls wichtig. Am Mikroskop können ebenfalls andere Erkrankungen (wie z. B. Uveitis) ausgeschlossen werden. Die Entscheidung zur antibiotischen Therapie kann in der pädiatrischen Praxis am besten aufgrund des Ausflusses und der Begleitsymptome gefällt werden. Eine typischerweise unilaterale Konjunktivitis mit weissem, purulentem Ausfluss ohne Begleitsymptome (Abb. 1) ist bakteriell und wird entsprechend meist schnell (innerhalb von Stunden) besser unter lokaler antibiotischer Therapie. Tritt keine Besserung ein, muss von einer anderen Ätiologie ausgegangen werden und bei hohem Leidensdruck bzw. Rezidiv oder verlängertem Krankheitsverlauf ist die Zuweisung an eine Ophthalmologin sinnvoll. DR. MED. STEFAN LANGENEGGER FACHARZT FÜR OPHTHALMOLOGIE UND AUGENCHIRURGIE FMH, LEITENDER ARZT KINDERAUGENHEILKUNDE, STRABOLOGIE UND ORTHOPTIK, MEDIZINISCHER LEITER AUGENÄRZTE ZENTRUM AARAU (BIS JUNI 2023) Korrespondenzadresse: connect@first-sight.ch Jeden Tag kommen Kinder mit «verklebten Augen» in unsere Praxis. Nach welchen Kriterien sollen wir uns für oder gegen eine antibiotische Therapie entscheiden? Akute Konjunktivitis: Mit roten Augen in die Krippe? Virale Konjunktivitis: Die Kinder beschreiben brennende Augen, Kratzen oder Fremdkörpergefühl. Die Bindehaut ist rot injiziert und es besteht ein wässriger, klarer Ausfluss. Manchmal ist der Ausfluss auch gelbgrünlich und am Morgen sind die Augen trocken verklebt mit bröckeligem Sekret. Oft bestehen gleichzeitig Erkältungssymptome und eine zervikale Lymphadenopathie. Im Kühlschrank gekühlte Befeuchtungstropfen lindern die Symptome. Bakterielle Konjunktivitis: Säuglinge und Kleinkinder sind häufiger betroffen. Das Sekret ist purulent. Meistens ist die Erkrankung unilateral. Die am häufigsten nachgewiesenen Keime sind S. pneumoniae, H. influenzae und Moraxella catarrhalis. Die antibiotische Therapie erfolgt in der Praxis oft mit Fluorchinolonen (z. B. Floxal, Vigamox) 3–4×/d und ist ausgesprochen wirksam bei primär bakterieller Konjunktivitis, viraler Konjunktivitis mit bakterieller Superinfektion oder bei bakterieller Konjunktivitis im Rahmen einer kongenitalen Tränenwegsstenose. Die Neugeborenenkonjunktivitis (Neisseria gonorrhoeae oder Chlamydia trachomatis) ist immer ein Notfall und erfordert eine systemische Therapie. Kinder mit Konjunktivitis dürfen nicht in die Kinderkrippe, die Eltern können nicht arbeiten – macht das medizinisch Sinn? Kinder mit epidemischer Keratokonjunktivitis (EKC) und auch Erwachsene, die bei ihrer Arbeit in engem Kontakt mit anderen Menschen sind, sollten zu Hause bleiben. Kinder mit anderen Konjunktivitiden (insb. bakterieller) sind deutlich weniger ansteckend. Die epidemische Keratokonjunktivitis (EKC) wird durch die Humanen Adenovirus (HAdV) Typen 8, 19 und 37 verursacht und ist extrem ansteckend. Die Konjunktivitis ist oft sehr ausgeprägt mit starker Rötung, Bindehautschwellung (Chemosis), Blepharospasmus, Brennen, Fremdkörpergefühl und viel wässrigem Ausfluss (die Augen tränen stark). Bei der EKC wird das zweite Auge oft innerhalb weniger Tage ebenfalls betroffen, die Konjunktivitis ist am zweiten Auge jedoch weniger stark ausgeprägt. Andere Familienmitglieder oder Kinder in der KiTa sind ebenfalls betroffen. Zwanzig Prozent aller Betroffenen können Hornhauttrübungen entwickeln, welche selten persistieren und das Sehen langfristig beeinträchtigen. Bei ausgeprägter Entzündung kann es auch zu Vernarbungen der Bindehaut kommen. Jorina, 13 Jahre

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