KINDERÄRZTE.SCHWEIZ 2/2023

FORTBILDUNG: THEMENHEFTTEIL 02 / 2023 KINDERÄRZTE. SCHWEIZ 30 Take-Home-Message ■ Die Sondage einer Tränenwegsstenose kann im Alter von 6–7 Monaten ohne Narkose in der Augenarztpraxis durchgeführt werden, wenn die Eltern nicht noch mehrere Monate auf eine Spontanheilung warten und keine Narkose für die Sondage riskieren möchten. Die Belastung ist vergleichbar mit einer Impfung und von kurzer Dauer. ■ Wenn die Eltern die Sondage nur mit Narkose wünschen, sollte bis mindestens einjährig gewartet werden, um einerseits die Narkose sicherer zu machen und andererseits die Chance einer Spontanheilung zu maximieren. Sondage der Tränenwege mit Durchstossen der Membran bis zu diesem Alter zu warten. Je nach Entwicklung und Geburtstermin des Säuglings kann auch noch im 7. Monat eine Sondage ohne Narkose in der Praxis durchgeführt werden. Der Eingriff dauert ca. 2 Minuten und ist von der Belastung her vergleichbar mit einer Impfung. Nach dem Alter von 7–8 Monaten sind die Kinder zu gross und stark, als dass man sie genügend fixieren könnte, um die Sondage sicher durchzuführen. Darum kommt danach nur noch eine Sondage in Kurznarkose infrage, die ich selber aber erst nach dem Alter von 12 Monaten empfehle, um einerseits noch die letzte geringe Spontanheilung abzuwarten und andererseits die Narkose sicherer zu machen. Wenn ohnehin eine Narkose im späteren Alter aus anderen Gründen geplant ist, kann man den Eingriff kombinieren. Bis zum Zeitpunkt des Eingriffs empfehle ich, auf weitere antibiotische Therapien zu verzichten, da sie nicht nachhaltig erfolgreich sind. Stattdessen sollten die Eltern das Auge mehrmals täglich säubern, vorgängig mit Druck auf den Tränensack den Eiter entleeren und danach noch mit NaCl-Lösung den Bindehautsack ausspülen, um die Bakterienmenge zu reduzieren. Danach empfiehlt es sich, die periokuläre Haut mit einer fettenden Salbe, z. B. Bepanthen Nasensalbe, zu schützen. Vorgehen Mit 6–7 Monaten ohne Narkose: Das Kind wird in ein Tuch eingewickelt zur Ruhigstellung der Beine und Arme. Die Praxisassistentin hält den Kopf. Nach Instillation von anästhesierenden Augentropfen (Oxybuprocain) wird das obere Tränenpünktchen mit einer konischen Sonde dilatiert. Danach wird eine hohle Bangertersonde unter lateralem Zug des Oberlides bis in den Tränensack eingeführt, um 90° nach oben gedreht und danach durch den Ductus nasolacrimalis bis zur Membran Richtung Nase vorgeschoben. Das Durchstechen der Membran spürt man mit einem deutlichen «Pop». Daraufhin wird eine 5ml-Spritze mit sterilem NaCl auf die Sonde gesetzt und gespült. Wenn die Tränenwege offen sind, schluckt das Kind vernehmlich. Wenn der Tränenweg noch nicht eröffnet ist, kommt es zum Reflux von Eiter aus dem Tränenpünktchen. Beim Zurückziehen der Sonde wird fortlaufend gespült. Nachbehandlung mit Tobradex Augentropfen 5×/Tag für 5 Tage. Der Erfolg der Sondage liegt nach meiner Erfahrung bei über 95 %. Risiken Gerade bei Kindern unter 4 Monaten ist die Gefahr grösser, eine Via falsa zu stechen. Bei mindestens 6 Monate alten Kindern ist in erfahrenen Händen diese Komplikation äusserst gering und eine nachfolgende Zellulitis praktisch unbekannt. Das Hauptproblem besteht darin, dass der Eingriff nicht immer wie geplant durchgeführt werden kann, wenn die Sonde wegen Kurven im Ductus nasolacrimalis nicht bis zur Nase vorgeschoben werden kann und beim probatorischen Spülen immer nur Reflux und kein Schlucken des Kindes resultiert. Ein geringes Nachbluten aus der Nase oder aus dem Tränenpünktchen kann vorkommen, ohne nachteilige Folgen zu haben. Wenn die alleinige Sondage nicht erfolgreich war, kann eine endoskopische Dacryocystorhinotomie (DCR) mit ev. Kathetereinlage notwendig sein. ■ REFERENZEN 1. MacEwen CJ, Young JD. «Epiphora during the first year of life». Eye 1991; 5: 596-600 2. Brad H. Feldman, M.D et al. (2022) Nasolacrimal duct obstruction, congenital, EyeWiki. Available at: https://eyewiki.org/ Nasolacrimal_Duct_Obstruction,_Congenital#cite_ref-:5_5-0 (Accessed: April 23, 2023). Krankheitszeichen (Bild 2) Foto: Corina Klaeger, mit freundlicher Genehmigung der Patienteneltern

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