KINDERÄRZTE.SCHWEIZ 2/2023

02 / 2023 FORTBILDUNG: THEMENHEFTTEIL KINDERÄRZTE. SCHWEIZ 29 Bei ca. 5% der gesunden Neugeborenen besteht eine ein- oder beidseitige Tränenwegsstenose typischerweise am Ende des Ductus nasolacrimalis (Hasner Klappe) vor Austritt in die Nase. Nebst dem Tränen kommt es in der Folge zu einem chronisch bakteriell infizierten Tränensack und via den Tränenkanälen zu einer Konjunktivitis mit schleimig-eitrig verklebtem Auge, besonders nach dem Schlafen. Eine lokale antibiotische Therapie hilft nur vorübergehend gegen die Konjunktivitis. Die Selbstheilung bis zum 6.–7. Monat ist sehr hoch und wird auf ca. 70% geschätzt1. Bis zum ersten Lebensjahr kommen noch ca. 10% dazu. Danach sind es Einzelfälle, die noch spontan eröffnen. Wenn bis im 6.–7. Lebensmonat keine Spontanheilung stattgefunden hat, ist die Sondage die Therapie der Wahl. Anatomie (Bild 1) DR. MED. CORINA KLAEGER FACHÄRZTIN FÜR OPHTHALMOLOGIE FMH, AUGENAERZTE GURTENGASSE, 3011 BERN www.augenaerztegurtengasse.ch Korrespondenzadresse: gurtengasse@gmail.com Wie behandeln, wann dem Ophthalmologen zur Sondage überweisen? Eine persönliche Stellungnahme Kongenitale Tränenwegsstenose mit chronischem Infekt Neugeborenen ist entsprechend in der pädiatrischen Praxis ein häufiges Problem. Bis ca. zur 6. Lebenswoche ist die Tränenproduktion noch ungenügend, weshalb es mitunter deswegen zu einer zu starken Besiedelung der Augen mit Bakterien kommen kann, denn die Tränen haben eine reinigende und auch antibakterielle Wirkung. Wenn im 2. Lebensmonat ein tränendes Auge samt schleimig-eitriger Verklebung noch vorhanden ist, dann handelt es sich in den meisten Fällen um eine Tränenwegstenose. Diese ist am häufigsten am Ende des Ductus nasolacrimalis vor Austritt in die Nase lokalisiert bei der sog. Hasner Klappe. Wenn wegen der Blockade der Tränensack und der nachfolgende Tränenweg nicht regelmässig durch die Tränenflüssigkeit gespült werden können, kommt es zur Besiedelung mit Vermehrung von Bakterien im Tränensack, welcher sich mit Eiter anfüllt. Wenn die Blockade bereits auf der proximalen Seite des Tränenweges lokalisiert ist, also vor dem Tränensack, bei z. B. verschlossenen Tränenpünktchen oder Agenesie des Tränenkanals, dann kommt es nur zu tränenden, nicht aber zu vereiterten Augen. Nebst dem vergrösserten Tränenfilm im Auge, den vermehrten Tränen und der eitrigen Verklebung ist meist auch die periokuläre Haut gerötet durch das ständige Nässen. Das Auge selbst sieht normalerweise weiss aus. Häufig verschlimmern sich die Befunde während eines respiratorischen Infektes, da eine subtotale Stenose durch Schwellung der Nasenschleimhaut vorübergehend in eine totale umgewandelt werden kann. Bei Druck auf den Tränensack kann es zum massiven Eiteraustritt kommen. Therapie Häufig wird die wiederholte Massage des Tränensacks empfohlen mit streichenden Bewegungen Richtung Nase mit dem Ziel, auf diese Weise die Membran zu eröffnen. Mir scheint diese Vorstellung naiv, da unmöglich genügend Druck aufgebaut werden kann, um die Membran zu sprengen. Da die Selbstheilungsrate im ersten Lebensjahr durch Wachstum und somit Verbreiterung des knöchernen Kanals mit Zerreissen der Membran sehr hoch ist, wird ein kausaler Zusammenhang mit der Massage erstellt. In der Literatur konnte keine verbesserte Heilungsrate durch Massage eindeutig nachgewiesen werden. Da bis zu 70 % der Spontaneröffnungen bis im Alter von 6 Monaten auftreten, lohnt es sich, mit einer Quelle: Clinical Ophthalmology von Jack J. Kanski, Second Edition 1988. S. 52 (Mit freundlicher Genehmigung von Butterworth & Company und Elsevier Verlag) Am nasalen Ende des Ober- und Unterlides liegen die Tränenpünktchen: kleine Öffnungen, die den Beginn der Tränenkanälchen darstellen. Diese führen zum Tränensack, der noch unter der Haut liegt, und danach durch den Knochen als Ductus nasolacrimalis bis in die Nase mit Austritt unter der unteren Nasenmuschel. Ursache Der Ductus nasolacrimalis entsteht während der Schwangerschaft durch Apoptose im soliden Gewebe und ist idealerweise bei Geburt voll ausgebildet. Bei ca. 5 % der gesunden Neugeborenen ist diese Kanalbildung unvollständig2. Die chronische Konjunktivitis mit vermehrten Tränen bei

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