KINDERÄRZTE.SCHWEIZ 2/2023

02 / 2023 FRÜHLINGSTAGUNG KINDERÄRZTE. SCHWEIZ 17 Ärztinnen und Ärzte Referat 1: Infektiologie Nicht-endemische Infektionskrankheiten im Kindesalter Das erste Fallbeispiel aus dem Inselspital erscheint zuerst sehr banal: eine Angina lacunaris. Mit den zusätzlichen Symptomen Schnupfen und Husten sind sich die meisten in der interaktiven Abstimmung einig, dass es keine weitere Diagnostik braucht. Oder doch?? Eine erweiterte Anamnese ist nie falsch, meint Philipp Agyeman. Der Knabe stammt aus Russland und ist ungeimpft, hat die letzten 2 Monate in einer Gemeinschaftsunterkunft gelebt. Tatsächlich hat er eine Rachen-Diphterie, welche mit einem normalen Rachenabstrich auf Bakterien festgestellt werden kann. Eine sofortige Behandlung mit Antitoxin ist nötig, um die schweren Folgen einer Myocarditis (30%), Hirnnervenparese, peripherer Neuritis (5%) oder Nierenversagen zu verhindern sowie natürlich eine Umgebungsabklärung und -impfung. Auch an die zweite Form, die Haut-Diphterie, ist bei Ulzerationen bei Menschen mit entsprechenden Risikofaktoren (schlechte Gesundheitsversorgung mit fehlenden Impfungen und Migration aus Risikoländern) zu denken. In der medizinischen Versorgung von Flüchtlingen sind screeningmässig gewisse Krankheiten zu suchen. Welche Diagnostik je nach Herkunftsland sinnvoll ist, ist den Empfehlungen auf pigs.ch zu entnehmen. Die Tuberkulose (Tb) ist nicht zuletzt aufgrund des Ukraine-Krieges auch in der Schweiz wieder ein aktuelles Thema. Gerade Kinder unter 5 Jahren sind bei Exposition für eine aktive Krankheit stark gefährdet. Hier sind eine rasche Abklärung und prophylaktische Therapie (auch bei erstem negativen IGRA-Test [InterferonGamma-Release-Assay]) wichtig. Das Vorgehen steht im Handbuch der Lungenliga. Erfreulich ist, dass neu die Diagnostik auch aus Stuhlproben, welche einfacher als Magensaft zu gewinnen sind, möglich ist. Ebenso dauert gemäss WHO die Therapie einer unkomplizierten Tb bei einem Kind nur noch 4 Monate. Da bei Kindern unter 10 Jahren selten Kavernen vorhanden sind, ist die Infektiosität gering. Somit muss ein Kind mit einer aktiven Tb nicht isoliert werden. REFERENT: PD DR. MED. PHILIPP AGYEMAN Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin FMH und Facharzt für Infektiologie FMH, Oberarzt Kinderinfektiologie am Inselspital Bern AUTOR: DR. MED. STEFANIE GISSLER WYSS Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin FMH, Mitglied Redaktionskommission, Neuendorf Korrespondenzadresse: s.gissler@hin.ch In einem weiteren Fallbeispiel wird Fieber nach einer Tropenreise behandelt. Gemäss Exposition muss eine Malaria oder Typhus ausgeschlossen werden. Ebenso müssen die Warnzeichen für eine schwere DengueInfektion, wie im geschilderten Fall, beachtet werden. Thrombopenie, erhöhter Hämatokrit und erhöhtes Hb können in der kritischen Phase Vorboten eines hämorrhagischen Fiebers mit Risiko für Schock oder gar Tod sein. Hilfreich für uns in der Praxis ist die Website healthytravel.ch, auch mit praktischen Merkblättern zum Ausdrucken, für die Reiseberatung. Denn wie immer ist die Prophylaxe der Krankheiten einfacher als die Behandlung. ■ Elina, 5 Jahre Quelle: Präsentation PD Dr. med. Philipp Agyeman

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