KINDERÄRZTE.SCHWEIZ 2/2023

02 / 2023 FRÜHLINGSTAGUNG KINDERÄRZTE. SCHWEIZ 19 Ärztinnen und Ärzte Referat 2: Dermatologie Vesikulobullöse & pustulöse Dermatosen im Kindesalter Flüssigkeit enthaltende Hautbläschen nennt man Vesikel (< 5 mm), Blasen (> 5 mm) oder Pusteln (letztere enthalten Eiter/Pus). Wichtig für die Beurteilung der Hauteffloreszenzen ist ihre Verteilung: Treten sie gruppiert oder disseminiert auf? Wo am Körper treten sie auf? Und nicht zuletzt: Wie alt ist das Kind? Bei Neugeborenen treten häufig transiente pustulöse Hautveränderungen auf. So betrifft die neonatale cephale Pustulose (2. bis 4. Woche) ca. 50% aller Säuglinge. Sie werde manchmal als «Babyakne» bezeichnet, obwohl sie mit der echten Akne eigentlich nichts zu tun habe, weshalb dieser Begriff irreführend sei, sagte die Referentin. Die neonatale cephale Pustulose zeichnet sich durch erythematöse Papeln und Pusteln vor allem an Gesicht, Stirn und Oberkörper aus (keine Komedonen!). Zwingend behandlungsbedürftig ist sie trotz des zuweilen beängstigend ausgeprägten Erscheinungsbilds nicht. Es ist jedoch sinnvoll, fettige Pflegemittel zu vermeiden und ein topisches Antimykotikum (z.B. Ketoconazol als Shampoo oder Creme, Ciclopirox-Creme) anzuwenden; ggf. kann auch ein mildes topisches Steroid der Klasse 1 bis 2 eingesetzt werden (1% Hydrokortison, Prednicarbat). REFERENTIN: DR. MED. AGNES SCHWIEGER-BRIEL Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin FMH und Fachärztin für Dermatologie FMH, Oberärztin Zentrum Kinderhaut am UniversitätsKinderspital Zürich, Praxistätigkeit in der Youkidoc Praxis Basel AUTORIN: DR. RENATE BONIFER Redaktorin «Pädiatrie» Schaffhausen Korrespondenzadresse: renate.bonifer@rosenfluh.ch Angesichts der Vielzahl relativ harmloser Hautphänomene bei Neugeborenen stellt sich die Herausforderung, schwerwiegende Erkrankungen nicht zu verpassen. Als Faustregel gilt: Asymmetrische Dermatosen sind häufig schwerwiegender als symmetrische und bei gruppierten Bläschen muss an einen neonatalen Herpes gedacht werden, der dringend behandlungsbedürftig ist. Ohne Therapie liegt die Letalität bei einem neonatalen Herpes simplex je nach Ausdehnung und Organbeteiligung bei bis zu 50 bis 85%; und 65% der überlebenden Kinder mit einer ZNS-Beteiligung leiden unter Spätfolgen. Mit Therapie werden die Raten an Todesfällen bzw. Spätfolgen um bis zu 50% reduziert. Die Langerhanszell-Histiozytose (LCH) ist eine weitere Erkrankung, die man nicht verpassen darf. Typisch für LCH sind bräunlich-verkrustete, zum Teil purpuriforme Papeln und kleine Ulzerationen an Rumpf und Kopfhaut und häufig in den Leisten. Diese Kinder müssen onkologisch betreut werden. «Zum Glück ist aber nicht alles, was rötlich-braune Papeln auf der Kopfhaut macht, tatsächlich eine LCH», sagte die Referentin und zeigte als Beispiel ein Kind von 15 Monaten mit der viel häufiger auftretenden, schubweise verlaufenden, eosinophilen pustulösen Follikulitis [Bild B], mit einem auf den ersten Blick und vor allem am Kopf vielleicht ähnlichen Erscheinungsbild wie bei LCH. Breit ist das Spektrum der infektiös bedingten vesikulären und pustulösen Hauteffloreszenzen. Zu den Erregern gehören Parasiten (Skabies, bei kleinen Kindern typischerweise palmoplantar [Bild C] oder seltener auch DemodexMilben), Viren, Bakterien, Pilze oder Hefen. Auch hier gibt es altersspezifische Phänomene. Zum Beispiel spielen Infektionen mit Coxsackieviren bei Neugeborenen nur selten eine Rolle, sondern sie werden erst ab dem späteren Säuglings- und Kleinkindalter mit der hoch ansteckenden Hand-Mund-Fuss-Erkrankung relevant. Beim Eczema coxsackium [Bild D] handelt es sich um ein ausgeprägtes Exanthem mit Papeln, Vesikeln und Krusten, das sich in den Arealen eines früheren Ekzems oder anderer Störungen der Hautbarriere (z. B. Windeldermatitis, Sonnenbrand) ausbreitet. Diese Kinder haben oft leichtes Fieber, sind aber in einem relativ guten Allgemeinzustand. Wichtig ist hier die Differenzialdiagnose des dringend behandlungsbedürftigen und gefürchteten Eczema herpeticatum (Herpesinfektion). Im Zweifelsfall solle man grosszügig eine PCR beauftragen, sagte die Referentin. Varizelleninfektionen (VZV) können ähnliche Hauteffloreszenzen bewirken und einen sehr ausgeprägten Verlauf nehmen, weswegen man unter Ekzemen leidende Kinder unbedingt gegen VZV impfen solle, fügte sie hinzu. ■ A: Transiente neonatale pustulöse Melanose am Arm; B: Eosinophile pustulöse Follikulitis; C: Skabies an der Handfläche; D: Eczema coxsackium Oberschenkel (Fotos: A. SchwiegerBriel, Universitäts-Kinderspital Zürich). Weitere transiente Hauteffloreszenzen bei Neugeborenen sind die transiente neonatale pustulöse Melanose ([Bild A]; Beginn Tag 0–1; keine Therapie nötig), das Erythema toxicum neonatorum (Tag 1–4; betrifft ca. 50% aller reifen Neugeborenen; nie palmoplantar, falls ja, an Candida denken) und die Miliaria cristallina (Woche 1–2), die zu einer Miliaria rubra werden kann (3. bis 4. Woche, auch bei Kleinkindern). Bei Miliaria rubra hilft es, Trigger wie Hitze und stark fettende, okklusive Pflegemassnahmen zu reduzieren und antiseptische Waschlösungen zu verwenden; manchmal ist auch eine kurzzeitige Behandlung mit einem niedrigpotenten topischen Steroid sinnvoll.

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