KINDERÄRZTE.SCHWEIZ 1/2023

FORTBILDUNG: THEMENHEFTTEIL 01 / 2023 KINDERÄRZTE. SCHWEIZ 34 Exkurs: Die Gebärden-unterstützte Kommunikation (GuK) Die sprachliche Entwicklung von Kindern mit kognitiven Beeinträchtigungen zeigt oft eine allgemeine Verzögerung. Für diese Kinder hat es sich als hilfreich erwiesen, bereits in der Frühförderung auch ergänzende Möglichkeiten der Kommunikation anzubieten. Dabei haben sich – soweit keine erheblichen motorischen Beeinträchtigungen vorliegen – Gebärden als eine wichtige Unterstützung bewährt, um den Kindern sowohl das Verstehen als auch das Mitteilen zu erleichtern. Für Kinder, die hören können und sprechen lernen sollen, ist aber zu beachten, dass ihre lautsprachliche Orientierung in der frühen Entwicklung unterstützt und nicht gefährdet wird. Gebärden haben für diese Kinder keine die Lautsprache ersetzende, sondern eine unterstützende Funktion, anfangs vor allem für das Verstehen und dann auch für das Mitteilen. Mit Gebärden-unterstützter Kommunikation bezeichne ich ein Verfahren (Wilken 2000), das sich an kleine hörende Kinder wendet, die noch nicht sprechen können. Der Begriff Gebärden-unterstützte Kommunikation (GuK) soll die spezielle Zielsetzung im Unterschied zur allgemeinen Gebärdensprache für Gehörlose verdeutlichen. Dabei wird die Prosodie als eine wesentliche kommunikative Orientierungshilfe betont (Grimm 2012, 23). Sprachbegleitende Gebärden können die Kommunikation mit Kindern, die (noch) nicht sprechen, erleichtern. Sie bieten uns oft «ein Fenster zum Denken des Kindes». Basale sprachrelevante «Vorausläuferfähigkeiten» (Grimm 2012, 25) sind auch mit Gebärden zu vermitteln und können dadurch die kognitiven Grundlagen des Spracherwerbs unterstützen. Bei der Auswahl der GuK-Gebärden wurden die motorischen Fähigkeiten kleiner Kinder bezüglich schwieriger Fingerstellungen berücksichtigt und auf die für Gehörlose wichtige Mundgestik und Inkorporation wurde verzichtet. Dagegen spielen die natürliche Mimik und die Prosodie eine wesentliche Rolle. Weil nur einzelne bedeutungstragende Wörter mit Gebärden begleitet werden, gibt es keine negativen Auswirkungen auf Syntax und Grammatik. Auch die für das Verständnis der Gebärden nötigen kognitiven Voraussetzungen werden bei GuK beachtet. Es wurden deshalb möglichst transparente Gebärden ausgewählt, die von kleinen Kindern und von schwerer beeinträchtigten Personen leichter gelernt und behalten werden können. Denn im Unterschied zu Wörtern sind viele Gebärden transparent, d.h. durch die Übernahme eines kennzeichnenden Merkmals des jeweiligen Begriffs wird auch ein entsprechendes Bild davon vermittelt. Deshalb müssen aber einige Begriffe kontextabhängig verschieden gebärdet werden, z.B. ob ein Buch oder eine Person dick ist. Die Gebärden bei GuK haben die Aufgabe, nur so lange die Kommunikation zu unterstützen, bis das Kind hinreichend sprechen kann. Oft repräsentieren die GuK-Gebärden ein grösseres Begriffsfeld. Die Gebärde für «gut» kann eingesetzt werden für «Lob» und sprachlich unterschiedlich begleitet werden z. B. mit «das hast du gut gemacht» oder «super». Gleiches gilt für Tadel, Verbot oder für fertig bzw. Schluss, Ende, aufhören. Das begleitende Sprechen und die Prosodie ermöglichen dann die entsprechende Differenzierung («hör auf!» oder «jetzt sind wir fertig!»). Gebärden haben nachweislich keine negativen Auswirkungen auf den Spracherwerb, sondern können im Gegenteil das Lernen sprachrelevanter Fähigkeiten unterstützen (Wagner, Sarimski 2013). Mit der Gebärde für «wütend» teilt dieser 1½-jährige Junge mit, dass er meint, die mauzende Katze ist wütend. Vor allem für kleine Kinder mit Down-Syndrom, die noch nicht sprechen, wurde die Gebärden-unterstützte Kommunikation – GuK entwickelt (Wilken 2000). Sie fördert das Verstehen und Mitteilen sowie basale sprachrelevante Fähigkeiten. Auch frustrierende Kommunikationssituationen können dadurch vermindert werden, was oft positive Auswirkungen auf das Verhalten hat. (Chapman 1999) und die Entwicklung der sprachlichen «Vorausläuferfähigkeiten» (Grimm 2012) sowie der kognitiven Grundlagen zu unterstützen. Dabei haben sich besonders Gebärden zur frühen Förderung der Kommunikation bewährt (Bates, Dick 2002, Clibbens 2001, Kumin 1994). Fotos: Heide Breitel

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