KINDERÄRZTE.SCHWEIZ 1/2023

Das Programmheft zur Kinderärzte Schweiz Jahrestagung 2023 «Psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen – ein Bal(l)anceakt» liegt dieser Ausgabe bei. Anmeldungen nehmen wir ab dem 4. April 2023 um 19.00 Uhr auf www.jahrestagung.ch entgegen.

In der Druckausgabe befindet sich auf dieser Seite ein Hinweis für medizinische Fachpersonen.

01 / 2023 INHALT / IMPRESSUM KINDERÄRZTE. SCHWEIZ 3 © Kinderärzte Schweiz ■ HABEN SIE ANREGUNGEN, KRITIK ODER LOB? Dann schicken Sie uns eine E-Mail an: info@kis.ch Wir freuen uns. EDITORIAL 5 Trisomie-21 INTERN 7 « Weniger Druck – mehr Effizienz»: Selbstfürsorge für Praxispädiater VERBANDSZIELE 8 J ahresbericht Expertengruppe Kinder- und Jugendmedizin 2022 PINNWAND 11 Lesenswertes aus dem KIS Vorstand, unseren Arbeitsgruppen und dem Rest der Welt NACHHALTIGKEIT IN DER PÄDIATRIE 12 Vorsorge – VorSORGE BERUFSPOLITIK 14 mfe VERNETZUNG 15 Wie Eltern und deren Kind begleiten nach belastender vorgeburtlicher Diagnostik? 16 Schweizer Vorlesetag DIE MPA SEITE 17 Hospitation für MPAs und Praxisteams FORTBILDUNG: THEMENHEFTTEIL 18 Gesundheit und Vorsorge bei Kindern und Jugendlichen mit Down-Syndrom 26 Ethik und Trisomie-21 29 Atlanto-axiale Instabilität bei Trisomie-21 32 Entwicklungsbegleitende logopädische und sprachliche Förderung von Kindern und Jugendlichen mit Down-Syndrom 38 Obstruktive Schlafapnoe bei Trisomie-21 41 Warum eine Trisomie-21-Sprechstunde? 43 Ein guter Start mit Trisomie-21 46 Trisomie-21 – ein Erfahrungsbericht 48 Hilfreiches zum Thema Trisomie-21 JAHRESTAGUNG 51 Am Puls der Zeit: Psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen KURSE/WORKSHOPS/FORTBILDUNGEN 52 Kurse KIS 53 Veranstaltungskalender 53 Die gute Fortbildung REDAKTIONELLE SEITEN 54 Praxistour: Kinderarztpraxis Purzelfabrik in Ziegelbrücke ERFAHRUNGSBERICHT 56 «… mit Haut und Haaren: Workshop pädiatrische Dermatologie» 57 Die Nadel im Heuhaufen 58 Akupunktur in der Kinderarztpraxis – wie einfache Techniken den Arbeitsalltag erleichtern DAS GUTE KINDERBUCH FÜR DIE PRAXIS 59 Herr Bert und Alfonso jagen einen Dieb Das liebe Krokodil Drucksache myclimate.org/01-23-196652 IMPRESSUM REDAKTIONSTEAM: Dr. med. Matthias Furter, Winterthur; Dr. med. Stefanie Gissler Wyss, Neuendorf; Dr. med. Raffael Guggenheim, Zürich; Dr. med. Irmela Heinrichs, Uster (Leitung); Dr. med. Cyril Lüdin, Muttenz; Dr. med. Nadia Sauter Oes, Winterthur; Dr. med. Martin Schmidt, Rheinfelden; Dr. med. Jürg C. Streuli, Uznach; Dr. med. Kerstin Walter, Bern; Dr. Daniel Brandl, PhD, Geschäftsführer, Dietikon HERAUSGEBER: Kinderärzte Schweiz, Löwenstrasse 17, 8953 Dietikon ABO: 4 Ausgaben/Jahr: Fr. 48.– inkl. Porto (für Mitglieder inklusive) Spezialpreis für MPAs, Mütter- und Väterberatungsstellen sowie Nonprofit-Organisationen im Bereich Kinder- und Jugendgesundheit: Fr. 32.– inkl. Porto BILDER / ILLUSTRATIONEN: Patrick Lüthy-IMAGOpress.com/Praxis Stefanie Gissler Wyss, Kinderärzte Schweiz, Deniz Kivanc, Medela, Stiftung Theodora, Stiftung allani Kinderhospiz, Irmela Heinrichs, Shutterstock, kindsverlust.ch, SIKJM, mpaschule.ch, Kinderarztpraxis Kapellenstrasse Bern, Daniel Studer, Heide Breitel, Andreas Jung, Familie Lorca, hope21.ch, Kerstin Walter, Praxis Purzelfabrik/Rosa Costanza, Daniel Brandl, Kirsten Schiesser, Nicole Dusoczky, Anna Bewer und Mercedes Ogal, atlantis Verlag, Aracari Verlag KORRESPONDENZ: Kinderärzte Schweiz Löwenstrasse 17, 8953 Dietikon Telefon 044 520 27 17 info@kis.ch, www.kis.ch INSERATE: Dr. med. Cyril Lüdin, cyril@luedin.eu GRAFIK, SATZ UND DRUCK: Vogt-Schild Druck AG, CH-4552 Derendingen Auflage: 1250 Expl. Nächste Ausgabe: 02/2023 Redaktionsschluss: 17. April 2023 ISSN 2296-2549 (Print) ISSN 2673-4656 (Online) GENDERGERECHTE SPRACHE: Wir achten in unseren Artikeln auf gendergerechte Sprache. Das heisst, wir beziehen Frauen und Männer gleichermassen in unsere Texte ein, denn Frauen fühlen sich mit der männlichen Form nicht automatisch mitgemeint. Präferenziell wird eine genderneutrale Sprache verwendet. Wenn dies nicht möglich ist, wird zwischen männlicher und weiblicher Form alterniert, jedoch ohne Wertungen/Diskriminierungen (wie z. B. «Professoren und Studentinnen»), bzw. solche Wertungen sollen sich abwechseln. In Ausnahmefällen ist die schwerfällige Beidnennung männlich/ weiblich möglich; diese versuchen wir jedoch zu vermeiden.

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01 / 2023 EDITORIAL KINDERÄRZTE. SCHWEIZ 5 Die Themen der folgenden Hefte sind: News 02/2023: Ophthalmologie News 03/2023: Autismus News 04/2024: Jahrestagung News 01/2024: Suchtverhalten Liebe Leserinnen und Leser Wir alle betreuen in unseren Praxen Kinder mit Trisomie-21 und ihre Familien. Diese Aufgabe ist wichtig, erfüllend, immer wieder herzerwärmend – und oft sehr herausfordernd. Dabei beschäftigen uns wichtige medizinische Fragen und Themen: Wann soll welche Kontrolle stattfinden? Muss das Kind mit Trisomie-21 neben den Vorsorgeuntersuchungen zum Kardiologen, zur Kinderorthopädin, zum Logopäden, in die HNO-Abklärung und zur regelmässigen Blutkontrolle? Wie überwache ich das Wachstum und die Entwicklung dieser Kinder? Mache ich zu viel oder zu wenig? Gerade diese letzte Frage stellen sich auch die engagierten Eltern und Therapeutinnen der Kinder. Leider ist sie nicht immer einfach zu beantworten, sondern führt vielmehr direkt weiter zu den ebenso wichtigen ethischen Fragen rund um das Thema Trisomie-21. Im vorliegenden Themenheft haben wir versucht, möglichst viele der oben gestellten Fragen zu beantworten. Das Heft soll helfen, die Kompetenz des Praxispädiaters rund ums Thema Trisomie-21 zu stärken und es soll zum Nachdenken anregen. Was ist denn eigentlich die Rolle der Kinderärztin für Familien mit Trisomie-21 Kindern? Egal, wie sehr wir uns engagieren und wie gross die medizinischen Fortschritte in den vergangenen Jahrzehnten gewesen sind, scheint es doch so, dass betroffene Familien noch immer in einem andauernden Konflikt zwischen Akzeptanz und Ablehnung leben (müssen). Einerseits liebt man sein Kind, andererseits ist man Teil einer Gesellschaft (der Referenzwert), welche Beeinträchtigungen weiterhin wenig akzeptiert. Diese innere Zerrissenheit sollte uns als Kinderarzt bewusst sein, wenn es um die Begleitung der Familien geht. Die Konsequenz daraus sollte sein, dass wir die Familien so unterstützen, dass sie möglichst angemessene Entscheidungen treffen können und sich getragen fühlen. Bei der Planung und Umsetzung dieses Heftes waren wir sehr beeindruckt vom grossen Interesse und der enormen Motivation der Autoren und Autorinnen, etwas zum Thema beitragen zu können. Wir hätten spielend zwei Hefte mit Texten zu Trisomie-21 füllen können. Allen Beteiligten einen grossen Dank! Neben den gewohnten Beiträgen zu Berufspolitischem, Erfahrungsberichten von Fortbildungen und Buchrezensionen findet ihr in diesem Heft eine neue Rubrik: «Nachhaltigkeit in der Pädiatrie». Vorsorge bei Kindern, der nächsten Generation, darf sich nicht nur auf Entwicklungskontrollen beschränken, Nachhaltigkeit nicht Halt machen vor der Praxistür. Wer sich zu diesem Thema ebenfalls Gedanken macht und etwas beisteuern möchte, darf sich gerne bei der Redaktionskommission melden. Neu ist seit dieser Ausgabe auch das Erscheinungsbild der Titelseite. Unser erstes Titelbild mit grossformatigem Foto zeigt Gion bei der Vorsorgeuntersuchung in der Praxis von Stefanie Gissler Wyss. Gion wird uns auch auf weiteren Seiten im Heft wieder begegnen. Vielen Dank an Gion, seine Eltern und die Kinderärztin, dass wir diese Bilder abdrucken dürfen. Wir wünschen euch einen erfüllten und erfüllenden Praxisalltag! Für die Redaktionskommission Sven Hormann, This Furter, Nadia Sauter Oes SVEN HORMANN FACHARZT FÜR KINDER- UND JUGENDMEDIZIN, LEITENDER ARZT PÄDIATRISCHE KARDIOLOGIE, KANTONSSPITAL WINTERTHUR Korrespondenzadresse: sven.hormann@ksw.ch DR. MED. MATTHIAS FURTER CO-EDITOR, MITGLIED REDAKTIONSKOMMISSION, WINTERTHUR Korrespondenzadresse: matthias.furter@hin.ch DR. MED. NADIA SAUTER OES CO-EDITORIN, MITGLIED REDAKTIONSKOMMISSION, WINTERTHUR Korrespondenzadresse: nadia.sauter@oes.ch Trisomie-21

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01 / 2023 INTERN KINDERÄRZTE. SCHWEIZ 7 DR. MED. IRMELA HEINRICHS VORSTANDSMITGLIED KINDERÄRZTE SCHWEIZ, LEITERIN REDAKTIONSKOMMISSION, USTER Korrespondenzadresse: irmela.heinrichs@gmail.com «Weniger Druck – mehr Effizienz»: Selbstfürsorge für Praxispädiater Kinderärzte Schweiz Impulsatelier vom 2. Februar 2023 Unsere vielbelesene und bücherliebende Teilnehmerin Sabine Zehnder empfiehlt uns aus ihrem Fundus die folgenden Texte zum Thema: ■ Judith Stoletzky, Yoga while you wait, Becker Joest Volk Verlag ■ Manfred Vogt, WOWW in Aktion: Lösungsfokussierte Praxis macht Schule, Verlag modernes Lernen ■ Insoo Kim Berg & Lee Shilts, Der WOWW Ansatz: Handbuch für lösungs(er)schaffende Strategien im Unterricht, ZLB Zentrum für lösungsorientierte Beratung, Winterthur Psychologists for Future, Die 10 Säulen der Selbstfürsorge www.psychologistsforfuture.org Wir als Kinderärztinnen kümmern uns jeden Tag um unsere Patienten, deren Eltern sowie um unsere eigenen Familien. Aber achten wir auch auf uns selbst? Dass wir mit «Selbstfürsorge» ein hochaktuelles Thema für unser diesjähriges Impulsatelier gewählt hatten, zeigten uns schon die vielen Anmeldungen nach der ersten Ausschreibung – der Workshop war innert kurzer Zeit ausgebucht. Zum Anfang führte uns Ladina Ambauen, Yogalehrerin und Meditationscoach aus Berlin, während fünf Minuten durch ein paar entspannende Yogaübungen. Unkompliziert und ohne viel Aufwand – zwischen den Stühlen des vollbesetzten Sitzungszimmers in den neuen Räumlichkeiten der KIS Geschäftsstelle in Dietikon. Sie muss gar nicht immer aufwändig sein, die Selbstfürsorge! Die erfahrene Organisationsberaterin Odette Häfeli von good people tomorrow aus Basel referierte im ersten Block mit vielen anschaulichen Beispielen aus dem Gesundheitswesen, warum es «extrem wichtig ist, sich selbst zu führen». Weil wir so viel Zeit in unserem Arbeitsumfeld verbringen, muss unser Ziel sein «beim Schaffen glücklich zu sein»! Was braucht es dazu? Was können wir als Einzelne dafür machen? Wie muss eine Organisation aufgestellt sein, um glückliche Mitarbeiter zu haben? Frau Häfeli erklärte uns, wieso es essenziell ist, eine Vision zu haben, und warum die Sinnhaftigkeit von Arbeit zu mehr Effizienz und Zufriedenheit führt. Und von welch essenzieller Bedeutung gerade für uns Selbstständige, die selbst und ständig arbeiten, Auszeiten und Pausen sind. Im Raum des Fitnessstudios im gleichen Gebäude hat uns Ladina Ambauen verschiedene Yogaübungen im Stehen und Liegen gezeigt – es war beeindruckend, wie 24 Kinderärzte ganz leise und konzentriert in verrenkten Körperhaltungen auf ihren Matten ausharrten. Im zweiten interaktiven Teil mit Odette Häfeli ging es um «Energieräuber» und «Energiespender», die es im Alltag zu erkennen gilt: ■ Welches sind unsere Energiequellen? ■ Was sind unsere Triggerpunkte, die uns wütend machen? ■ Helfen uns Dankesspaziergänge? ■ (An)erkennen wir gelungene Momente und gut gemeisterte Situationen? ■ Hilft uns ein positiv formuliertes Passwort, welches wir so oft am Tag eintippen? ■ Oder brauchen wir ab und zu eine kurze Pause auf der Terrasse/im Garten? Auch die anregenden Gespräche und der animierte Austausch beim gemütlichen Apéro dienten der Selbstfürsorge – wir liessen es uns gutgehen und weihten die neue Geschäftsstelle ein. Es waren dabei Wortfetzen zu hören wie: «Die wichtigste Erkenntnis von heute war: es würde mir eben doch guttun, das Yoga …» oder «Wahrscheinlich ist es das Wichtigste, was wir machen müssen, um für uns selbst zu sorgen. Es müsste ein Pflichtfach sein.» Hoffentlich nehmen wir alle in unseren hektischen Alltag die Erkenntnis mit, wie wichtig es ist, auf sich selbst zu achten. ■ Fotos: Deniz Kivanc

KINDERÄRZTE. SCHWEIZ 8 VERBANDSZIELE 01 / 2023 Die Expertengruppe Kinder- und Jugendmedizin wurde 2018 als Plattform für gesundheitspolitische Themen der Kinder- und Jugendmedizin gegründet. Ziel der Gruppe ist es, politische Lösungen für strukturelle Herausforderungen zu erarbeiten und die Gesundheitsversorgung der Kinder und Jugendlichen in der Schweiz sowie ihrer Familien auch in Zukunft sicherzustellen. Innerhalb der Gruppe tauschen sich Politiker aller Couleur regelmässig mit Expertinnen der Kinder- und Jugendmedizin aus, um die Anliegen der Kinder- und Jugendmedizin ins Parlament zu bringen. In der Expertengruppe sind Fachärzte für Kinder- und Jugendmedizin und Kinderchirurgie, Kinder- und Jugendpsychiaterinnen und -psychologen, pädiatrische Pflegefachpersonen, Kinderzahnärztinnen sowie Kinderspitäler vertreten. pädiatrie schweiz ist die Hauptträgerorganisation und Kinderärzte Schweiz ist seit Anfang 2022 aktives Mitglied dieses Gremiums. Als Geschäftsführer und erfahrener Lobbyist fungiert der bestens vernetzte Experte für Gesundheitspolitik Walter Stüdeli der Firma Köhler, Stüdeli & Partner in Bern. DR. MED. MARC SIDLER PRÄSIDENT KINDERÄRZTE SCHWEIZ, BINNINGEN Korrespondenzadresse: marc.sidler@hin.ch Jahresbericht Expertengruppe Kinder- und Jugendmedizin 2022 Im Jahr 2022 haben sechs Onlinesitzungen sowie ein physisches Treffen stattgefunden. Nebst den Standardtraktanden Covid-19 und Ukraine-Krieg wurden im vergangenen Jahr vier Themen prioritär bearbeitet: Psychische Gesundheit; Versorgung in der Peripherie; Datenlage und Kostendeckungsgrad. Weitere wichtige Anliegen waren Ausnahmen der Zulassungen bei nachgewiesener Unterversorgung sowie die Erarbeitung eines klinischen Tools zur Vermeidung von Dosierungsfehlern in der Kindermedizin. Nachstehend präsentieren wir euch eine kurze Zusammenfassung der wichtigsten Themata: Covid-19/RSV/überlastete Spitäler Nach der Entschärfung der Covid-19-Situation im Laufe des Jahres sind im Herbst das RS-Virus und die überlasteten Spitäler in den Vordergrund getreten. pädiatrie schweiz hat einen Medienbericht verfasst, welcher von Kinderärzte Schweiz mitgetragen wurde. Das darauffolgende Interesse war gross, mit entsprechenden Anfragen von verschiedenen Medien (siehe Kinderärzte Schweiz Webseite, Rubrik «KIS in den Medien 2023»). Ukraine-Krieg Um unbürokratische Hilfe an Kinder- und Jugendspitäler in der Ukraine zu leisten, wurde eine Arbeitsgruppe gebildet. Auf Initiative der Expertengruppe hat Nationalrätin Sandra Locher Benguerel (SP GR) im Parlament eine Interpellation eingereicht mit dem Ziel, dass aus der Ukraine geflüchtete Ärztinnen und Ärzte in der Schweiz ihre Landsleute behandeln könnten. Leider sah der Bundesrat hier keine Möglichkeit, eine unbürokratische Lösung zu finden. Die Expertengruppe hat wiederholt darauf hingewiesen, dass die Bereitstellung von qualifizierten Dolmetschenden im Rahmen medizinischer Behandlungen eine wichtige Dienstleistung darstellt und die Kosten zu vergüten seien. Ständerat Damian Müller (FDP LU) und Co-Präsident der parlamentarischen Gruppe Kinder- und Jugendmedizin hat daraufhin eine entsprechende Interpellation eingereicht. Besprechungen mit SEM, BAG und Parlamentariern sind geplant.

KINDERÄRZTE. SCHWEIZ 9 01 / 2023 VERBANDSZIELE Psychische Gesundheit Während der Covid-Pandemie haben psychische Probleme von Kindern und Jugendlichen stark zugenommen. Die Expertengruppe hat mit EDI, BAG und GDK Kontakt aufgenommen und eine Arbeitsgruppe gebildet, welche sich zweimal mit Mitgliedern der parlamentarischen Gruppe ausgetauscht hat. Das BAG hat im Juni 2022 zum Runden Tisch «Versorgungssituation in der Kinder- und Jugendpsychiatrie» eingeladen. Es wurden eine Kurzfassung kurzfristiger Massnahmen zur Verbesserung der Versorgungssituation sowie Dokumente mit niederschwelligen Beispielen von «Good Practices» erarbeitet. Versorgung in der Peripherie Dieses Thema wurde wegen anderen Prioritäten im Jahr 2022 nicht in Angriff genommen. Datenlage Die Frage der Datenlage für Kinder- und Jugendmedizin wurde im vergangenen Jahr mit niedriger Priorität weiterverfolgt, da die Arbeiten des BAG abgewartet werden sollten. Letzteres plante, 2022 in Workshops mit Expertinnen aus allen Bereichen der Kinder- und Jugendmedizin den priorisierten Bedarf an Daten zu erfassen. Das Indikatorenset soll bis im Frühjahr 2023 spezifiziert sein. Kostendeckungsgrad Mit der deutlichen Annahme der Motion «Mehr Zeit für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen» hat das Parlament den Bundesrat damit beauftragt, einen Erlass zu entwerfen, welcher die Grundlage dafür schafft, dass die Besonderheiten der Kinder- und Jugendmedizin zukünftig in den Sozialversicherungstarifen adäquat abgebildet werden. Eine Arbeitsgruppe innerhalb der Expertengruppe hat einen Umsetzungsvorschlag erarbeitet. Nach einem Treffen mit einer Delegation des EDI/BAG scheint es, als ob der Wille zur Umsetzung dieser Motion fehle. Ausnahmen Zulassung bei nachgewiesener Unterversorgung Die Versorgung mit Kinderärzten hat sich seit der Inkraftsetzung der neuen Zulassungsregeln vom 1. Januar 2022 verschlechtert. Mithilfe der Expertengruppe wurde eine parlamentarische Initiative lanciert, welche Ausnahmen von der dreijährigen Tätigkeitspflicht bei nachgewiesener Unterversorgung verlangt. Diese soll für Kindermedizinerinnen, Kinder- und Jugendpsychiater, Kinder- und Jugendpsychotherapeutinnen und Allgemeinmediziner gelten. Mit der Unterstützung durch den Bundesrat erwarten wir die Annahme und rasche Inkraftsetzung der Initiative in der Frühjahrssession 2023. Erarbeitung eines klinischen Tools zur Vermeidung von Dosierungsfehlern in der Kindermedizin Aufgrund einer Motion von Hans Stöckli (SP BE) zur Erhöhung der Arzneimittelsicherheit in der Pädiatrie mittels E-Health fanden verschiedene Sitzungen einer Arbeitsgruppe statt. Diese hat ein Dokument mit Spezifikationen und Austauschformaten erarbeitet. Dieses wird 2023 intern verabschiedet und dem BAG als konkreter Umsetzungsvorschlag der Motion zur Verfügung gestellt werden. Eine Liste der meistverwendeten Arzneimittel in der ambulanten Kindermedizin ist in Arbeit. Nebst den genannten Prioritäten hat sich die Expertengruppe in Zusammenarbeit mit der parlamentarischen Gruppe im vergangenen Jahr mit zahlreichen Vernehmlassungseingaben, verschiedenen parlamentarischen Vorstössen und diversen parlamentarischen Fragen beschäftigt. Wir hoffen, euch mit dieser kurzen Zusammenfassung einen Einblick in die wichtige, aufwändige und langwierige Zusammenarbeit zwischen Kinder- und Jugendmedizinerinnen und Parlamentariern gegeben zu haben. An dieser Stelle gebührt Walter Stüdeli und seinem Büro ein grosses Dankeschön, von dessen Netzwerk und Wissen die Gruppe und letztlich die Kinder- und Jugendmedizin sehr profitieren kann. Wertvoll ist die interprofessionelle und fächerübergreifende Zusammensetzung der Expertengruppe, welche sich für eine starke Pädiatrie im ambulanten und stationären Sektor einsetzt. Die Mühlen der Politik mahlen langsam, aber sie mahlen stetig. Wir bleiben dran! ■

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Pinnwand Medela’s Global Breastfeeding and Lactation Symposium, München und online, 23.–24. Juni 2023 Das Medela Symposium 2023 bietet erneut vor Ort und online die Möglichkeit, sich mit dem Stillen auseinanderzusetzen, ohne dass dabei Hintergedanken der Milchpulverindustrie den Blick trüben. Neben den online kostenfrei zugänglichen Vorträgen finden in München auch Live-Seminare statt. Ein «Muss» für alle, die weiterhin Muttermilch als die beste Milch für Menschenkinder ansehen. (Text/Bilder: KIS/CC-DFB) Stiftung Theodora: Vom Spitalzimmer zum Schauplatz eines magischen Abenteuers Im Juni 2022 haben kleine Patienten der Kinderspitäler Luzern und Lausanne gemeinsam mit den Traumdoktoren an einem neuen, kreativen Workshop mit dem Titel «Hinter Dem Vorhang» teilgenommen. Durch die blühende Fantasie der kleinen Patientinnen entstanden viele einzigartige Geschichten, die triste Spitalzimmer bunter machten. Aus den ausgedachten Geschichten der Kinder und Traumdoktoren ist der Film «Rosie und der Regenbogen» entstanden. Der Film kann auf www.hinterDemVorhang.ch kostenlos angeschaut werden, jedoch haben Besucher die Möglichkeit, ein Solidaritäts-Ticket zu kaufen, welches der Stiftung Theodora die weitere Arbeit in Schweizer Kinderspitälern ermöglicht. (Text/Bild: Stiftung Theodora/KIS-DFB) Redaktionskommission 1: Jahresausflug und Planungssitzung vom 17. November 2022 Als kleiner Dank für ihren unermüdlichen, grossartigen Einsatz für die «KIS News» jahrein jahraus, und um die Inhalte der Themenhefte 2024 zu diskutieren und festzulegen, waren die Mitglieder der Redaktionskommission am 17. November 2022 zu einem Ausflug und einer Planungssitzung in Winterthur eingeladen. Am Nachmittag stiegen wir im Sulzer Areal in die Katakomben und arbeiteten uns systematisch durch zwei spannende Escape Rooms des Geheimgangs 188. Nach einer interessanten Führung durch das ehemalige Industrie-Areal und der Planungssitzung im Casinotheater genossen wir ein leckeres und gemütliches Abendessen im Restaurant Fredi. (Text: KIS-DFB/Foto: Freundlicher Gast des Casinotheaters Winterthur) v.l.n.r. Martin Schmidt, Nadia Sauter Oes, Daniel Brandl, Raffael Guggenheim, This Furter, Irmela Heinrichs, Stefanie Gissler Wyss, Jürg Streuli Interprofessionelle Fachtagung von kindsverlust.ch: «Perinataler Kindstod» «Im Spannungsfeld zwischen perinataler Palliative Care und spätem Schwangerschaftsabbruch – Wie Eltern und deren Kind begleiten nach belastender vorgeburtlicher Diagnostik?» 26. Oktober 2023 in Brugg (AG) Mehr Informationen zur Fachstelle kindsverlust. ch und der Fachtagung lesen Sie im Artikel auf Seite 15 und auf beiliegendem Flyer. (Text: kindsverlust.ch/KIS-DFB) Mehr Sicherheit bei der Arzneimitteldosierung für Kinder Der Verein SwissPedDose stellt im Auftrag des Bundes allen Gesundheitsfachpersonen kostenlos die nationalen pädiatrischen Arzneimitteldosierungen zur Verfügung. Die Empfehlungen sind ein Konsens von Schweizer Fachexpertinnen und Fachexperten und basieren auf der internationalen Forschungsliteratur. Die SwissPedDoseDatenbank enthält fast 600 Dosierungsempfehlungen zu 170 verschiedenen Wirkstoffen. Neu können auch die mit den Dosierungsempfehlungen in der Schweiz verknüpften Präparate sowie deren aktuelle Verfügbarkeit abgerufen werden. Datenbank und weitere Informationen – www.swisspeddose.ch (Text: SwissPedDose) SIKJM Buchstart Tipps 2022/2023 Die Buchstart-Tipps vom Schweizerischen Institut für Kinder- und Jugendmedien SIKJM und von Bibliomedia Schweiz, mit Unterstützung des Schweizer Buchhändler- und Verleger-Verbandes SBVV, erscheinen einmal jährlich. Ein Download steht auf www.sikjm.ch zur Verfügung. Weitere Informationen zum Projekt Buchstart finden Sie auf www.buchstart.ch. (Text: SIKJM) Redaktionskommission 2: Besuch bei Vogt-Schild Am 12. Januar 2023 durften Irmela Heinrichs, Leiterin der Redaktionskommission, und Daniel Brandl, Geschäftsführer KIS, auf einem interessanten Betriebsrundgang bei VogtSchild Druck in Derendingen den Druckprozess der «KIS News» vom Layout auf dem Bild- schirm bis hin zu der zum Versand verpackten gedruckten Zeitschrift kennenlernen. Wir bedanken uns herzlich beim Vogt-SchildTeam für den freundlichen Empfang, die spannende Führung und das feine Mittagessen. (Text: KIS-DFB/Fotos: KIS-IH) Stiftung allani Kinderhospiz Bern: Spatenstich Mit dem symbolischen Spatenstich hat die Stiftung allani Mitte November 2022 den Um- und Ausbau des ersten Kinderhospizes in der Schweiz begonnen. Im Winter 2023/24 sollen die ersten Kinder mit lebenslimitierenden Krankheiten und ihre Eltern in einem schönen Zuhause auf Zeit empfangen werden. Anstelle von Give-aways für die Teilnehmenden der KIS Jahrestagung 2022 haben wir die Stiftung allani mit einer Spende von Fr. 5000.00 unterstützt. (Text/Foto: Stiftung allani Kinderhospiz/KIS-DFB) Lesenswertes aus dem KIS Vorstand, unseren Arbeitsgruppen und dem Rest der Welt

NACHHALTIGKEIT IN DER PÄDIATRIE 01 / 2023 KINDERÄRZTE. SCHWEIZ 12 DR. MED. RAFFAEL GUGGENHEIM MITGLIED REDAKTIONSKOMMISSION, ZÜRICH DR. MED. KERSTIN WALTER MITGLIED REDAKTIONSKOMMISSION, BERN Korrespondenzadresse: refoel.guggenheim@ stadtspital.ch Vorsorge – VorSORGE Wir stehen in der Verantwortung! Wir – damit sind wir Kinderärztinnen gemeint. Und – Verantwortung – damit ist das Leben für die künftigen Generationen gemeint. Wir stehen in der Verantwortung, den Kindern und Jugendlichen, die wir behandeln, eine Zukunft anzubieten, welche ökologische, soziale und ökonomische Perspektiven bietet. Einerseits haben wir eine Kernaufgabe: Erhalt der Gesundheit im Sinne der Behandlung von Krankheiten in körperlicher und psychischer Form. Andererseits sind wir seit vielen Jahren der gesundheitlichen Prävention verpflichtet: Auf dieser Basis führen wir die Vorsorgeuntersuchungen durch und beachten dabei viele gesundheitliche Aspekte der Kinder und Jugendlichen. Aber haben wir dabei auch die übergeordneten Perspektiven unserer Familien im Sinn? Im folgenden Abschnitt werden wir einige Themen aufzeigen, welche unsere Arbeit als Kinderärztinnen umfassen soll, sei es im praktischen Umgang mit Eltern und Kindern, in Bezug auf edukative Inhalte, aber auch im Umgang mit praktischen medizinischen Inhalten. All diese Themen werden wir im Laufe des Jahres auf dieser Seite weiter vertiefen. Die Vorsorge beginnt ja schon im Wochenbett. Neben den klassischen medizinischen Thematiken und der Untersuchung des Neugeborenen gilt es hier, das in der Checkliste leider nicht erwähnte Thema der Feinfühligkeit zu besprechen. Dass die Mutter feinfühlig mit ihrem Säugling umgeht, wird häufig vorausgesetzt – ist aber nicht selbstverständlich. Noch weniger ein einfühlsamer Umgang von Familien mit allenfalls gestressten Eltern. Viele Eltern fühlen sich oft mit dem anstrengenden Säugling «allein» gelassen, und oft ist der feinfühlige Umgang mit einem schreienden Säugling nicht so einfach. Und doch ist die Feinfühligkeit und die daraus entstehende sichere Bindung ein essenzieller Baustein für die Entwicklung eines Menschen und damit auch einer sorgsamen, unterstützenden und verständigen Gesellschaft. Somit denken wir, dass das Thema mindestens bewusst angesehen werden muss: Wie gehen Vater/Mutter mit ihrem Säugling um? Wie reagieren sie in einer Stresssituation wie Hunger oder Wickeln? Wie gehen die Eltern oder allenfalls anwesende Bezugspersonen miteinander um? Bei Auffälligkeiten gilt es hinzusehen und das Thema auch zu formulieren – allenfalls nach kurzer Zeit nochmals ein ruhiges Gespräch zu diesem Thema zu planen. Stillen und Pulvermilch sind natürlich ein allumfassendes Thema in der frühen Kindheit. Wir alle sind uns des Stellenwerts des Stillens bewusst und beraten die Eltern dementsprechend. Wie aber ernährt sich die Mutter? Das Thema Ernährung ist nicht nur auf den

01 / 2023 NACHHALTIGKEIT IN DER PÄDIATRIE KINDERÄRZTE. SCHWEIZ 13 Säugling zu beziehen, sondern auf die ganze Familie. Und Ernährung heisst mehr, als nur auf ausgewogenes Essen zu achten. «Der Mensch ist, was er isst!», sagt ein bekanntes Sprichwort. Und der Säugling und auch das Kind wird in Zukunft das essen, was in der Familie gegessen wird. Daher sind Themen wie «Nachhaltigkeit», «Fairness» und «wertvoll» in Bezug auf Ernährung essenziell. Ohne Rücksichtnahme auf diese Werte ist die nächste Generation demselben Egoismus und der gleichen Bequemlichkeit ausgesetzt, wie wir das nun sind. Und all dies beginnt im Familienkreis. Dabei geht es nicht nur um Schlagwörter wie Bio und Demeter, sondern um eine Grundeinstellung: «Ihr jungen Eltern habt den Entscheid getroffen, ‹Zukunft› zu gestalten, Zukunft im Sinne von eigenem Nachwuchs und auch Zukunft im Sinne einer lebensfähigen Umwelt für euren Nachwuchs.» Dieser Gedanke gehört unserer Ansicht nach genauso zur Vorsorge wie Fragen zum Durchschlafen und Aufstossen. Sie bilden die eigentliche VorSORGE für das Kind und seine Gesellschaft. Die Ernährung mit Pulvermilch ist ja stets in aller Munde. Wir fragen uns immer, wie gut diese Milchen der Muttermilch «nachgebaut» werden können. Dabei fokussieren wir uns auf die von Industrie und Spezialisten formulierten Themen der Verträglichkeit, der möglichen Allergie auf bestimmte Proteine, des Kaloriengehalts und möglichen Ueberfütterung. Wie steht es aber mit der Nachhaltigkeit einer solchen Milch? Woher kommt das Milchpulver? Wie wurden diese Kühe ernährt? Wie hoch ist die CO2-Belastung durch solche Milchen? Wie sinnvoll ist Kuhmilch tatsächlich für Menschen und bis in welches Alter? Was passiert mit dieser chemisch verarbeiteten Milch im kindlichen Körper? Vielleicht sollten wir – und unsere Fachgesellschaften – dazu klare Statements abgeben. Wir müssen uns als Kinderärztinnen abgrenzen von den industriell geführten Argumentationen und weiterführende, gesellschaftlich vorsorgende Ideen in unsere Beratung einfliessen lassen. Ja – wir müssen unser und das Denken der Eltern unserer Patienten anregen. Und häufig sind die Antworten nicht leicht und auch nicht eindeutig. Mit vier bis sechs Monaten erfolgt häufig die Einführung von Brei und Zusatznahrung, also angepasste Umstellung auf unsere alltägliche Ernährung. Dies ist wohl der wichtigste Moment, um mit Eltern das Thema Ernährung an und für sich nochmals anzugehen. Hier sind wir Kinderärztinnen oft selbst nicht klar genug: Kleinkinder brauchen nicht zwingend Fleisch- oder Fischmahlzeiten. Gerade die Herstellung dieser zwei Lebensmittel ist in der modernen Ernährung ausgesprochen problematisch und in Bezug auf Nachhaltigkeit äusserst fragwürdig. Wollen wir der nächsten Generation noch etwas natürlich bevölkerte Ozeane belassen? Und wie steht es mit dem Umgang mit Tieren und deren Ressourcen? Die Fokussierung auf eisenhaltiges Essen ist für uns zu kurzsichtig gedacht und viele Eltern können ihrem Budget gemäss ihren Kindern durchaus nachhaltige Ernährung anbieten. Thema ist nicht nur eine ausgeglichene, sondern eine ressourcengerechte Ernährung! Je älter das Kind, desto mehr kommt es ins Spielalter. Schön, dass wir mit 12, 18 und 24 Monaten diverse Ebenen dieses Spielens auf motorischer, funktioneller und sprachlicher Ebene prüfen und uns (meistens) mit den Eltern über die Fortschritte und erreichten Meilensteine ihrer Kinder freuen können. Oft besprechen wir dann noch die leidigen elektronischen Medien und vielleicht sogar das Thema der gemeinsamen Spielzeit. Reicht das oder gibt es doch noch mehr zum Thema Spielen und vor allem Spielsachen zu sagen? Wir denken schon: In der heutigen Zeit sind die Kinderzimmer vieler Familien angefüllt mit Spielzeug aller Art – woher kommt es? Hierzu gibt es ökologische und ökonomische Fragen: Welche Ressourcen wurden gebraucht, um die Puppen und Autos herzustellen – und wie werden sie entsorgt? Ist das energetisch sinnvoll? Was bedeutet «massvoll» Spielsachen zu haben – wie kann man sie mit anderen tauschen oder gar gebraucht bekommen? Und was würde passieren, wenn wir «keine» Spielsachen mehr kaufen würden? Zusammenhänge wie das Aufdecken von Handelsketten und Produktionsstätten werden ein Thema – gibt es «teures» Spielzeug «Made in Western Europe» und ist es nicht besser, weniger, dafür wertvolles Spielzeug zu haben? Hier sind wir bereits beim Thema Materialismus und Glücklichsein angelangt. Als Kinderärztinnen sollten wir hier doch ein bisschen aufs Bremspedal stehen und für unsere Kinder den vorherrschenden «Turbokapitalismus» abfedern – es gibt andere Möglichkeiten für ein glückliches Leben als ständiges Surfen auf Amazon und Päckchenöffnen von Zalando. Auch das gehört in die VorSORGE! ■ Autorinnen und Autoren gesucht! Mit diesen Gedanken eröffnen wir die neue Rubrik «Nachhaltigkeit in der Pädiatrie», in welcher wir jeweils den Fokus auf ein Thema mit Bezug auf Nachhaltigkeit, Umwelt und Klimaschutz setzen werden. Gerne nehmen wir auch Ideen und Themen von euch, liebe Leserinnen, auf oder freuen uns auf eure Mithilfe in der Gestaltung. Dazu bitten wir euch um eine kleine Zuschrift auf unsere E-Mail: daniel.brandl@kis.ch

BERUFSPOLITIK 01 / 2023 KINDERÄRZTE. SCHWEIZ 14 und Lobbyarbeit im Parlament, in den Parteien, bei Entscheidungsträgerinnen in Politik und Verwaltung, bei Versicherungen und Medien. Eine nie endende Aufgabe ohne schnelle Erfolge. Und trotzdem von enormer Bedeutung. Bereits im Herbst dieses Jahres werden die eidgenössischen Räte neu zusammengesetzt. Wieder geht Wissen verloren. Wieder muss der Standpunkt der Haus- und Kinderärzte vermittelt werden. Gesundheitspolitik ist weitaus komplizierter als es prima vista den Anschein macht. An zahlreichen Anlässen und Treffen mit Politikern, Versicherern und der Verwaltung vermittelt mfe die Sichtweise der Haus- und Kinderärztinnen. Noch immer kämpfen wir für den neuen Tarif Tardoc. In kleinen Schritten geht es voran. Immer wieder diskutieren wir über Kostensparmassnahmen, Kostenziele, Medikamentenpreise, Labortarife, Wirtschaftlichkeitsverfahren. Seit Jahren beschwören mfe und FMH den Mangel und vertreten die Ansicht – basierend auf den Workforce-Studien – dass nicht der Mangel an Finanzen die Grundversorgung bedroht, sondern der Mangel an Fachkräften. Und siehe da! Die Realität hat uns eingeholt. Was will die Pädiatrie? mfe, der Verband der Haus- und Kinderärzte, wird aufgrund der zahlenmässigen Verhältnisse von Vertretern der Erwachsenenmedizin dominiert. Es war aber auch kein Problem, dass drei Pädiater im Vorstand Einsitz nehmen konnten und der Schwerpunkt Tarife von zwei Pädiaterinnen geleitet wird. Viele Pädiaterinnen sind als Delegierte aktiv. Und doch braucht es immer wieder pädiatrischen Nachwuchs in den Berufsverbänden, auch bei mfe. Noch mehr braucht es den Input aus der Pädiatrie, die Ideen und Anliegen aus der kinderärztlichen Basis und die Unterstützung durch die pädiatrischen Verbände SGP und KIS, damit mfe, insbesondere die pädiatrischen Vorstandsmitglieder, die Anliegen der Pädiatrie vertreten kann. Engagement ist gefragt, als Praktizierende, als Mitglieder, als Delegierte, lokal, regional und national. Und auch in unseren Praxen können wir politisch aktiv sein und auf bestehende Probleme im Gesundheitswesen im Allgemeinen und in der Pädiatrie im Besonderen hinweisen und auf Irrwege der Politik aufmerksam machen. Das haben wir selbst in der Hand. ■ Im Zentrum des Sturms Von irgendwo bläst der Wind immer. Aufgabe von Berufsverbänden wie mfe und KIS ist es, den Sturm möglichst frühzeitig zu erkennen, Schutzmassnahmen zu ergreifen und die Energie zu nutzen. Die Diskussionen um die Gesundheits- und Arztkosten sind etwas in den Hintergrund gerückt angesichts von dringenderen Problemen: hohe Krankheitslast, fehlendes Personal, fehlende Medikamente, fehlende Spitalbetten, überfüllte Praxen und Notfallstationen. Die Realität hat gezeigt, was mfe immer und immer wieder beim BAG deponiert hat: Die vom BAG/OBSAN berechneten Zahlen zur ärztlichen Versorgung, welche die Grundlage für die Zulassung bilden, sind unbrauchbar. In der Haus- und Kinderarztmedizin gibt es keine Überversorgung – ganz im Gegenteil. Die Bevölkerung hat dies auf unangenehme Weise erfahren. Die Medien haben es aufgegriffen. Zahlreiche Berufsverbände haben die Chance erkannt und eine Informations- initiative gestartet. Vielleicht hat auch die Politik verstanden, dass ihre Sichtweise während Jahren zumindest eingeengt war. Forderungen von allen Seiten: mehr Lohn, mehr Freizeit, mehr Planungssicherheit, mehr Mitsprache, mehr Geld für die Spitäler zur Deckung der gestiegenen Energiekosten und zum Ausgleich der Teuerung. Forderungen an die Ärzteschaft: mehr arbeiten, zu günstigeren Preisen, bessere Qualität, Nachweis der Qualität, für eigenen Nachwuchs und den von medizinischen Praxisassistentinnen sorgen, höhere Löhne zahlen. Und das mit einem mehr als 20 Jahre alten Tarif. Schon vor der Winterkrise haben wir 10 % mehr Patienten behandelt als im Jahr zuvor (vergleiche SAEZ vom 1. März 2023, S. 28–31, DOI: https://doi.org/10.4414/ saez.2023.21559). Der neue Tarif Tardoc muss die Kostenneutralität wahren: keine Kostensteigerung im Vergleich zu den Neunzigerjahren des letzten Jahrhunderts. Ob in diesem engen Korsett eine Verbesserung für die Haus- und Kinderärzte drin liegt, wird erst die Erfahrung zeigen. Aufwand und Ertrag Die Berufsverbände sollten Unheil abwenden und in eine rosige Zukunft führen. Das Ziel ist klar, der Weg steinig und lang. mfe hat – ähnlich wie die FMH – einen schwierigen Stand. Als Interessenverband für die Anliegen der praktizierenden Kinderärztinnen und Hausärzte, speziell zu diesem Zweck von der SGAIM und der SGP ins Leben gerufen, betreibt mfe Informations- DR. MED. ROLF TEMPERLI VORSTANDSMITGLIED MFE, EHRENMITGLIED KINDERÄRZTE SCHWEIZ, LIEBEFELD Korrespondenzadresse: temperli-rossini@bluewin.ch DR. MED. HEIDI ZINGGELER FUHRER VIZE-PRÄSIDENTIN MFE, ZUSTÄNDIGKEIT PÄDIATRIE, CHUR Korrespondenzadresse: h.zinggeler@mez-chur.ch

01 / 2023 VERNETZUNG KINDERÄRZTE. SCHWEIZ 15 Interprofessionelle Fachtagung Perinataler Kindstod 26. Oktober 2023 in Brugg www.fachtagung-kindsverlust.ch Prof. Dr. Silja Samerski, Humangenetikerin und Sozialwissenschaftlerin, wird die interprofessionelle Fachtagung Perinataler Kindstod mit ihrem Referat «Die Entscheidungsfalle: Über die Zumutungen der Pränatal- diagnostik» eröffnen. Dr. Samerski ist Professorin für Soziale Arbeit mit Schwerpunkt Gesundheit an der Hochschule in Emden/Leer in Deutschland. Mit einem interdisziplinären Expertinnenpodium, einem Erfahrungsbericht von betroffenen Eltern und verschiedenen Workshops zur perinatalen Palliative Care, dem späten Schwangerschaftsabbruch und der Pränataldiagnostik laden wir Sie als Fachperson ein zu regem Austausch, interdisziplinärer Vernetzung und gemeinsamer Reflexion. Mehr Informationen zum Programm der Fachtagung finden Sie auf dem diesem Heft beigelegten Flyer. Wir freuen uns, am 26. Oktober 2023 in Brugg gemeinsam mit Ihnen neue Türen zu öffnen, damit betroffene Familien die bestmögliche Begleitung erfahren, wenn ihre Welt stillsteht. ■ Seit 20 Jahren ist kindsverlust.ch das nationale Kompetenzzentrum für nachhaltige Unterstützung beim Tod eines Kindes in der Schwangerschaft, während Geburt und erster Lebenszeit. Familien, deren Kind früh verstirbt, sollen in ihrer jeweiligen Situation kompetent, hilfreich und einfühlsam begleitet werden, damit sie einen annehmbaren Weg des Weiterlebens finden können. Dazu bietet kindsverlust.ch einen kostenlosen Beratungsdienst für betroffene Familien und begleitende Fachpersonen an. Die Aus- und Weiterbildungen vernetzen und befähigen Fachpersonen für die nachhaltige Begleitung von betroffenen Eltern. Fachtagung zu perinataler Palliative Care und spätem Schwangerschaftsabbruch In Beratungsgesprächen, im Austausch mit betroffenen Eltern und begleitenden Fachleuten, in Geburtskliniken, Praxen und in Weiterbildungen der Fachstelle kindsverlust.ch zeigt sich eines deutlich: Die Not und Erschütterung – sowohl für die Eltern als auch für die Fachpersonen – ist selten grösser, als wenn werdende Eltern während der Schwangerschaft erfahren, dass ihr erwartetes Kind behindert, unheilbar oder lebensbedrohlich krank ist oder sterben wird. Die vorgeburtlichen Untersuchungen des ungeborenen Kindes haben Konsequenzen. Sie können existenzielle Krisen auslösen, welche nicht nur die werdenden Eltern und die ganze Familie in grosse Dilemmata führen. Auch Sie als involvierte Kinderärztinnen sind gefordert, können an den eigenen Grundwerten (ver-)zweifeln und an Ihre Grenzen kommen. Wie können wir Eltern und deren Kind im Spannungsfeld zwischen palliativer Betreuung des ungeborenen Kindes und dem Abbruch der Schwangerschaft begegnen? Was bedeutet es, als Kinderarzt palliative Begleitung zu leisten? Wie begleiten, wenn Verzweiflung und Angst überhandnehmen, unmenschliche Entscheide gefällt werden (müssen)? Was kann den werdenden Eltern in dieser grossen Krise wieder Halt geben? Und wie gehen wir mit unserer eigenen Betroffenheit um? ANNA MARGARETA NEFF SEITZ LEITERIN kindsverlust.ch, HEBAMME UND TRAUERBEGLEITERIN FACHSTELLE KINDSVERLUST WÄHREND SCHWANGERSCHAFT, GEBURT UND ERSTER LEBENSZEIT BELPSTRASSE 24 3007 BERN Korrespondenzadresse: fachstelle@kindsverlust.ch Das Ausbildungs- und Kompetenzzentrum kindsverlust.ch begleitet seit 20 Jahren Familien und involvierte Fachpersonen, wenn ein Kind während der Schwangerschaft, rund um die Geburt oder in der ersten Lebenszeit stirbt. Dieses Jahr steht die interprofessionelle Fachtagung Perinataler Kindstod im Zeichen der perinatalen Palliative Care und des späten Schwangerschaftsabbruchs. Wie können Eltern und deren Kind nach belastender vorgeburtlicher Diagnostik umsichtig begleitet werden? Im Spannungsfeld zwischen perinataler Palliative Care und spätem Schwangerschaftsabbruch Wie Eltern und deren Kind begleiten nach belastender vorgeburtlicher Diagnostik? Illustration: kindsverlust.ch Fachstelle Kindsverlust während Schwangerschaft, Geburt und erster Lebenszeit (Bern/Schweiz) www.kindsverlust.ch Kostenlose Beratung für begleitende Fachpersonen und betroffene Eltern unter: +41 31 333 33 60 oder fachstelle@kindsverlust.ch Aktuelle Weiterbildungen finden Sie laufend unter www.kindsverlust.ch/veranstaltungen/fuer-fachpersonen

VERNETZUNG 01 / 2023 KINDERÄRZTE. SCHWEIZ 16 Beim Vorlesetag mitmachen Das Konzept des Vorlesetags ist einfach: Wer Spass am Vorlesen hat, liest an diesem Tag anderen vor – zu Hause in der Familie, im Kindergarten, in der Schule, im Familienzentrum, in der Bibliothek oder an einem anderen Ort. Auf der Website www.schweizervorlesetag. ch können Privatpersonen, schulische Institutionen und weitere Organisationen ab sofort ihre Vorleseaktionen anmelden. Kinderärztinnen und Kinderärzte machen am Vorlesetag mit Der Schweizer Vorlesetag wird auch von Kinderärzte Schweiz unterstützt. Der Verband lädt alle Kinderärztinnen und Kinderärzte ein, sich am Vorlesetag zu beteiligen. Sie können am Vorlesetag selbst mitmachen und am 24. Mai 2023 in ihrer Praxis eine eigene Vorleseaktion für Kinder und Eltern organisieren oder im Wartezimmer eine Vorleseecke einrichten, welche eine Praxisassistenz oder eine andere Person am Aktionstag betreut. Kinderärztinnen und Kinderärzte sind zudem aufgerufen, den Vorlesetag zu nutzen, um Eltern darauf aufmerksam zu machen, wie wichtig regelmässiges Vorlesen für Kinder ist. Auf der Website des Vorlesetags finden sich Bücher, die sich besonders gut zum Vorlesen eignen. Zudem lassen sich einfache Vorlese-Tipps für Eltern als PDF herunterladen und über ein Bestellformular können Plakate für die Arztpraxis und Flyer für Familien bestellt werden. ■ www.schweizervorlesetag.ch Das Schweizerische Institut für Kinder- und Jugendmedien SIKJM lancierte den nationalen Vorlesetag 2018 in Kooperation mit 20 Minuten sowie weiteren Partnerorganisationen. Dieses Jahr findet der Vorlesetag zum sechsten Mal statt. Vorlesen ist die einfachste und wirksamste Form der Leseförderung. Kinder, die von klein auf regelmässig mit Geschichten, Reimen, Versen und Liedern in Kontakt kommen, erleben wichtige Momente der Zweisamkeit mit ihren Bezugspersonen. Sie werden durch das Vorlesen in ihrer mündlichen Sprachentwicklung gefördert, erfahren eine Erweiterung ihres Wortschatzes und erhalten die Grundlage für eine motivierte Lesesozialisation. Die Resultate von jüngeren Studien, welche die Auswirkungen des Vorlesens untersuchen, zeigen: Kindern, denen regelmässig vorgelesen wird, fällt das Lesenlernen leichter als Gleichaltrigen ohne Vorleseerfahrung. Mit dem Eintritt in die Schule und dem Schrifterwerbsprozess spielen Vorlesegeschichten weiterhin eine wichtige Rolle: Sie halten die Neugier auf Geschichten wach und bilden eine Brücke zum Selberlesen. Auch bei älteren Schülerinnen und Schülern fördert regelmässiges Vorlesen die Sprachkompetenz. SARAH EGGEL PROJEKTLEITERIN SCHWEIZER VORLESETAG, SCHWEIZERISCHES INSTITUT FÜR KINDER- UND JUGENDMEDIEN SIKJM, ZÜRICH Korrespondenzadresse: sarah.eggel@sikjm.ch Am 24. Mai 2023 ist es wieder so weit: Am sechsten Schweizer Vorlesetag wird in der ganzen Schweiz vorgelesen – an vielen Orten und in vielen verschiedenen Sprachen. Der Schweizer Vorlesetag begeistert alljährlich Kinder und Erwachsene für das Vorlesen und setzt ein öffentliches Zeichen dafür, dass Vorlesen für das Vermitteln von Basiskompetenzen und somit auch für Bildungschancen eine zentrale Rolle einnimmt. Kinderärzte Schweiz ist Netzwerkpartner des Vorlesetags und ruft alle Kinderärztinnen und Kinderärzte zum Mitmachen auf. Schweizer Vorlesetag Mittwoch, 24. Mai 2023 Wie Kinderärzte mitmachen können

01 / 2023 DIE MPA SEITE KINDERÄRZTE. SCHWEIZ 17 Bist du eine offene, kommunikative MPA, die gerne einen halben Tag in eine andere Kinderarztpraxis hineinschauen möchte, um am Ende dem Team wertschätzendes Feedback zu geben? So erhältst du neue Impulse, welche dir erlauben werden, die Abläufe, Organisation und Strukturen in deiner eigenen Praxis zu hinterfragen. BEATRICE KIVANC ADMINISTRATION KURSWESEN UND TAGUNGEN, KINDERÄRZTE SCHWEIZ GESCHÄFTSSTELLE, DIETIKON Korrespondenzadresse: beatrice.kivanc@kis.ch Als Hospitantin erlebst du den Arbeitsalltag in einer anderen Kinder- und Jugendarztpraxis hautnah. Du lernst Mitarbeitende, Arbeitsabläufe und Strukturen kennen und kannst viele Fragen stellen. Am Ende deiner Hospitation wird es die Gastpraxis sehr schätzen, wenn du ihnen deine Aussensicht, also deine Eindrücke und Einsichten, reflektierst. Vom offenen Austausch während und nach einer Hospitation können sowohl die Hospitantin als auch das Team der Gastpraxis viel profitieren! Neues Angebot: Hospitation für MPAs und Praxisteams «Eine Hospitation (von lateinisch hospitari «zu Gast sein») ist ein Besuch eines oder einer Aussenstehenden in einer Einrichtung, Firma oder Behörde. Die Hospitantin (Gast) soll dabei deren Arbeit kennenlernen oder begutachten bzw. arbeitet selbst probeweise mit.» Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Hospitation Foto: mpaschule.ch (mit freundlichem Einverständnis der Schule sowie der beiden Studierenden) Seid ihr ein Praxisteam, das sich gerne einen halben Tag über die Schultern schauen lässt, um danach externes Feedback zu Arbeitsabläufen, Organisation und Struktur eurer Praxis zu bekommen? Hospitationen sind grundsätzlich für beide Seiten kostenfrei. Die wechselseitigen Rückmeldungen bieten Vorteile für beide Parteien. Auch werden sich andere MPAs und Praxisteams über Erfahrungsberichte auf der MPA Seite in den «KIS News» freuen. ■ Unsere Geschäftsstelle koordiniert gerne gegenseitige Hospitationen. Bitte meldet euer Interesse als Hospitantinnen und/oder Gastpraxen per E-Mail an: beatrice.kivanc@kis.ch Foto: Kinderarztpraxis Kapellenstrasse Bern (mit freundlicher Genehmigung)

FORTBILDUNG: THEMENHEFTTEIL 01 / 2023 KINDERÄRZTE. SCHWEIZ 18 Hintergrund Kinder und Jugendliche mit Down-Syndrom (DS) haben neben einer häufig vorkommenden intellektuellen Beeinträchtigung ein erhöhtes Risiko für das Vorkommen von syndromtypischen Erkrankungen und Fehlbildungen, welche einer besonderen Aufmerksamkeit bedürfen (AWMF 2016, AAP 2022, Bull 2020, DS-vårdprogram re. 2022). Während die Ausprägung der klinischen Merkmale sich bei den zwei überwiegend vorkommenden chromosomalen Formen der sporadischen, nicht familiären Trisomie-21 (meiotische Non-Disjunktion ~96%) und der Translokations-Trisomie-21 (~3–4%) nicht unterscheiden, zeigen die seltenen Formen der Mosaik-Trisomie-21 (~1–2%) und der partiellen Trisomie (~1%) häufig weniger ausgeprägte Merkmale (Bull 2020). Da die meisten medizinischen Probleme behandelbar sind, aber nicht bei jedem Kind oder Jugendlichen gleich häufig und in gleicher Ausprägung auftreten, ist es wichtig, regelmässig nach solchen Problemen zu suchen, damit diese nicht unentdeckt bleiben. Hier nimmt die Kinderärztin in Zusammenarbeit mit den Familien eine zentrale Rolle in der Betreuung der Kinder und Jugendlichen ein. Epidemiologie Das DS tritt bei etwa 1:800 Geburten auf und ist das weltweit am häufigsten vorkommende Syndrom, welches mit einem unterschiedlichen Grad an intellektueller Beeinträchtigung und syndromtypischen Erkrankungen einhergeht (Bulls 2020). Die geschätzte Anzahl lebendgeborener Kinder mit DS in Europa für den Zeitraum 2011–2015 betrug 8031 pro Jahr, entsprechend einer Prävalenz von 10,1 auf 10 000 Lebendgeburten (de Graaf 2021). Man schätzt, dass im Jahr 2015 in Westeuropa ca. 111304 Menschen mit DS gelebt haben, davon in der Schweiz 4241 (de Graaf 2021). Aus der Schweiz wurden der WHO vergleichbare Zahlen für die Jahre 2016–2019, mit 98–127 Lebendgeburten pro 100000 Lebendgeburten gemeldet (WHO European Health Information). Morbidität und Mortalität Während der letzten Jahrzehnte ist die Lebenserwartung von Menschen mit DS stetig angestiegen (Englund 2013, Yang 2002). Lag das Todesalter in den Jahren 1969–1979 bei einem Median von 10 Jahren, so stieg die Lebenserwartung vor allem in den 1980er-Jahren sprunghaft an, bis zu einem Alter von ca. 60 Jahren im Jahr 2003 (Englund 2013). Im gesamten ZeitSVEN HORMANN FACHARZT FÜR KINDER- UND JUGENDMEDIZIN, LEITENDER ARZT PÄDIATRISCHE KARDIOLOGIE, KANTONSSPITAL WINTERTHUR Korrespondenzadresse: sven.hormann@ksw.ch Gesundheit und Vorsorge bei Kindern und Jugendlichen mit Down-Syndrom raum waren Infektionskrankheiten, hier vor allem die Pneumonie, gefolgt von angeborenen Malformationen (vor allem angeborene Herzfehler und angeborene gastrointestinale Malformationen), sowie mit steigendem Alter Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Demenz die Haupttodesursachen. Die Möglichkeit der Behandlung angeborener Herzfehler und verbesserte Behandlungsmöglichkeiten von Infektionen und Leukämie haben zu einer deutlichen Reduktion der Mortalität vor allem bei Kindern unter einem Jahr geführt. Gesundheitliche Vorsorge Ziel der gesundheitlichen Vorsorge ist es, Kindern und Jugendlichen mit DS eine höchstmögliche Lebensqualität zu ermöglichen, mit der Absicht, auch nach Erreichen des Erwachsenenalters ein möglichst autonomes Leben führen zu können. Da, neben dem Erhalt der körperlichen Gesundheit, für die individuell bestmögliche Entwicklung eine frühzeitige und zielgerichtete Förderung (einschliesslich Zugang zu entsprechenden Ressourcen) die Akzeptanz und eine sichere Bindung im familiären, sozialen sowie erweiterten Umfeld (Kindergarten, Schule) wichtig sind, sollten diese Aspekte im Rahmen der Vorsorge Beachtung finden. Empfehlungen und Checklisten Von der Fachgesellschaft pädiatrie schweiz (Schweizerische Gesellschaft für Pädiatrie, SGP) werden Checklisten für die grundlegenden Vorsorgeuntersuchungen bei Kindern und Jugendlichen bereitgestellt. Diese erleichtern den behandelnden Ärztinnen die Planung und Durchführung der notwendigen Untersuchungen im Praxisalltag. Für die für Kinder und Jugendliche mit DS empfohlenen, die Basisvorsorge zum Teil ergänzenden Untersuchungen und Massnahmen, existieren keine offiziellen Empfehlungen seitens pädiatrie schweiz. Den hier vorgestellten Daten und empfohlenen Untersuchungen liegen, soweit nicht anders angegeben, die S2k.Leitlinie «Down-Syndrom im Kindes- und Jugendalter» der Wissenschaftlich Medizinischen Fachgesellschaften e.V. (AWMF, Stand 2016, aktuell in Überarbeitung), mit denen die Gesundheits-Checklisten des Deutschen Down Syndrom Infocenter abgeglichen sind, die Vorsorgeempfehlungen der American Academy of Pediatrics (AAP, Stand 2022) und die Schwedischen Empfehlungen betreffend Betreuung von Personen mit DS (Downs Syndrom medicinskt vårdprogram 0–18 år, Stand 2022) zugrunde. Die hier aufgeführten Empfehlungen sind als Ergänzung zu den lokalen

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