KINDERÄRZTE.SCHWEIZ 1/2023

01 / 2023 FORTBILDUNG: THEMENHEFTTEIL KINDERÄRZTE. SCHWEIZ 29 Die Prävalenz der atlanto-axialen Instabilität bei Trisomie-21 wird je nach Quelle mit 10–30 % beschrieben2,3. Davon weisen aber lediglich 1–2 % der Betroffenen klinische Symptome auf4,5. Rechtfertigen diese Zahlen ein generelles Screening? Oder sollte dies nur in besonderen Situationen, zum Beispiel vor einer Intubationsnarkose oder bei geplanter Aufnahme sportlicher Aktivitäten, erfolgen? Oder sollte diesen Kindern grundsätzlich von sportlichen Aktivitäten abgeraten werden? Erlauben Sie mir, Ihnen diese Thematik anhand von zwei Fallbeispielen näherzubringen und einen diagnostischen Algorithmus vorzuschlagen. Im ersten Fall wurde uns die damals 14-jährige Patientin mit Trisomie-21 zur Beurteilung und Übernahme der Behandlung zugewiesen, nachdem bei einer externen neurologischen Abklärung im Hinblick auf eine mögliche Lokomat-Therapie eine Hyperreflexie nachgewiesen und in der Folge eine Abklärung mittels MRT PD DR. MED. DANIEL STUDER FACHARZT FÜR ORTHOPÄDISCHE CHIRURGIE UND TRAUMATOLOGIE DES BEWEGUNGSAPPARATES, ABTEILUNG FÜR ORTHOPÄDIE, UNIVERSITÄTSKINDERSPITAL BEIDER BASEL (UKBB), BASEL Korrespondenzadresse: Daniel.Studer@ukbb.ch Die Inzidenz des Down-Syndroms wird weltweit mit einer Rate von 1/800 Geburten angegeben1, und viele diagnostische und präventive Massnahmen und Behandlungsempfehlungen wurden über die Jahre etabliert. Nach wie vor besteht allerdings eine grosse Unsicherheit im Zusammenhang mit möglichen Instabilitäten der oberen Halswirbelsäule (HWS) bei Kindern mit Trisomie-21 und es fehlt trotz konkreter epidemiologischer Daten an einheitlichen Richtlinien. In dieser kurzen Übersicht möchte ich aufzeigen, warum ein generelles Screening sinnvoll ist, und ein entsprechend strukturiertes Vorgehen bei der Abklärung vorstellen. Atlanto-axiale Instabilität bei Trisomie-21 in die Wege geleitet wurde. Im Gespräch berichteten die Eltern von einer progressiven Verschlechterung des Gangbildes über die letzten 2 Jahre. Die MRT-Untersuchung objektivierte eine Kompression des Rückenmarks der oberen HWS mit bereits deutlicher Myelopathie und -atrophie in diesem Bereich [Abbildung 1]. Um eine weitere Schädigung des Rückenmarks zu vermeiden, wurde umgehend die Indikation zur operativen Stabilisierung gestellt [Abbildung 2] und die Patientin musste zur Gewährleistung der angestrebten Spondylodese (Versteifung) zwischen dem ersten und zweiten Halswirbel über 3 Monate eine sogenannte Halo-Weste tragen, über die der Kopf mit dem Rumpf stabilisiert wird. Mit hoher Wahrscheinlichkeit hätte dieser Verlauf mit einem standardisierten und kostengünstigen Screening, wie ich es später erklären werde, verhindert werden können. Gleichzeitig ist es nicht meine Absicht, noch mehr Angst und Unsicherheit zu verbreiten, und ein zweites Beispiel soll zeigen, dass eine zu restriktive und vorsichtige Vorgehensweise auch nicht zielführend ist. Abbildung 2: Konventionelle Röntgenaufnahmen der Halswirbelsäule nach erfolgter operativer Stabilisierung mit Verschraubung und Versteifung des ersten und zweiten Halswirbels. Abbildung 1: Sagittale T-2 gewichtete MRT- Untersuchung der Halswirbelsäule mit Nachweis einer atlanto-axialen Instabilität und daraus resultierender Kompression des Rückenmarks (dicker Pfeil).

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