KINDERÄRZTE.SCHWEIZ 1/2023

FORTBILDUNG: THEMENHEFTTEIL 01 / 2023 KINDERÄRZTE. SCHWEIZ 22 M. Hirschsprung), welche neben den angeborenen Herzerkrankungen die häufigsten Fehlbildungen bei Menschen mit DS darstellen. Hinweisend ist die klinische Untersuchung sowie Symptome der Passage-Störung wie verspäteter Mekonium-Abgang, aufgetriebener oder zusammengefallener Bauch (Duodenalpassagestörung) sowie rezidivierendes Erbrechen. Empfehlung: Angeborene Malformationen des Gastrointestinaltraktes sollten mittels einer gezielten Untersuchung und klinischen Anamnese betreffend gastrointestinaler Symptome ausgeschlossen werden. Auffällige Kinder sollten umgehend einer weiterführenden Abklärung zugeführt werden. Logopädische Beurteilung der orofazialen Situation im Neugeborenenalter mit Beratung und Unterstützung beim Stillen/Füttern. Kinder mit ausgeprägter muskulärer Hypotonie, Untergewicht, langsamer Nahrungsaufnahme, Würgen und/oder Desaturationen beim Trinken sowie Kinder mit sich wiederholenden oder persistierenden respiratorischen Symptomen sollten einer Abklärung mit Einbezug der Beurteilung der orofazialen und motorisch-koordinativen Fähigkeiten zugeführt werden. Bei chronischer Obstipation sollte differenzialdiagnostisch an das Vorliegen einer Hypothyreose gedacht werden. Erkrankungen des Bewegungsapparates Erkrankungen des Bewegungsapparates bei Kindern und Jugendlichen mit DS betreffen vor allem Füsse, Knie, Hüfte und die Wirbelsäule (Skoliose, atlantoaxiale Instabilität [AAI]). In bis zu 60 % findet sich ein Pes planus als Zeichen der Hypermobilität, welcher sekundär zu anderen orthopädischen Veränderungen führen kann. Eine vermehrte Bandlaxizität mit Patellainstabilität findet sich bei 10–20 %, in ca. 8 % bestehen HüftAbnormalitäten, wobei sich Hüft-Dislokationen meist nach Laufbeginn im Alter zwischen dem 2. und 10. Lebensjahr entwickeln. Epiphysiolysen und Skoliosen treten gehäuft, aber selten auf, Skoliosen vor allem nach vorgängiger Herzoperation. Eine gefürchtete Komplikation ist die atlantoaxiale Instabilität, welche zu einer Kompression des Rückenmarks führen kann. Mehr zum Thema atlantoaxiale Instabilität im Artikel von Dr. med. Daniel Studer auf Seiten 29–31. Empfehlung: Im Rahmen jeder Vorsorgeuntersuchung sollte anamnestisch und in der gezielten klinischen Untersuchung nach Zeichen einer Myelopathie gesucht werden. Die Eltern sollten instruiert werden, sich bei Neuauftreten von Symptomen, die auf eine Myelopathie hinweisen, zu melden. Nach Steh- respektive Gehbeginn erscheint eine kinderorthopädische Evaluation sinnvoll zur allfälligen frühzeitigen Versorgung mit Knöchelorthesen, ebenso falls sich im Verlauf willkürliche Luxationen von Patella oder Hüfte oder Hinweise für eine Skoliose ergeben. Gemäss Vorsorgeempfehlungen des DS-Infocenters (DS-GesundheitsCheck) sollten orthopädische Untersuchungen von Hüfte, Fuss, Knie und Wirbelsäule jährlich im Alter von 1–12 Jahren stattfinden. Aus orthopädischer Sicht erscheint es sinnvoll, nach orthopädischer Erfahrenheit des betreuenden Pädiaters weitere, fakultative orthopädische Standortbestimmungen bei Schuleintritt mit 6 Jahren (mit fakultativem Röntgen der HWS seitlich) und dann nochmals mit 10 Jahren bei Mädchen und mit 12 Jahren bei Jungen durchzuführen. Mit 6 Jahren kann eine Schuheinlagenversorgung diskutiert werden, sofern diese nicht vorher notwendig erscheint. Orthopädische Kontrolle der Wirbelsäule mit 10–12 Jahren. Ein radiologisches Screening auf sekundäre Hüftdysplasien wird in den deutschen Richtlinien zwischen dem 5. und 8. Lebensjahr empfohlen. Vermeidung von Übergewicht und Motivation zu sportlichen Aktivitäten zum Muskelaufbau. Hämatologische und onkologische Erkrankungen Hämatologische Erkrankungen und transiente BlutbildAnomalien finden sich bei Menschen mit DS gehäuft. Im Neugeborenenalter treten meist transiente Veränderungen der neutrophilen Leukozyten, eine Thrombozytopenie, Thrombozytose, Makrozytose und eine Polyzythämie auf. Bei 6–10 % der Neugeborenen tritt eine myeloische Präleukämie auf, die sogenannte transiente abnorme Myelopoese (TAM). Diese geht in den meisten Fällen innerhalb von wenigen Monaten in Spontanremission, das Risiko der Entwicklung einer myeloischen Leukämie innerhalb von 1–3 Jahren ist jedoch mit 10– 30% erhöht. Unabhängig vom Auftreten einer TAM entwickeln ca. 1 % der Kinder eine Leukämie in Form einer akuten myeloischen oder akuten lymphatischen Leukämie bis zum Ende des 4. Lebensjahres. Eine Herausforderung ist die Diagnose eines (alimentären) Eisenmangels, welcher in gleicher Häufigkeit wie in der Normalbevölkerung vorkommt. Die zur Diagnosestellung verwendete Mikrozytose kann durch die vorliegende Makrozytose maskiert sein. Eine Anämie kann potenziell Auswirkungen auf die kognitive und motorische Entwicklung sowie den Schlaf haben. Empfehlung: Blutbildkontrolle einschliesslich Differenzialblutbild im Neugeborenenalter, dann Blutbildkontrolle mit Serum-Ferritin oder Transferrinsättigung 1× jährlich im Rahmen der Vorsorgeuntersuchungen. Niederschwellig Durchführung von Blutuntersuchungen bei Symptomen, die mit einer Leukämie vereinbar sind (Entwicklung von Hämatomen, Blutungen, Blässe, Müdigkeit, rezidivierende Fieberepisoden, Knochenschmerzen, Lebervergrösserung). Eine Eisensupplementation bei Schlafstörungen und erniedrigter Ferritin-Konzentration kann in Erwägung gezogen werden.

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