KINDERÄRZTE.SCHWEIZ 1/2023

01 / 2023 NACHHALTIGKEIT IN DER PÄDIATRIE KINDERÄRZTE. SCHWEIZ 13 Säugling zu beziehen, sondern auf die ganze Familie. Und Ernährung heisst mehr, als nur auf ausgewogenes Essen zu achten. «Der Mensch ist, was er isst!», sagt ein bekanntes Sprichwort. Und der Säugling und auch das Kind wird in Zukunft das essen, was in der Familie gegessen wird. Daher sind Themen wie «Nachhaltigkeit», «Fairness» und «wertvoll» in Bezug auf Ernährung essenziell. Ohne Rücksichtnahme auf diese Werte ist die nächste Generation demselben Egoismus und der gleichen Bequemlichkeit ausgesetzt, wie wir das nun sind. Und all dies beginnt im Familienkreis. Dabei geht es nicht nur um Schlagwörter wie Bio und Demeter, sondern um eine Grundeinstellung: «Ihr jungen Eltern habt den Entscheid getroffen, ‹Zukunft› zu gestalten, Zukunft im Sinne von eigenem Nachwuchs und auch Zukunft im Sinne einer lebensfähigen Umwelt für euren Nachwuchs.» Dieser Gedanke gehört unserer Ansicht nach genauso zur Vorsorge wie Fragen zum Durchschlafen und Aufstossen. Sie bilden die eigentliche VorSORGE für das Kind und seine Gesellschaft. Die Ernährung mit Pulvermilch ist ja stets in aller Munde. Wir fragen uns immer, wie gut diese Milchen der Muttermilch «nachgebaut» werden können. Dabei fokussieren wir uns auf die von Industrie und Spezialisten formulierten Themen der Verträglichkeit, der möglichen Allergie auf bestimmte Proteine, des Kaloriengehalts und möglichen Ueberfütterung. Wie steht es aber mit der Nachhaltigkeit einer solchen Milch? Woher kommt das Milchpulver? Wie wurden diese Kühe ernährt? Wie hoch ist die CO2-Belastung durch solche Milchen? Wie sinnvoll ist Kuhmilch tatsächlich für Menschen und bis in welches Alter? Was passiert mit dieser chemisch verarbeiteten Milch im kindlichen Körper? Vielleicht sollten wir – und unsere Fachgesellschaften – dazu klare Statements abgeben. Wir müssen uns als Kinderärztinnen abgrenzen von den industriell geführten Argumentationen und weiterführende, gesellschaftlich vorsorgende Ideen in unsere Beratung einfliessen lassen. Ja – wir müssen unser und das Denken der Eltern unserer Patienten anregen. Und häufig sind die Antworten nicht leicht und auch nicht eindeutig. Mit vier bis sechs Monaten erfolgt häufig die Einführung von Brei und Zusatznahrung, also angepasste Umstellung auf unsere alltägliche Ernährung. Dies ist wohl der wichtigste Moment, um mit Eltern das Thema Ernährung an und für sich nochmals anzugehen. Hier sind wir Kinderärztinnen oft selbst nicht klar genug: Kleinkinder brauchen nicht zwingend Fleisch- oder Fischmahlzeiten. Gerade die Herstellung dieser zwei Lebensmittel ist in der modernen Ernährung ausgesprochen problematisch und in Bezug auf Nachhaltigkeit äusserst fragwürdig. Wollen wir der nächsten Generation noch etwas natürlich bevölkerte Ozeane belassen? Und wie steht es mit dem Umgang mit Tieren und deren Ressourcen? Die Fokussierung auf eisenhaltiges Essen ist für uns zu kurzsichtig gedacht und viele Eltern können ihrem Budget gemäss ihren Kindern durchaus nachhaltige Ernährung anbieten. Thema ist nicht nur eine ausgeglichene, sondern eine ressourcengerechte Ernährung! Je älter das Kind, desto mehr kommt es ins Spielalter. Schön, dass wir mit 12, 18 und 24 Monaten diverse Ebenen dieses Spielens auf motorischer, funktioneller und sprachlicher Ebene prüfen und uns (meistens) mit den Eltern über die Fortschritte und erreichten Meilensteine ihrer Kinder freuen können. Oft besprechen wir dann noch die leidigen elektronischen Medien und vielleicht sogar das Thema der gemeinsamen Spielzeit. Reicht das oder gibt es doch noch mehr zum Thema Spielen und vor allem Spielsachen zu sagen? Wir denken schon: In der heutigen Zeit sind die Kinderzimmer vieler Familien angefüllt mit Spielzeug aller Art – woher kommt es? Hierzu gibt es ökologische und ökonomische Fragen: Welche Ressourcen wurden gebraucht, um die Puppen und Autos herzustellen – und wie werden sie entsorgt? Ist das energetisch sinnvoll? Was bedeutet «massvoll» Spielsachen zu haben – wie kann man sie mit anderen tauschen oder gar gebraucht bekommen? Und was würde passieren, wenn wir «keine» Spielsachen mehr kaufen würden? Zusammenhänge wie das Aufdecken von Handelsketten und Produktionsstätten werden ein Thema – gibt es «teures» Spielzeug «Made in Western Europe» und ist es nicht besser, weniger, dafür wertvolles Spielzeug zu haben? Hier sind wir bereits beim Thema Materialismus und Glücklichsein angelangt. Als Kinderärztinnen sollten wir hier doch ein bisschen aufs Bremspedal stehen und für unsere Kinder den vorherrschenden «Turbokapitalismus» abfedern – es gibt andere Möglichkeiten für ein glückliches Leben als ständiges Surfen auf Amazon und Päckchenöffnen von Zalando. Auch das gehört in die VorSORGE! ■ Autorinnen und Autoren gesucht! Mit diesen Gedanken eröffnen wir die neue Rubrik «Nachhaltigkeit in der Pädiatrie», in welcher wir jeweils den Fokus auf ein Thema mit Bezug auf Nachhaltigkeit, Umwelt und Klimaschutz setzen werden. Gerne nehmen wir auch Ideen und Themen von euch, liebe Leserinnen, auf oder freuen uns auf eure Mithilfe in der Gestaltung. Dazu bitten wir euch um eine kleine Zuschrift auf unsere E-Mail: daniel.brandl@kis.ch

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