KINDERÄRZTE.SCHWEIZ 2/2022

29 02 / 2022 FORTB I LDUNG: THEMENHEFTTE I L K I N D E R Ä R Z T E. SCHWEIZ tur und wissenschaftliche Studien zum Thema Höhenkrankheit bei Kindern. Grundsätzlich kann die Höhe bei Kindern, wie bei Erwachsenen, drei verschiedene Krankheiten auslösen: die akute Bergkrankheit («acute mountain sickness» AMS), das Höhenlungenödem («high altitude pulmonary edema», HAPE) und das Höhenhirnödem («high altitude cerebral edema» HACE). Die beiden Letzteren kommen bei Kindern nur sehr selten vor und wenn, dann scheinen Risikofaktoren vorzuliegen wie kürzlich durchgemachte Atemwegsinfekte, Herzfehler, Lungenerkrankungen oder positive Familienanamnese für HAPE. Dennoch sind HAPE und HACE lebensbedrohliche Erkrankungen, wo ein sofortiger Abstieg lebensrettend sein kann. Die Prävalenz des AMS ist etwa vergleichbar mit der bei Erwachsenen. Gemäss einer Studie2, die Susi Kriemler auf der Mönchsjochhütte (3655m) durchgeführt hat, zeigten ca. 25% der beteiligten Kinder bei einem raschen Aufstieg Symptome eines AMS. Ein HAPE hat keines der Kinder entwickelt. Als Risikofaktoren für die Entstehung eines AMS bei Kindern gelten rascher passiver Anstieg, erreichte Höhe, Eltern, die höhenkrank sind und Kinder unter 6 Jahren. Wie sehen denn nun die Symptome eines AMS bei Kindern aus? Bei älteren Kindern ab Schulalter sind dies Kopfschmerzen, Appetitlosigkeit, Übelkeit bis Erbrechen, ungewohnte Müdigkeit, Schwindel und ein allgemeines Unwohlsein. Gemäss Susi Kriemler sind die für Erwachsenen entwickelten Scores für Kinder im Vorschulalter oft unbrauchbar. Hier gilt es, diese Kinder in der Höhe sehr aufmerksam zu beobachten. Jedes abnorme Verhalten kann Zeichen eines AMS sein. Die Symptome sind unspezifischer, je jünger das Kind ist: Irritabilität, Blässe, Müdigkeit, Unlust zu spielen, Appetitlosigkeit sind möglich. Die klassischen Symptome Kopfschmerz oder Schlafprobleme können oft fehlen. Die meisten Kinder und Jugendlichen mit AMS zeigen einen milden Verlauf. Oft klingen die Symptome am zweiten Tag der Höhenexposition bereits wieder ab, insbesondere, wenn nicht weiter aufgestiegen wird. Trotzdem sollte bei länger anhaltenden und mehr als milden Symptomen, wenn irgend möglich, der rasche Abstieg erfolgen. Dies ist die wirksamste Therapie. Sollte dies nicht möglich sein, kann mit Paracetamol und Antiemetika symptomatisch behandelt und die Zeit bis zum möglichen Abstieg überbrückt werden. Für Susi Kriemler ist klar: Jede Höhenkrankheit bei einem Kind ist zu viel! Es gibt wirkungsvolle Präventionsmassnahmen, die gerade auf Reisen mit Kindern dringend berücksichtigt werden sollten. Dazu gehört ein langsamer Aufstieg von maximal 300 Höhenmetern pro Nacht ab einer Höhe von > 2500m, das Vermeiden von übergrosser körperlicher Anstrengung und die kindergerechte Planung der Tour. Zudem ist es wichtig, Risikofaktoren für die Entwicklung einer Höhenkrankheit, zum Beispiel einen kürzlich durchgemachten Luftwegsinfekt, ernst zu nehmen. Und was nicht oft genug wiederholt werden kann: Eine Bergtour oder ein Ausflug in die Höhe sollte vor allem und allen Beteiligten Spass machen! Hier ist Innovation gefragt: Klettern mit Seil, Karten lesen und den Weg selbst finden, zelten, selbst kochen etc. bringen die nötige Abwechslung und somit Motivation ins Bergabenteuer. Ich danke Susi Kriemler für das Interview und die Unterstützung zur Realisierung dieses Artikels. Die eingangs gestellten Fragen sollten nun problemlos beantwortet werden können. ■ WEITERE LITERATUR Nowak-Flück, Daniela; Kriemler, Susi, «Höhenerkrankungen: Hoch hinaus mit Kindern». Hausarzt Praxis 2019, Vol. 14, Nr. 1 1 Siehe Kapitel «Besonderheiten des Kinder- und Jugendbergsteigens» in F. Berghold et al. (Hrsg.), Alpin- und Höhenmedizin, Springerverlag 2 Kriemler S, Bloch K, Kohler M, Brunner-La Rocca H (2013) Prevalence of acute mountain sickness at 3500m within and between families: a prospective cohort study. High Alt Med Biol Vol 15, Nr 1, 2014 Take-Home-Message ■ Kindergerechte Planung in den Bergen ist das Wichtigste überhaupt! Eine Bergtour muss abwechslungsreich sein und den Kindern Spass machen. ■ Kinder < 6 Monaten und Risikokinder gehören nicht in Höhen > 2500m. ■ Ab einer Höhe von > 2500m ist ein langsamer Aufstieg von maximal 300 Höhenmetern pro Nacht empfohlen, zudem das Vermeiden von übergrosser Anstrengung. ■ Die Symptome der akuten Bergkrankheit können bei Kindern sehr unspezifisch sein.

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