KINDERÄRZTE.SCHWEIZ 2/2022

Frühlingstagung 2022 Update vom Hilfswerk Ukraine 5-Länder-Treffen der Praxispädiater-Verbände T H E M E N H E F T – HE LVET I SCHE RE I SEMED I Z I N 02/2022 www.kinderaerzteschweiz.ch info@kinderaerzteschweiz.ch

In der Druckausgabe befindet sich auf dieser Seite ein Hinweis für medizinische Fachpersonen.

3 02 / 2022 K I N D E R Ä R Z T E. SCHWEIZ INHALT / IMPRESSUM IMPRESSUM REDAKTIONSTEAM: Dr. med. Matthias Furter, Winterthur; Dr. med. Stefanie Gissler Wyss, Neuendorf; Dr. med. Raffael Guggenheim, Zürich; Dr. med. Irmela Heinrichs, Uster (Leitung); Dr. med. Cyril Lüdin, Muttenz; Dr. med. Nadia Sauter Oes, Winterthur; Dr. med. Martin Schmidt, Rheinfelden; Dr. med. Jürg C. Streuli, Uznach; Dr. med. Kerstin Walter, Bern; Dr. Daniel Brandl, PhD, Geschäftsführer, Zürich HERAUSGEBER: Kinderärzte Schweiz, Badenerstrasse 21, 8004 Zürich ABO: 4 Ausgaben/Jahr: Fr. 48.– inkl. Porto (für Mitglieder inklusive) Spezialpreis für MPAs, Mütter- und Väterberatungsstellen sowie Nonprofit-Organisationen im Bereich Kinder- und Jugendgesundheit: Fr. 32.– inkl. Porto BILDER / ILLUSTRATIONEN: Adobe Stock, Kerstin Walter, Daniel Brandl, Kinderärzte Schweiz, Irmela Heinrichs, Hilfswerk Ukraine, Barbara Jochum, NordSüd Verlag, Wikimedia Commons, Raiffeisen Schweiz, www.coronavirus.bs.ch, Iris Irene Bachmann Holzinger, Daniel Trachsel, Sergio Stocker, Sanohra fly, Universitäts-Kinderspital Zürich, Susi Kriemler, Bundesamt für Gesundheit BAG, Franziska Zucol Fröhlich, Elina, Pie Müller/ Swiss TPH, Privat, Johannes Greisser, Kinderarztpraxis Schwyz, Mercedes Ogal, Birgitta Thomann, Jan Cahlik, Karger, da bux Verlag KORRESPONDENZ: Kinderärzte Schweiz Badenerstrasse 21, 8004 Zürich Telefon 044 520 27 17 info@kinderaerzteschweiz.ch, www.kinderaerzteschweiz.ch INSERATE: Dr. med. Cyril Lüdin, cyril@luedin.eu GRAFIK, SATZ UND DRUCK: Vogt-Schild Druck AG, CH-4552 Derendingen Auflage: 1150 Expl. Nächste Ausgabe: 03/2022 Redaktionsschluss: 3. Juni 2022 ISSN 2296-2549 (Print) ISSN 2673-4656 (Online) GENDERGERECHTE SPRACHE: Wir achten in unseren Artikeln auf gendergerechte Sprache. Das heisst, wir beziehen Frauen und Männer gleichermassen in unsere Texte ein, denn Frauen fühlen sich mit der männlichen Form nicht automatisch mitgemeint. Präferenziell wird eine genderneutrale Sprache verwendet. Wenn dies nicht möglich ist, wird zwischen männlicher und weiblicher Form alterniert, jedoch ohne Wertungen/Diskriminierungen (wie z. B. «Professoren und Studentinnen»), bzw. solche Wertungen sollen sich abwechseln. In Ausnahmefällen ist die schwerfällige Beidnennung männlich/ weiblich möglich; diese versuchen wir jedoch zu vermeiden. Drucksache myclimate.org/01-22-643880 © Kinderärzte Schweiz EDI TOR IAL 5 Transhelvetische Reisemedizin INTERN 6 Update vom Hilfswerk Ukraine VERBANDSZ I ELE 8 Von Murmelgruppen, Blitzlichtern und Pausengesprächen 9 Endlich wieder praxispädiatrisches Ländertreffen – neu fünf Länder und in Avignon! P INNWAND 13 Lesenswertes aus dem KIS Vorstand, unseren Arbeitsgruppen und dem Rest der Welt BERUFSPOL I T I K 15 mfe FRÜHL INGSTAGUNG 2022 16 Einführung 16 Team-Referat für Ärztinnen / Ärzte und MPAs 17 Ärztinnen- und Ärzte-Referat 1: Wundversorgung praxisnah 17 Ärztinnen und Ärzte Referat 2: Das apathische Kind (Teil 2) 19 MPA Referat 1: Das zuckende Kind 21 MPA Referat 2: Das apathische Kind (Teil 1) FORTB I LDUNG: THEMENHEFTTE I L 22 Reiseempfehlungen aus HNO-ärztlicher Sicht 24 Effloreszenzen auf dunkler Haut 28 «Darf ein Baby aufs Jungfraujoch, ein Kindergärtler in eine hoch gelegene Hütte, ein Schulkind auf den Mönch?» 30 Tularämie bei Kindern und Jugendlichen 32 Aktuelles Wissen zu Tigermückenbissen 33 Badedermatitis 35 Bettwanzen, Cimex lectularius 36 «Lueged nöd ume, de Fuchs gaht ume…» 38 Ein einfaches und hilfreiches Tool bei psychischen Herausforderungen KURSE /WORKSHOPS / FORTB I LDUNGEN 40 Kurse KIS 41 Veranstaltungskalender 41 Die gute Fortbildung REDAKT IONELLE SE I TEN 42 Praxistour: Kinderarztpraxis Schwyz ERFAHRUNGSBER I CHT 45 «Pädiatrische Palliative Care – Praxisnah» 47 Hypnosekurs: Grundlagen Workshop 2 für Kinder- und Jugendmediziner 49 Prävention von und Umgang mit psychischen Erkrankungen in der pädiatrischen Praxis GUTE K INDER- UND JUGENDBÜCHER FÜR DI E PRAX I S 50 Frisst ein Krebs die Haare auf? 50 Mehr.Mehr.Mehr. ■ HABEN SIE ANREGUNGEN, KRITIK ODER LOB? Dann schicken Sie uns eine E-Mail an: info@kinderaerzteschweiz.ch Wir freuen uns.

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5 02 / 2022 K I N D E R Ä R Z T E. SCHWEIZ EDI TOR IAL Liebe Leserinnen und Leser Warum in die Ferne schweifen? Reisemedizinische Herausforderungen gibt es auch in der Schweiz. So haben wir dieses Heft ganz den nahegelegenen Problemen des Reisens gewidmet – so quasi «transhelvetische Reisemedizin». Wir bewegen uns von oben nach unten durch den Körper, bringen Ohren- und Verdauungsthemen, wir steigen gut akklimatisiert hoch in die Berge und tauchen dank Tauchertropfen in die Tiefen unserer Seen – oder Schwimmbäder. Tigermücke, Fuchsbandwurm und Hasenpest bringen ein wenig Ungewohntes und Exotik in unsere Reise – einmal mehr herrlich illustriert von unserer talentierten Kerstin Walter. Und manchmal kommt das Fremde auch zu uns – und sei es nur in Form von Exanthemen auf dunkler Haut. Das Ziel dieses Heftes ist es, euch Informationen zu häufigen Fragen der Eltern im Zusammenhang mit Ferien in näheren Gefilden mitzugeben. Auf dass diese Tage entspannt sind – und wir auch! Von ihrer Reise nach Avignon zum praxispädiatrischen 5-Ländertreffen berichtet Heidi Zinggeler Fuhrer über berufspolitische Themen wie Umwelt und Prävention, die mit den Kollegen aus unseren Nachbarländern – auch abseits der Traktandenliste, zum Beispiel beim Frühstück – diskutiert wurden. Wie wichtig diese sogenannten Pausengespräche bei Live-Fortbildungen sind, haben wir von unseren Referenten Sören Huwendiek und Christian Schirlo beim diesjährigen KIS Impulsatelier gelernt. Die Erfahrung hat jedoch gelehrt, dass mit ein paar Tricks und Tools auch OnlineFortbildungen spannend und lehrreich sind. Die wichtigsten Punkte der Referate unserer Online-Frühlingstagung 2022 könnt ihr hier nochmal auf Papier (oder eben online im E-Paper) nachlesen. Apropos online: Ab diesem Heft ersetzen wir alle Links zu Webseiten mit praktischen QR Codes, die euch das mühsame Abtippen ersparen sollen. Zum Umgang mit psychischen Problemen stellt Joe Greisser das Modell der Burggemeinschaft vor. Während wir Reisepläne schmieden und uns auf Fortbildungen freuen, berichtet Jürg Streuli von den konkreten Hilfsaktionen in der Ukraine. Auch in der Kriegssituation ist der Umgang mit den psychischen Folgen wichtiger denn je. Danke an alle, die sich menschlich und/oder finanziell engagieren. Wir verweisen auf unserer Pinnwand unter anderem auf die praktische Link- und Dokumentensammlung «Ressourcen für Geflüchtete aus der Ukraine» auf der KIS-Webseite. Unsere beiden rezensierten Bücher zu den Themen Krebs und Bulimie stimmen nachdenklich und sind daher nicht ganz als Ferienlektüre geeignet. Das Gute liegt so nah: hier ein (ungesponserter) Lesetipp für «exotische» Reisen im eigenen Land: Nummer 59 von «Transhelvetica – Die Kunst des Reisens» ist ein wunderbares Heft, das bestens zu unserem Thema passt. Es zeigt erstaunliche Orte in der Schweiz, die an die ganz grossen Reiseziele der Welt erinnern. Da sind zum Beispiel die schwarzweissen Everglades in Marthalen statt in Florida, die Cristo-Statue von Pfäfers statt von Rio de Janeiro, der Claridenfirn am Klausenpass statt der isländischen Vatnajökull, Zen auf der Rigi statt am Fuji. Der Titel dieser «Transhelvetica» Ausgabe ist «In 80 Seiten um die Welt». Das schaffen wir auch: in 15 Seiten durch alle möglichen reisemedizinischen Probleme in der Schweiz. Wir wünschen euch viel Vergnügen! Für die Redaktionskommission Nadia Sauter Oes, Co-Editorin Irmela Heinrichs, Co-Editorin Transhelvetische Reisemedizin DR. MED. NADIA SAUTER OES CO-EDITORIN, MITGLIED REDAKTIONSKOMMISSION, WINTERTHUR Korrespondenzadresse: nadia.sauter@oes.ch DR. MED. IRMELA HEINRICHS LEITERIN REDAKTIONSKOMMISSION, USTER Korrespondenzadresse: iheinrichs@hin.ch Die Themen der folgenden Hefte sind: News 03/2022: Nephrologie/Urologie News 04/2022: Jahrestagung News 01/2023: Trisomie-21 News 02/2023: Ophthalmologie Foto: Irmela Heinrichs

6 INTERN 02 / 2022 K I N D E R Ä R Z T E. SCHWEIZ Das Hilfswerk Ukraine bedankt sich bei allen Spendenden für ihre überwältigend grosszügige Unterstützung. Allein über den QR Code unserer Plakate sind von und durch die Vermittlung von Pädiaterinnen rund Fr. 50000.– an Spendengeldern zusammengekommen. Mit dieser Summe und weiterem Support, z. B. durch Schweizer Kinderkliniken oder private Spender, konnten wir unseren Kolleginnen in der Ukraine und ihren Patienten schon spürbar helfen. Gerne berichten wir nachstehend über unsere Projekte und die bisher geleistete Hilfe. Der Krieg bleibt für uns aktuell, die Not ist anhaltend gross und das Leid der Menschen unfassbar. Wiederaufbauarbeit und Nothilfe gehen derzeit Hand in Hand. Um unsere Kräfte zu bündeln, konzentrieren wir uns neu auf folgende vier Projekte. Dadurch können weitere Spenden auch gezielt mit einem Vermerk dem jeweiligen Projekt zugesprochen werden. Auf der in den nächsten Wochen erneuerten Homepage wird dann zudem ein Spendenbarometer den aktuellen Stand und Bedarf von Spenden anzeigen. Projekt «Infra-Cargo»: Aufbau und Erhalt medizinischer Infrastruktur und gezielte Transporte mit medizinischen Hilfsgütern. Mit 34 Mitarbeitenden vor Ort sammeln, kaufen und verteilen wir dringend benötigte medizinische Hilfsgüter, bauen und sanieren Infrastrukturen im Gesundheitswesen. Was in der Ukraine oder im nahen Ausland nicht besorgt werden kann, liefern und verteilen wir derzeit monatlich mit einem 40-Tonnen-Lastwagen. Die medizinischen Hilfsgüter wurden und werden an rund 50 Spitäler im ganzen Land verteilt. Es gibt etwa 2500 Kliniken in der Ukraine; sie alle zu unterstützen, ist für uns unmöglich. Daher konzentrieren wir uns auf 50 Krankenhäuser, bei welchen wir sicherstellen können, dass die Kolleginnen vor Ort in der Lage sind, die Medikamente wirklich zu nutzen sowie die teils sehr teuren Apparaturen fachgerecht anzuwenden und zu warten, was leider keine Selbstverständlichkeit ist. Aber Hilfe soll nicht nur schnell und wirksam, sondern immer auch nachhaltig sein. Grosszügige Spenden haben uns zudem ermöglicht, zwei PKWs und einen grossen Lieferwagen für die Logistik vor Ort einzusetzen. Diese bleiben im Land und unterstützen die fast vollständig zerschlagene lokale Logistik. Was hier einfach klingt, war und ist für alle Beteiligten eine bürokratische Herkulesaufgabe. Auch wenn die Strukturen an allen Ecken und Enden des Landes bröckeln, so scheint zumindest die Bürokratie noch gut erhalten. Neben Lager und Logistik im Herzen der Ukraine verfügen wir aber zur Sicherheit auch über ein Lager im nahen Nachbarland. Wir stehen in Kontakt mit grossen Hilfsorganisationen wie «Ärzte ohne Grenzen», prüfen fortlaufend Synergien und die Zusammenarbeiten in der Logistik. Zudem arbeiten wir mit Orthopäden, Chirurginnen und Medizinern zusammen und liefern dadurch sehr gezielt die dringend benötigten Instrumente oder Medikamente. Seit Kriegsbeginn wurden so in Zusammenarbeit mit dem Hilfswerk Ukraine und unseren Mitarbeitenden über 100 Transporte ins Land gebracht und zielgenau verteilt! Dafür einen riesigen Dank unserem überaus kompetenten und unermüdlich arbeitenden ukrainischen Koordinator Sergey und seinen Mitarbeitenden1! Projekt «Ambulante Kinderhospizarbeit»: Aufbau und Unterstützung von umfassender medizinischer, psychologischer und sozialer Hilfe für schwerstkranke Kinder, die trotz Krieg im Land geblieben sind. Dank einer wundervollen internationalen Zusammenarbeit auch mit Schweizer Kinderspitälern konnten Tausende von kranken Kindern zur Weiterbehandlung trotz Kriegswirren ins Ausland verlegt werden. Für jene schwerkranken oder behinderten Kinder, welche aus gesundheitlichen oder familiären Gründen das Land nicht verlassen konnten, bauen wir einen ambulanten Kinderhospizservice auf, der eine umfassende Unterstützung zu Hause ermöglicht. In einer ersten Spendenaktion konnten wir den Familien Hilfsmittel zur Pflege der Kinder liefern. Unsere Helfer bauen zudem bei den Familien Wasserfilter ein, die uns von der Firma Evodrop aus Wil SG, gespendet wurden. Diese filtern sämtliche Schadstoffe bis zu einer Grösse von 0,002 Mikrometer (marktübliche Filter nur bis 0,2 Mikrometer). Damit ermöglichen wir den Familien, die mit ihren schwerbehinderten Kindern nicht flüchten können, auch unter den aktuell sehr schwierigen Bedingungen sauberes Trinkwasser. Projekt «Comfort-Kits für traumatisierte Kinder»: Hypnosegestützte Therapie von Kindern, die durch den Krieg traumatisiert wurden. Die in der Ukraine verbliebenen Kinder und Jugendlichen erleben tagtäglich Schreckliches. Ein Krieg mutet Kindern Unvorstellbares zu und hinterlässt nicht nur körperliche, DR. MED., DR. SC. MED. JÜRG STREULI MITGLIED REDAKTIONSKOMMISSION, LEITENDER ARZT OSTSCHWEIZER KINDERSPITAL FÜR DAS PALLIATIVE CARE TEAM UND PRAXISPÄDIATER IN DER KINDERPRAXIS PAPILLON & VEREIN PALLIVIA IN UZNACH Korrespondenzadresse: info@hilfswerk-ukraine.ch Update vom Hilfswerk Ukraine DANKE – weitere Hilfe wird jedoch dringend benötigt Ein Kind mit einer spendenfinanzierten Wundversorgung durch eine VAC nach Schussverletzung. Fotos: Hilfswerk Ukraine

7 02 / 2022 INTERN K I N D E R Ä R Z T E. SCHWEIZ sondern auch tiefe seelische Narben. Da es praktisch keine psychologischen Fachpersonen im Land gibt, weil diese entweder geflüchtet sind oder in die Armee eingezogen wurden, haben Kinder keinen Zugang zu psychologischen Hilfsangeboten und somit keine Möglichkeit, leidvolle Erlebnisse zu verarbeiten. Umso wichtiger ist es, dass die Kinder frühzeitig und eigenständig Fertigkeiten (Skills) erlernen können, die nützlich gegen Ängste und Sorgen, Schlafschwierigkeiten, Müdigkeit und Traurigkeit sowie Schmerzen sind. Mithilfe einer Sammlung an kinderfreundlichen Materialien (Comfort-Kits) und basierend auf einer Technik der Hypnose und dem autogenen Training, gibt es eine wirksame und einfach anwendbare Hilfe für diese Kinder. Das Erlernen der Skills ist einfach; sie können daher von Laien oder Kindern selbst angewandt werden. Diese effiziente Methode der Comfort-Kits wurde bereits in Haiti erprobt; eine Studie hat ihre Wirkung bewiesen. In enger Zusammenarbeit mit der amerikanischen Psychologin Dr. Lisa Lombard, PhD und demU.S. National Pediatric Hypnosis Training Institute werden diese ComfortKits in den nächsten Wochen zusammengestellt. Dabei unterstützen uns aus der Schweiz Dres. med. Camilla Ceppi und Sabine Zehnder. Die Comfort-Kits werden durch uns in der Schweiz in Zusammenarbeit mit geflüchteten Menschen aus der Ukraine zusammengestellt und danach vor Ort verteilt und ihre Anwendung unterstützt. In einem zweiten Schritt planen wir die Lieferung auf Flüchtlingszentren und auch für andere Kriegsregionen und Länder auszudehnen. Projekt «Technische Orthopädie für Kriegsopfer»: Die Hilfsmittelversorgung von Kindern und Erwachsenen mit Amputationen und schwersten Kriegsverletzungen. Strukturen und Kompetenzen zu Rehabilitation und Wiedereingliederung im Leben mittels Prothesen und anderer Hilfsmittel sind in der Ukraine praktisch nicht vorhanden. Mithilfe von Experten und Expertinnen aus der Schweiz und dem nötigen Material fördern wir derzeit an zwei Orten in der Ukraine Kompetenz und Infrastruktur für technische Orthopädie, welche Menschen mit schweren Verletzungen und Amputationen versorgen können. Gleichzeitig sollten diese Kompetenzzentren zur Ausbildung für weitere Zentren dienen, welche zur Versorgung der Kriegsopfer dringend nötig sind. Zusammen mit Prof. Dr. med. Ulrich Exner von der Hirslanden Klinik Zürich und Helfenden vor Ort wie dem Schweizer Hanspeter Tschanz, ehemaliger Orthopädietechniker der Universitätsklinik Balgrist in Zürich, bauen wir eine technische Orthopädie auf. (Bitte lesen Sie auch den Bericht «Viel guter Wille – aber kaum Koordination», der im Tagesanzeiger vom 4. Mai 2022 erschienen ist.) Diese Einrichtung kommt letztlich auch wieder den Kindern mit Mehrfachbehinderungen zugute, z. B. bei der Anpassung ihrer Rollstühle und Schienen. Aber wir stehen noch am Anfang und es fehlt hinten und vorn an Fachwissen und Material, obwohl der Bedarf jetzt schon gross ist und die Zeit drängt. Denn sobald sich die ukrainischen Kinder wieder etwas freier bewegen können, ist leider nochmals ein Anstieg schwerer Verletzungen durch Minen zu erwarten. Aber wir sind zuversichtlich, dass wir mit eurer und Ihrer Hilfe mehr als nur einen Tropfen auf den heissen Stein bieten können. Die Welle der Spenden ist momentan etwas abgeflacht. Jedoch ist die Not vor Ort nach wie vor gross und weitere Hilfsgüter werden dringend benötigt. Wir danken Ihnen von Herzen, dass Sie weiterhin in der Form von Spenden einen kleinen Teil von Ihrem Glück an die ukrainischen Kinder und ihre medizinischen Versorgenden weitergeben. Es ist und bleibt unser Ziel, jeden Franken Ihrer Spende ausschliesslich für Beschaffung, Transport und Verteilung vor Ort einzusetzen. Dank der wundervollen Arbeit der ehrenamtlichen Helfenden, einem grossartigen Netzwerk und dem Nutzen von Synergien bestehender Infrastrukturen fallen in der Schweiz keine administrativen Kosten an. So fliesst wirklich jeder Franken direkt in Hilfe für die Ukraine. Danke von ganzem Herzen an alle, die das ermöglichen. ■ 1. Aus Sicherheitsgründen nennen wir öffentlich keine vollständigen Namen und keine genauen Orte, Spitäler oder Länder. Für mehr Informationen steht Jürg Streuli aber gerne persönlich zu Verfügung. Eben noch in Schweizer Spitalkellern und schon in der Ukraine – Dank Ihren Spenden und der guten Zusammenarbeit mit Swiss Orthopedics und dem Verband der Zürcher Spitäler. Hier kommt ein Ultraschall zur Anwendung, der uns von einem Zürcher Spital geschenkt wurde. Ein junger Soldat, knapp volljährig, sichtbar auf demWeg zur Besserung. Dank einem VAC können wir Wunden wirksamer behandeln und verhindern gleichzeitig weitere Antibiotikaresistenzen.

8 VERBANDSZ I ELE 02 / 2022 K I N D E R Ä R Z T E. SCHWEIZ In den letzten zwei Jahren haben wir alle als Zuhörer und oder als Vortragende viel Neues dazugelernt. Ziel des Impulsateliers 2022 war es, Denkanstösse zu geben, welche Formen der Fortbildungen in der Zukunft für KIS-Mitglieder infrage kommen. Ist die Online-Frühlingstagung, die wir zu Hause auf dem Balkon verfolgen können, sinnvoll? Was ist der Vorteil einer Jahrestagung in einem grossen Kongresshaus? Wie aufwendig sind Hybridveranstaltungen? Ist das Allergieseminar weiter als Flipped Classroom umsetzbar? Die Referenten Sören Huwendiek vom Institut für medizinische Lehre Bern und Christian Schirlo vom Studienzentrum Departement Gesundheitswissenschaften und Medizin der Universität Luzern konnten uns in drei Stunden sehr abwechslungsreich diverse Tipps geben. Für alle Seminare gilt die sogenannte Sandwichmethode: ■ Einstieg ■ Inputphase ■ Aktive Lernphase ■ Ausstieg Beim Einstieg ist es wichtig, die Teilnehmenden gleich zu aktivieren, zum Beispiel mit einem Eyecatcher, also einem Blickfang. Der Anfang eignet sich auch, um das Vorwissen und die Erwartungen zu erfragen. Eine Vorstellungsrunde ist bei mehrtägigen Veranstaltungen oder bei kleinen Gruppen (ca. < 15 Teilnehmende) zu empfehlen oder zu Beginn einer Kleingruppenarbeit. Ein Input als Frontalunterricht wird für maximal 20 Minuten anvisiert. Die Kunst ist es, den Vortrag auf die zentralen Lernziele zu reduzieren: Less is more. Danach sollte eine aktivierte Lernphase folgen, zum Beispiel in Kleingruppen (Breakout-Sessions, Buzzgroups oder, mein persönliches Lieblingswort: «Murmelgruppen»: kleine Gruppen, die sich zu einem bestimmten Thema leise austauschen). Unzählige methodische Vielfalt ist hier möglich. Beliebig können diese Input- und aktivierten Lernphasen wie bei einem Doppel-Whopper übereinandergestapelt werden. Wichtig ist es, unbedingt die Pausen nicht zu vergessen, spätestens nach zwei Stunden. Als Ausstieg eignen sich zum Beispiel Runden in Form von Blitzlichtern, in dem jeder nur einen kurzen unkommentierten Satz sagt, ein Feedback bezüglich der erfüllten Erwartungen oder der lessons learned. Die Erfahrung der letzten zwei Jahre hat gezeigt, dass sich vieles sehr gut online durchführen lässt. Praktische Untersuchungskurse zum Beispiel erfordern eine Fortbildung vor Ort, können aber als Flipped Classroom vorab oder online vorbereitet werden. Beim Flipped Classroom müssen die Teilnehmenden Lerninhalte zu Hause vorher erarbeiten und der Unterricht baut auf den gelernten Inhalten auf. Diese Methode hat dann Erfolg, wenn die Teilnehmenden zuvor alle informiert sind und der Unterricht auch entsprechend an die Hausaufgaben anknüpft und nicht nochmals alles wiederholt. Bei Hybridveranstaltungen ist eine sehr gute technische Ausstattung wichtig. Das Wichtigste an den Live-Veranstaltungen aber sind die Pausengespräche. Wir, das waren rund 15 KIS-Mitglieder, haben neben dem Wechsel zwischen Inputs und aktiven Lernphasen, wie in der Sandwichmethode vorgestellt, eben diese Pausengespräche rege genutzt. Übrigens ist das Impulsatelier, ehemals Wintertagung, offen für alle interessierten KIS-Mitglieder – vielleicht seid ihr 2023 dabei. Wir wissen jetzt alle, wie spannende Fortbildungen gestaltet werden. ■ DR. MED. IRMELA HEINRICHS LEITERIN REDAKTIONSKOMMISSION, USTER Korrespondenzadresse: iheinrichs@hin.ch Breakout Sessions, Buzzgroups, Flipped Classroom, Eyecatcher, One-Minute-Paper… Von Murmelgruppen, Blitzlichtern und Pausengesprächen Kinderärzte Schweiz Impulsatelier vom 19. Mai 2022 in Olten Fotos: Daniel Brandl Foto: Irmela Heinrichs Modell der Veranstaltungsstrukturierung nach dem Sandwich-Prinzip von DiethelmWahl (2005) Quelle: TU-Braunschweig Einstieg & Aktivierung Aktive Lernphase Vermittlung Sicherung & Abschluss

9 02 / 2022 VERBANDSZ I ELE K I N D E R Ä R Z T E. SCHWEIZ Nach pandemiebedingter zweimaliger Verschiebung trafen wir uns nun endlich wieder, im südfranzösischen Avignon. Wie erwartet war es auch 2022 ein extrem lohnenswerter Austausch unter Praxispädiater/- innen, um gemeinsam den fachlichen und berufspolitischen Puls der Praxispädiatrie der verschiedenen Länder zu fühlen. Vernehmen tut man von EAP und ECPCP bei uns in der Schweiz selten etwas – letztmals 2019. Das mag, wie so manches, Corona geschuldet sein. Von der European Pediatric Association EPA-UNEPSA hört man nie etwas. Längere Bestrebungen, den Verband mit EAP zusammenzulegen, sind bis anhin gescheitert. EAP und ECPCP sind grosse Organisationen, was naturgemäss eine gewisse Trägheit mit sich bringt. Es wird dort versucht, gemeinsame Richtlinien und Empfehlungen zu erarbeiten. Dies scheitert offenbar öfter schon an den unterschiedlichen (Versorgungs-) Systemen, von der Schwierigkeit von Kompromissen bei so vielen Mitgliedern ganz zu schweigen. Was wir anlässlich der «Ländertreffen» gehört haben, dauert es daher oft lange, bis es zu gemeinsamen Beschlüssen kommt. Ein aktuelles Projekt ist der Versuch einer Europäischen Facharztprüfung. Eigentlich eine gute Idee, würde sie helfen, die aktuell noch grossen Unterschiede europaweit zu nivellieren. Nach Ansicht der Experten von pädiatrie schweiz ist diese Facharztprüfung aber zu «einfach», weswegen pädiatrie schweiz sie bei uns nicht anerkennt. Die grossen Verbände sind aber sicherlich dafür geeignet, die Pädiatrie europa- und weltweit im Allgemeinen hoch zu halten – hier haben sie ganz bestimmt ihre Berechtigung. Die praxispädiatrischen Ländertreffen bieten die Gelegenheit zum deutschsprachigen Austausch zwischen Kinderärztinnen und Kinderärzten aus Deutschland, Frankreich, Österreich, der Schweiz und neu auch aus Südtirol. Diese Treffen sind 2017 auf Initiative von KIS entstanden. Dem Ländertreffen liegt weder ein offizieller Verband zugrunde noch hat es einen offiziellen Namen. Die Treffen waren persönlich und berufspolitisch immer sehr bereichernd, weshalb mir als Vizepräsidentin von mfe und Zuständige für pädiatrische Belange noch immer sehr viel daran liegt, die Vernetzung mit den benachbarten Ländern nicht zu verlieren. Auch aus den Reihen von KIS ist eine praxispädiatrische Vertretung der Schweiz weiterhin erwünscht und vorgesehen. Für die berufspolitische Tätigkeit bei mfe zugunsten aller Praxispädiater in der ganzen Schweiz helfen die Treffen, für die brennenden Themen zu sensibilisieren und mögliche Lösungsansätze mit nach Hause zu nehmen. Das Ländertreffen dient dem schnellen fachlichen und v.a. berufspolitischen Austausch im deutschsprachigen Raum (und durch die «deutsche Beteiligung» auch in Frankreich und Italien). Die Teilnehmer können über die kurzen und persönlichen Wege schneller an Infos aus den entsprechenden Ländern kommen, sich gegenseitig bei gemeinsamen Anliegen unterstützen, Wege zu möglichen Lösungsansätzen finden und von anderen lernen. Gegenseitiges Lernen bedeutet – sowohl negativ – was sollten wir vermeiden, wo droht schleichende Gefahr – als auch positiv – was könnte man aufnehmen. Umfangreiche spannende Traktanden standen auf dem Programm. Frankreich berichtete über drei Projekte ambulanter Praxisforschung in Kooperation mit einem Softwareanbieter. Daraus ergaben sich eine Empfehlung für Folgemilch bis drei Jahre, neue Percentilenkurven und mit sehr geringem Aufwand laufend aktuelle epidemiologische Daten zu Infektionskrankheiten. DR. MED. HEIDI ZINGGELER FUHRER VIZE-PRÄSIDENTIN MFE, ZUSTÄNDIGKEIT PÄDIATRIE, CHUR Korrespondenzadresse: h.zinggeler@mez-chur.ch Es gibt in Europa drei verschiedene offizielle Zusammenschlüsse Pädiatrischer Verbände. Bei European Academy of Paediatrics (EAP) und European Confederation of Primary Care Paediatricians (ECPCP) ist die Schweiz durch Pädiatrie Schweiz vertreten. Das Praxispädiatrische Ländertreffen entstand 2017 auf Initiative von Kinderärzte Schweiz zum berufspolitischen Austausch deutschsprachiger Praxispädiater initial nur mit Deutschland, zwischenzeitlich mit fünf verschiedenen Ländern. Endlich wieder praxispädiatrisches Ländertreffen – neu fünf Länder und in Avignon! EUROPEAN ACADEMY OF PAEDIATRICS EAP EUROPEAN CONFEDERATION OF PRIMARY CARE PAEDIATRICIANS ECPCP EUROPEAN PEDIATRIC ASSOCIATION EPA-UNEPSA

10 VERBANDSZ I ELE 02 / 2022 K I N D E R Ä R Z T E. SCHWEIZ Der Erfahrungsbericht über die seit 2018 bestehende Impfpflicht in Frankreich zeigte wider Erwarten eine deutliche Verbesserung des Impfimages nicht nur bei der Allgemeinbevölkerung, sondern insbesondere auch bei Eltern, Kinderärzten und Allgemeinmedizinerinnen. Grabenkämpfe zwischen Impfbefürworterinnen und -gegnern wurden merklich weniger, die Durchimpfungsrate stieg. Konsens beim Vergleich der Abläufe und Massnahmen gegen Covid in den einzelnen Ländern war: Schulschliessungen waren retrospektiv unnötig lange, wenig wirksam und hatten viele negative Begleiterscheinungen zur Folge. Bei einer erneuten Pandemie müssten diese möglichst verhindert werden. Weltweit besteht eine Zunahme der Adipositas. Österreich berichtete über präventive und therapeutische Interventionen bei Übergewicht und Adipositas. Während der Pandemie kam es in Österreich zu einer Zunahme der Adipositas der 7–10-Jährigen von 15 auf 19,6% bei den Mädchen und von 15,4 auf 21,3% bei den Buben. Laut der WHO-Studie von 2007 bleiben 60% der Kinder mit Übergewicht vor der Pubertät im frühen Erwachsenenalter übergewichtig. Das Ausmass an Fernsehkonsum korreliert mit dem Ausmass der Adipositas (mangelnde Bewegung und erhöhte Energiezufuhr). Es ist absehbar, was passiert, wenn 50% der Kinder einen eigener Fernseher (BRD) haben und bis zu 10 Nahrungsmittel pro Stunde beworben werden. Um Übergewicht und Adipositas entgegenzutreten, setzen sich die deutschen Praxispädiaterkollegen für ein Verbot der explizit an Kinder gerichteten Nahrungsmittelwerbung (inkl. auch auf Social Media), eine Zuckersteuer und eine Nährwertkennzeichnung ein. Die österreichischen Kolleginnen erachten den Fokus «in der Schwangerschaft und zu Beginn des Lebens», niederschwellige und automatisierte Möglichkeiten (gesundes Essen in der Krippe, Sport für Betroffene in den Vereinen, Werbeverbot für «Kinderessen», Broschüren («Mein Kind isst gesund», «Let’s move») als am effektivsten und streben ein nationales Konzept zur Therapie an. Das Projekt «1000 Jours» – Präventionsprogramm (Frankreich) zur Gesundheitsförderung der Familie (Eltern und Kinder) ab Beginn der Schwangerschaft bis zum 2. Geburtstag inkl. entwicklungsfördernden UmOben v.l.: Bernhard Jochum (A), Karin Geitmann (D), Tilman Kaethner (D), Wilhelm Sedlak (A), Helena Gerritsma Schirlo, Thomas Fischbach (D), Heidi Zinggeler Fuhrer, Christine Magendie (F), Viktoria Leitner (Begleitperson) Unten v.l.: Andreas Werner (F), Yvonne Leitner (I), Daniela Karall (A), Jan Cahlik, Severine Werner (Begleitperson), Fabienne Kochert (F), Frank Magendie (Begleitperson) Foto: Barbara Jochum

11 02 / 2022 VERBANDSZ I ELE K I N D E R Ä R Z T E. SCHWEIZ gang (siehe auch Kurzfilm https://www.youtube.com/ watch?v=w53VtqrM328&t=1s) zeigt auf, wie breit Gesundheitsförderungsmassnahmen gedacht werden müssen. Zum Thema «Pädiatrie und Umwelt» hat Christine Magendie aus Frankreich, welche schon mehrfach Gast an der Jahrestagung von Kinderärzte Schweiz war, uns erneut dafür sensibilisiert, dass eine gute gesundheitliche Betreuung der Kinder ohne gute Zukunftsaussichten unnütz ist. Die bedrohliche Umweltlage macht rasche und einschneidende Veränderungen des Verhaltens von uns allen zwingend. «Wem Kinder am Herzen liegen, der muss sich auch darum kümmern, in welcher Welt sie gross werden und leben» und «Die Klimakrise ist eine Kinderrechtskrise» habe ich mir hinter die Ohren geschrieben. Angedacht ist ein gemeinsames Projekt für den Umweltschutz, z. B. ein Plakat für die Praxis (mit Logos aller Verbände) Bsp: «Stillen ist gut für Kind, Mutter UND die Umwelt» oder Empfehlungen für die Umsetzung im Praxisalltag (Bsp.: Reduzierung des Materialverbrauchs, Veloparkplätze,…) Der fachliche Beitrag zum «epidemischen kurzen Zungenbändchen in Europa» (Österreich) mit Informationen zu wissenschaftlichen Untersuchungen, Diagnosekriterien (Merkblatt zu Vorabklärungen) und Therapieempfehlungen resp. Hinweis auf Webinars war erleuchtend. Ganz praktisch wurde diskutiert, ob der BVKJ «Shop» für die Mitglieder der anderen Landesverbände geöffnet werden könnte. Dies würde auch diesen geldwerte Vorteile bieten resp. den Ausbau von Mitgliederdienstleistungen durch Kooperation ermöglichen. Weitere gemeinsame Projekte und Kooperationen wurden andiskutiert. Das durch Kooperation in der Schweiz bereits erschienene Manual für MPA in Deutsch könnte gemeinsam vielleicht auch in Französisch und Italienisch herausgegeben werden. Auch ein Austausch von Fachartikeln für die Verbandszeitschriften, Positionspapiere (Berufsbild), von Ideen (z. B. für «Give-aways») oder eine gemeinsame Plattform wären mögliche gemeinsame Projekte. Aber auch gemeinsame Auftritte, Pressemitteilungen oder Pressekonferenzen zum Beispiel bzgl. unseres Treffens mit Schwerpunkt «1000 Tage» und Umwelt wurden in Erwägung gezogen. Selbst beim abschliessenden Frühstück wurde noch diskutiert (gendergerechte Sprache in den Verbänden) und die Planung des nächsten Treffens bereits konkret besprochen, inkl. möglicher Themen (Struktur der Mitgliedsbeiträge unter besonderer Beachtung der Nachwuchsrekrutierung). Es wurden auch ergänzende Videokonferenzen (zwischen den Treffen) vereinbart. Zudem wurde KIS als Gast zu ECPCP eingeladen – leider ist die Vorlaufzeit hierfür zu kurz. Der gegenseitige Austausch hat alle Teilnehmer beflügelt, sich gemeinsam auch weiterhin für praxispädiatrische Belange verschiedenster Art einzusetzen. Der rege Austausch findet auch nach unserem Treffen in Avignon noch weiter statt. Per Chat – so wie es sich in der heutigen Zeit anbietet. ■ Adipositas: Herunterzuladen bei «Broschüren» der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde «1000 Jours» – Präventionsprogramm Merkblatt zu Vorabklärungen Diagnosekriterien Zungenband Nächste Schritte ■ Gemeinsame Pressemeldung ■ Umweltaktion ■ Onlinefortbildung «Zungenband» ■ Studien (z.B. Infektiologie) in Kooperation mit Softwareanbietern: Überprüfung, ob Ähnliches in anderen Ländern möglich ist ■ BVKJ Shop öffnen für andere Länder: exklusiv für die entsprechenden Verbandsmitglieder ■ Absprachen organisieren (Videokonferenz) ■ Vergleich der Finanzierung der Verbände ■ Handhabung Genderfrage ■ Videokonferenz alle 4–6 Monate ■ Nächstes Treffen in Bozen Frühjahr 2023

12 In der Druckausgabe befindet sich auf dieser Seite ein Hinweis für medizinische Fachpersonen.

13 01 / 2020 BERUFSPOL I T I K K I N D E R Ä R Z T E. SCHWEIZ Modern Times: Episode aus der Praxis Unser Mitglied Stephan Rupp aus Einsiedeln hat uns im Februar 2022 berichtet: «Mikaela kommt zur regulären Vierjahreskontrolle. Wie alle Kinder frage ich sie, was sie auf dem Bild vom Lang-Stereotest sieht. Die Antwort kommt wie aus der Kanone geschossen: «Ein (Corona-)Zertifikat!» (Text: Stephan Rupp / KIS-DFB / Illustration: www.coronavirus.bs.ch) Umstellung auf QR-Rechnung und elektronischen Rechnungsversand Unsere Rechnungsformulare wurden auf die neuen QR-Rechnungen umgestellt. Zeitgleich haben wir unsere Prozesse optimiert und übermitteln Ihnen unsere Rechnungen für Kursgebühren oder Mitgliederbeiträge elektronisch per E-Mail. Sie erhalten Ihre Rechnungen an Ihre bevorzugte E-Mail-Adresse für Korrespondenz, welche in unserer Datenbank hinterlegt ist (die E-Mail-Adresse, auf der Sie unsere Rundmails empfangen). Falls Sie Ihre Rechnungen an eine andere E-Mail-Adresse wünschen, teilen Sie uns bitte die für den Rechnungsversand gültige E-Mail-Adresse mit: info@kinderaerzteschweiz.ch. Vielen Dank! (Text: KIS-BK / Illustration: Raiffeisen Schweiz) Ressourcen für Geflüchtete aus der Ukraine Um den in der Schweiz ankommenden Geflüchteten ein gastfreundliches und unterstützendes Umfeld sowie eine optimale medizinische Versorgung zu bieten, haben wir mit freundlicher Unterstützung der Referenzgruppe Migration von pädiatrie schweiz auf der Kinderärzte Schweiz Webseite eine praktische Sammlung von Links und Dokumenten publiziert. Diese sind in fünf Kapitel gruppiert: • Ressourcen für Ärztinnen und Ärzte in der Schweiz • Ressourcen für geflüchtete Eltern/Bezugspersonen und Kinder • Ressourcen für Ärztinnen und Ärzte aus der Ukraine • Ressourcen für Familien und Kinder, die sich in der Ukraine befinden (Ressources for families and children in Ukraine) • Diverses Ausserdem finden Sie in unserem Stellenmarkt neu eine Jobbörse für ukrainische Ärztinnen und Ärzte, in der wir kostenlose Inserate publizieren von ukrainischen Ärztinnen und Ärzten, welche eine Anstellung in der Schweiz suchen. Diesen Service bieten wir auch Nichtmitgliedern gratis an. (Text: KIS-DFB / Bild: Wikimedia Commons) Nasale Grippeimpfung Mitte Mai erhielten wir die Information, dass Swissmedic einen nasalen Grippeimpfstoff von Astra Zeneca zugelassen hat. Eigentlich eine gute Nachricht, doch kommt sie zu einem äusserst ungünstigen Zeitpunkt, denn die meisten von uns haben bereits die Grippeimpfstoffe für diesen Herbst bestellt. Zudem sind noch einige Punkte ungeklärt – so zum Beispiel, ob die verfügbare Menge den gesamten Bedarf abdecken kann sowie ob es eine Kostenübernahme durch die Versicherungen geben wird. Da die EKIF gemäss unseren Informationen keine Präferenz für irgendeine Impfung abgeben wird, empfehlen wir nach Rücksprache mit Prof. Christoph Berger folgendes Vorgehen: Diejenigen, die bereits die Grippeimpfungen für die kommende Saison (2022/23) bestellt haben, sollen diese «konventionellen» Impfstoffe verwenden. Wenn jemand noch keine Bestellungen getätigt hat, so steht es allen (natürlich) im eigenen Ermessen frei, ob sie den neuen nasalen Impfstoff verwenden wollen – unter Berücksichtigung der oben genannten Unklarheiten (Verfügbarkeit und Kostenübernahme). (Text: KIS-JC) KIS News: Neu QR Codes anstelle von Links Auf die gute Anregung unseres Mitglieds Sylwia Kubiak hin publizieren wir ab dieser Ausgabe anstelle von Links, welche meist mühsam abzutippen sind, neu QR Codes, über welche Sie schnell und einfach auf die zitierten Webseiten finden. Vielen Dank für den Vorschlag, Sylwia! (Text: KIS-DFB) Pinnwand Lesenswertes aus dem KIS Vorstand, unseren Arbeitsgruppen und dem Rest der Welt Bücher über Frieden vom NordSüd Verlag frei zugänglich Täglich erschüttern uns neue Meldungen zum Krieg in der Ukraine. Wir finden auf die Geschehnisse kaum Antworten, müssen uns aber den Fragen der Kinder stellen. Einige Bücher des NordSüd Verlags finden einen altersgerechten Umgang mit den Themen Krieg und Flucht. Aufgrund der hohen Nachfrage sind einig e dieser Bücher derzeit vergriffen. Der NordSüd Verlag stellt sie daher digital und kostenlos zur nicht-kommerziellen Verwendung zur Verfügung: FRIEDEN Baptiste und Miranda Paul, illustriert von Estelí Meza Zum digitalen Buch SECHS MÄNNER David McKee Zum digitalen Buch DIE FLECKENFEDER Johanna Ries Zum digitalen Buch VARENKA Bernadette Zum digitalen Buch DER REGENBOGENFISCH STIFTET FRIEDEN Marcus Pfister Zum digitalen Buch DER GEHEIMNISVOLLE KOFFER VON HERRN BENJAMIN Pei-Yu Chang Zum digitalen Buch WEM GEHÖRT DER SCHNEE? Pei-Yu Chang Zum digitalen Buch Die Bücher sind unter den oben genannten QR Codes abrufbar und dürfen auch geteilt werden. Bei Fragen steht Ihnen der NordSüd Verlag gerne zur Verfügung: info@nord-sued.com (Text/Bilder: NordSüd Verlag / KIS-DFB)

14 In der Druckausgabe befindet sich auf dieser Seite ein Hinweis für medizinische Fachpersonen.

15 02 / 2022 BERUFSPOL I T I K K I N D E R Ä R Z T E. SCHWEIZ Nachfolge Dies hätte der letzte Artikel aus unserer Feder sein können. Nun geht es in die Verlängerung. Das ist gute und schlechte Nachricht zugleich. Im Vorstand mfe gilt eine Amtszeitbeschränkung auf drei dreijährige Amtsperioden. Tatsächlich sind wir schon neun Jahre im Amt. Viel Arbeit liegt hinter uns. Nicht weniger vor uns. Es drohte der gleichzeitige Austritt aller drei Pädiater aus dem achtköpfigen Vorstand mfe. Vielleicht nicht weltbewegend, aber für die Interessen der Pädiatrie doch einschneidend. Für das Ressort e-health und die Nachfolge von Pius Bürki konnte mit Michael Bagattini ein Hausarzt-Kollege gefunden werden. Weitere Kandidaturen gab es keine, weder solche mit Interesse für Tarifarbeit noch solche aus der Pädiatrie. Die Delegiertenversammlung hat deshalb einstimmig einer einmaligen Amtszeitverlängerung von Heidi Zinggeler Fuhrer und Rolf Temperli zugestimmt. Das ermöglicht uns, weiterhin die Sichtweise der Pädiatrie im Vorstand mfe zu vertreten und gemeinsam den Schwerpunkt Tarife zu leiten. Heidi Zinggeler Fuhrer bleibt Vizepräsidentin, verantwortlich für die Pädiatrie und den neu geschaffenen Schwerpunkt Dienstleistungen und Events. So weit, so gut!? Nein, unsere Nachfolge muss jetzt und mit verstärkten Anstrengungen an die Hand genommen werden. Ab sofort sind wir eine Übergangslösung. Eine nochmalige Amtszeitverlängerung ist ausgeschlossen. Selbstverständlich, der mfe Vorstand würde auch ohne Pädiaterinnen funktionieren. Nur würde die Pädiatrie massiv an Wissen und Einfluss in der Politik verlieren. Pädiatrische Interessen können am besten von der Pädiatrie erkannt, formuliert und vertreten werden. Die ausnahmsweise genehmigte Amtszeitverlängerung verschafft der Pädiatrie eine Verschnaufpause. Die ist allerdings kurz und muss genutzt werden. Der Countdown läuft. Für uns und für die pädiatrischen Verbände. Tarif Zwischen Redaktionsschluss und Erscheinen dieser News wird noch viel passieren. Wir warten auf den Entscheid des Bundesrates zu Tardoc und auf die Entscheide des Parlaments zu zahlreichen Kostensparmassnahmen. Jederzeit ist mit der Stellungnahme des Bundesrates zu Tardoc zu rechnen. mfe wird so bald wie möglich Informationen liefern und gegebenenfalls Tarifkurse anbieten. Inhaltlich und im Gebrauch wird sich im Vergleich zu Tarmed nicht viel ändern. Wer Tarmed verstanden hat, wird auch mit Tardoc keine Probleme haben (im Übrigen ist die letzte Version Tardoc 1.3 auf der FMH-Webseite für alle zugänglich und kann jederzeit studiert werden). Noch ungewiss sind die finanziellen Auswirkungen auf die Kinder- und Hausärztinnen. Der Hausarztzuschlag fällt weg. Die ambulante Pädiatrie sollte aber von verbesserten Kinderzuschlägen profitieren können. Sollte der Bundesrat tatsächlich den Referenzlohn unter das aktuelle und 30 Jahre alte Niveau senken, so müsste auch die Grundversorgung empfindliche Lohneinbussen hinnehmen. Kostensparmassnahmen I Die im Vergleich zum Pandemiejahr 2020 ansteigenden Gesundheitskosten sind weder dramatisch noch unerwartet. Trotzdem verleiten sie den Krankenkassenverband santésuisse dazu, in den Medien die Prämienkatastrophe herbeizureden (und im Hintergrund Tardoc zu blockieren). Ein Prämienanstieg ist nach einer Nullrunde im Vorjahr keine Überraschung, aber willkommener Anlass, mehr oder weniger einschneidenden Sparmassnahmen das Wort zu reden. Mehrere Lawinen sind losgetreten und nehmen Fahrt auf. Aktuell stehen zwei Volksinitiativen in den eidgenössischen Parlamenten zur Diskussion (Kostenbremseinitiative der Mitte: Prämienanstieg gekoppelt an Entwicklung der Wirtschaft und der Löhne; Prämienentlastungsinitiative der SP: maximal 10%des Einkommens für Krankenkassenprämien). Noch wird über mögliche Gegenvorschläge beraten. Der Bundesrat hat als Gegenvorschlag Zielvorgaben ins Spiel gebracht (eine vorgezogene Massnahme aus seinem Kostensparpaket 2). Damit will er den erlaubten Kostenanstieg im ganzen Bereich, der durch die obligatorische Krankenpflegeversicherung OKP abgedeckt ist, jeweils im Vorjahr festlegen. Ebenfalls wieder in der parlamentarischen Beratung ist der schon einmal abgelehnte KVGArtikel 47c, welcher die Tarifpartner dazu zwingen will, bei «unerklärbarem Kostenanstieg» Korrekturmassnahmen zu beschliessen. Je nach Ausgang der parlamentarischen Debatte steht ein Referendum vonseiten der Ärzteschaft zur Diskussion. Unterdessen sind wir geübt in Sachen Unterschriftensammlung. Und in Abstimmungen erfolgreich. Kostensparmassnahmen II Gerade eben haben wir die Jahresbeiträge für zahlreiche Verbände bezahlt (oder auch nicht): FMH, Kantonale Ärztegesellschaft, Regionaler Ärzteverein, pädiatrie schweiz, KIS, mfe Schweiz, regionaler oder kantonaler Haus- und Kinderärzteverband etc. Zahlreiche Kolleginnen und Kollegen fragen sich jeweils, ob es das braucht – immerhin addieren sich alle Beiträge auf gut und gerne Fr. 4000 pro Jahr – oder ob sie eigene Kostensparmassnahmen ergreifen sollen. Kann man. Nur ist das einerseits sehr kurzfristig gedacht. Und andererseits ist das Schwarzfahren sehr unfair. Alle profitieren selbstverständlich von den Arbeiten, welche andere erledigen und man bürdet die Kosten dafür ebenso selbstverständlich den zahlenden Kolleginnen und Kollegen auf. Kein Trittbrettfahren. Nirgendwo. Mehr Engagement. Und schöne und entspannte Sommerwochen. Mit einem Blick auf das Tarifgeschehen. ■ DR. MED. ROLF TEMPERLI VORSTANDSMITGLIED MFE, EHRENMITGLIED KINDERÄRZTE SCHWEIZ, LIEBEFELD Korrespondenzadresse: temperli-rossini@bluewin.ch DR. MED. HEIDI ZINGGELER FUHRER VIZE-PRÄSIDENTIN MFE, ZUSTÄNDIGKEIT PÄDIATRIE, CHUR Korrespondenzadresse: h.zinggeler@mez-chur.ch

16 FRÜHL INGSTAGUNG 02 / 2022 K I N D E R Ä R Z T E. SCHWEIZ Die Natur macht es uns im Frühling vor. Die Tage werden heller und wärmer. Die Natur kommt aus dem Winterschlaf. Sie setzt ungeahnte Kräfte frei. Wir staunen, wie einfach es für sie ist, die Trägheit des Winters abzuschütteln. Im Frühling steckt ein Energiepotenzial, das ansteckend und wohltuend ist. Diese Frühlingsenergie hat sich Kinderärzte Schweiz nach 2021 zum zweiten Mal zunutze gemacht, um ihren Mitgliedern eine interdisziplinäre Online-Tagung anzubieten. Die Begrüssung der rund 300 Teilnehmenden gestalteten Helena Gerritsma Schirlo und Sandra Burri. Sie führten gekonnt durch die Veranstaltung. Der erste Teil des vielseitigen Fortbildungsprogramms richtete sich an das Zielpublikum der medizinischen Praxisassistentinnen. Den Auftakt der Tagung machte Silvano Vella, Neuropädiater aus Bern. Er betonte die Nützlichkeit von Videoaufnahmen bei kindlichen Zuckungen. Videos erlauben die Dringlichkeit der Konsultation festzulegen und sind diagnostisch hilfreich. Sergio Stocker, Praxis- und Spitalpädiater Zürich, zeigte auf, wie herausfordernd es für Eltern ist, den kindlichen Gesundheitszustand ohne die Verwendung des Wortes Apathie zu beschreiben. Der zweite Teil richtete sich an Kinder- und Jugendmediziner. Iris Bachmann verdeutlichte, dass pädiatrische Notfallsituationen vom Praxisteam zielführend gemeistert werden können. Dazu braucht es, wie bei den katalanischen «castellers», welche Menschentürme bauen, eine kluge, abgestimmte Teamarbeit. Anna-Barbara Schlüer stellte wertvolle Tipps und Tricks der Wundbehandlung vor. Abschliessend verlieh Daniel Trachsel mit seinen präzisen Erklärungen zu Apathien wegen Intoxikationen und metabolischen Ursachen der Veranstaltung noch einmal Schub. Am Ende des Nachmittags stand für die zahlreichen Teilnehmenden fest, dass sich die Beteiligung an der Fortbildung gelohnt hatte, weil auch dieses Mal die ausgezeichneten Referierenden praxisrelevantes Wissen transportiert haben. Wir bedanken uns bei allen Sponsoren, von denen wir bei der Realisation der Veranstaltung unterstützt worden sind. Ohne sie und ohne die kraftvolle Unterstützung durch die Geschäftsstelle mit Dr. Daniel Brandl und Beatrice Kivanc könnte eine entsprechende Tagung nicht durchgeführt werden. ■ DR. MED. CAMILLA CEPPI COZZIO LEITERIN ARBEITSGRUPPE JAHRESTAGUNG, DÜBENDORF Korrespondenzadresse: c.ceppi@hin.ch Frühlingstagung 2022 Team-Referat für Ärztinnen / Ärzte und MPAs Eindrücke vom Referat «TEAM – Arbeit in pädiatrischen Notfallsituationen – Força, Equilibri, Valor y Seny» Was wohl diese vier Worte bedeuten und was haben sie zu tun mit dem Thema Teambildung, über das uns Iris Bachmann sehr viel Praxisrelevantes erzählen wird? Wer kennt sie nicht, diese Situation: Wir arbeiten gemütlich in unserer Komfortzone der täglichen Praxisroutine und dann stürmt ganz plötzlich der bedrohliche Säbelzahntiger herein in Gestalt eines dyspnoischen Kindes? Iris Bachmann vermittelt auf eine frische, begeisternde und motivierende Art Ideen, wie wir den Übergang von der Komfortzone in die Panikzone besser meistern können. Ein Geheimnis liegt in der guten Teamarbeit: Together Everyone Achieves More! Ein eindrückliches Beispiel für eine solch gelungene Teamarbeit sind die Menschenpyramiden (Castillers), die als Tradition in Kastilien an Festivals gebaut werden. Damit diese Pyramiden stabil errichtet werden können, braucht es Kraft (Força), was für ein Praxisteam Verantwortungsübernahme und Entscheidungskraft bedeutet, und Gleichgewicht (Equilibri), was in unserem Fall eine ausgeglichene Aufgabenverteilung meint. Ausserdem braucht es eine gute Kommunikation, die manchmal auch ein wenig Mut (Valor) erfordert, um das gemeinsame Ziel (Seny) zu erreichen. Was bedeutet das nun konkret für unsere Notfallsituationen? Es lohnt sich, alle 2–3 Monate unsere Notfallabläufe und das Material zusammen mit unserem Team zu kontrollieren. Checklisten und Dosis-Tabellen vereinfachen das Vorgehen und führen zu Routine, was zu einer Verminderung von Fehlern führt. Unsere Sprache sollte zielgerichtet sein (nicht «man sollte die Ambulanz rufen», sondern «XY soll die Ambulanz rufen») und alle Teammitglieder dürfen zum Mitdenken ermutigt werden. Doppelchecks, zum Beispiel vor einer Injektion, brauchen nur minim mehr Zeit und tragen zu mehr Sicherheit bei. Der Zufall wollte es, dass ich bereits am Folgeabend aus meiner Komfortzone geholt wurde durch ein Kleinkind mit einer anaphylaktischen Reaktion. Fazit: Meine Lernzone hat sich schon ein wenig vergrössert und ich fühlte mich der bedrohlichen Situation gegenüber nicht hilflos, dank der guten Zusammenarbeit zwischen MPA und mir. ■ REFERENTIN: DR. MED. IRIS IRENE BACHMANN HOLZINGER Oberärztin interdisziplinäre Notfallstation Co-Leitung Simulations- und Trainingszentrum Universitäts-Kinderspital Zürich AUTORIN: DR. MED. JACQUELINE SCHNEITER Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin FMH, Männedorf Korrespondenzadresse: Jschneiter@bluemail.ch (v.l.n.r. Helena Gerritsma Schirlo, Sandra Burri)

17 02 / 2022 FRÜHL INGSTAGUNG K I N D E R Ä R Z T E. SCHWEIZ Ärztinnen- und Ärzte-Referat 1: Wundversorgung praxisnah Wunden immer zuerst reinigen und dann beurteilen Im Alltag erlebe sie leider oft, dass Wundreinigung vernachlässigt oder unterlassen werde, sagte Dr. AnnaBarbara Schlüer. Sie kann mit einer physiologischen Lösung oder mit Aqua dest. und einer sterilen Vlieskompresse, die etwas grösser als die Wunde sein soll, durchgeführt werden. Wundreinigungstücher (UCS™ Debridement) sind vor allem bei Schürfwunden, kleineren Verbrennungen und Verbrühungen sowie bei frischen, akuten Wunden, die stark verkrustet sind, zur Reinigung und als leichtes Debridement gut geeignet. Nicht alle Wunden müssen routinemässig desinfiziert werden. Das gilt beispielsweise für gereinigte, debridierte, oberflächliche Schürfwunden. Im Zweifelsfall könne man in solchen Fällen ein antiseptisches Hydrogel (octenisept® Gel) verordnen (am besten «OctenidinHydrogel» in das Rezept schreiben, damit es von der Krankenkasse übernommen wird). Wenn eine Wunde desinfiziert werden muss, ist zu bedenken, dass die transkutane Aufnahme von Wirkstoffen bei Kindern eine grössere Rolle spielt als bei Erwachsenen. Insbesondere im Säuglingsalter sollten deshalb einige Desinfektionsmittel allenfalls zurückhaltend eingesetzt werden, weil sie Alkohol und/oder Substanzen wie Silber, Povidon-Jod, Salicylsäure, Harnstoff, Neomycin, Lidocain oder Prilocain enthalten: «Sie haben ganz klar ihre Berechtigung, aber sie müssen gezielt angewendet werden», sagte Schlüer. Das Verbandmaterial sollte ein möglichst langes Wechselintervall ermöglichen und nicht mit der Wunde verkleben. Beim Pflasterwechsel sind silikonbasierte Pflasterlösemittel hilfreich. Sie eignen sich auch dafür, verklebte Gaze von einer Wunde abzulösen. Man kann die Gaze aber auch mit sauberem Wasser oder NaCl 0,9% gut anfeuchten und dann vorsichtig ablösen. Generell gilt beim Pflasterwechsel: «Lieber sanft ablösen als etwas wieder aufreissen!» ■ REFERENTIN: ANNA-BARBARA SCHLÜER PHD, MSCN, RN Leiterin klinische Pflegewissenschaft, Universitäts-Kinderspital Zürich AUTORIN: DR. RENATE BONIFER Redaktorin «Pädiatrie», Neuhausen am Rheinfall Korrespondenzadresse: renate.bonifer@rosenfluh.ch Ärztinnen und Ärzte Referat 2: Das apathische Kind (Teil 2) Differenzialdiagnosen der Apathie im Kindesalter Daniel Trachsel gibt uns in seinem Online-Referat einen sehr ausführlichen und anschaulichen Überblick über die Differenzialdiagnosen der Apathie im Kindesalter. Was ist eigentlich Apathie? Es ist ein unspezifisches Symptom, deshalb ist es schwer zu sagen, woher es kommt. Es ist aber klar ein Warnsymptom des ZNS und muss deshalb sehr ernst genommen werden, da sich der Zustand akut verschlechtern kann. Was ist denn die Definition der Apathie? ■ Aus neuropsychologischer Sicht handelt es sich um eine Antriebslosigkeit und Motivationsverlust für physische, kognitive oder emotionale Aktivität. Das ist aber eher eine chronische Apathie, welche vor allem den Geriater oder den Psychiater beschäftigen dürfte. ■ Aus pädiatrischer Sicht ist es der Beginn einer zunehmenden Bewusstseinstrübung, wobei die Reaktion auf äussere Reize vermindert ist. Das Kind ist wach und teilnahmslos, es kann aber auch zu Somnolenz bis hin zum Koma führen. Es ist also eine akute Enzephalopathie. Daniel Trachsel stellt uns dann verschiedene, eindrückliche Kasuistiken vor, welche die wichtigsten Differentialdiagnosen erläutern. Hypoglykämie: BZ innerhalb von 15 Min. messen, Grenzwert 3,0 mmol/L Grund für eine Hypoglykämie kann eine Stoffwechselstörung sein, deshalb nach Möglichkeit auch Urin, Serum- und Plasmaröhrchen asservieren. Die meisten Kinder haben aber keine Stoffwechselstörung, REFERENT: PROF. DR. MED. DANIEL TRACHSEL Leitender Arzt Pädiatrische Intensivstation und Pneumologie, Pneumologischer Leiter Schlafmedizin, UniversitätsKinderspital beider Basel (UKBB), Basel AUTORIN: DR. MED. CHRISTINE DAHINDEN Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin FMH, Bern Korrespondenzadresse: christinedahinden@bluewin.ch

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