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Pro Senectute Kanton Luzern 1 | 17

Mit 64 Frauen – einem Frauenanteil von 32 Prozent – ist

der Nationalrat heute so weiblich wie noch nie. Doch der

Weg zur Gleichberechtigung war und bleibt steinig. Im

Bundesstaat von 1848 gab es Bürger zweiter Klasse. Wer

nicht selbst eine Familie ernähren konnte und keinen

Militärdienst leistete, war politisch nicht mündig: Armen-

genössige, Konkursiten, Nicht-Christen, Ausländer, «Sitten-

lose» – sowie die Frauen hatten kein Stimm- undWahlrecht.

Das Ehe-, Güter- und Erbrecht unterstellte die Gattin

der Vormundschaft des Ehemannes. Bis 1881 brauchten

ledige oder verwitwete Frauen für sämtliche Geschäfte und

Verträge einen männlichen Vormund. «Kinder, Kirche,

Küche» – darauf war das Aktionsfeld der Frauen reduziert.

Schon 1873 hatte Marie Goegg in Genf die Gleichstellung

der Frau vor demGesetz gefordert. 1904 nahmen die Sozial-

demokraten diese Forderung in ihr Parteiprogramm auf.

Der lange Weg zum Frauenstimmrecht

1918 war das Frauenstimmrecht eine der Forderungen des

Generalstreiks. Der Nationalrat überwies 1919 zwei zustim-

mende Motionen von SP und FDP an Bundesrat

Häberlin (FDP). Dieser schob die Behandlung jedoch wegen

«dringenderer Probleme» auf. 15 Jahre später, 1934, übergab

er das unerledigte Geschäft seinem Nachfolger mit dem

Hinweis: «Das Material für das Frauenstimmrecht liegt in

der mittleren Schublade rechts Deines Schreibtisches.»

Zwischen 1919 und 1921 wurden mehrere Abstimmun-

gen zur Einführung des Frauenstimmrechts auf kantonaler

Ebene abgelehnt. 1923 reichte eine Gruppe von Bernerin-

nen eine staatsrechtliche Beschwerde ein. Sie wollten ihr

«Stimmrecht in Gemeinde-, Kantons- und Bundesan-

gelegenheiten ausüben». Das Bundesgericht lehnte ab: Es

sei nicht befugt, in politischen Fragen von der herkömmli-

chen Bedeutung männlicher Begriffe (Schweizer, Bürger)

abzuweichen. Eine Petition für das Frauenstimmrecht er-

reichte 1929 170 397 Unterschriften von Frauen und 78 840

Unterschriften von Männern. Sie blieb wirkungslos.

Nach dem Krieg versuchten es die Frauen erneut: 1948

wurden im ganzen Land Feiern zum 100-jährigen Bestehen

der Bundesverfassung durchgeführt und die «Schweiz, ein

Volk von Brüdern», gefeiert. Die Frauenverbände bauten

das Motto um zu einem «Volk von Brüdern ohne Schwes-

tern» und überreichten dem Bundesrat symbolisch eine

Europakarte mit einem schwarzen Fleck in der Mitte. Zahl-

reiche Frauen hatten sich im Krieg für das Land engagiert:

im militärischen Frauenhilfsdienst (FHD), im Landdienst

und in der Organisation «Heer und Haus». Nun forderten

sie endlich gleiche Rechte.

Die erste Frauenrechtswelle entstand wohl in den USA

um 1848, wo Bürgerrechtlerinnen die Menschenrechte für

die Schwarzen und für sich selbst einforderten. 1860 erhiel-

ten inWyoming, imWildenWesten, die Pionierfrauen erst-

mals das Wahlrecht. Auf gesamtstaatlicher Ebene wurde es

1900 in Neuseeland und Australien eingeführt – in Finn-

land 1906. Deutschland, Österreich und Russland folgten

1918, Frankreich, Japan, Jugoslawien, Belgien und Italien

1945/46.

1957 fand die Volksabstimmung über die Einführung

des obligatorischen Zivilschutzdienstes für alle Frauen statt.

In Unterbäch VS stimmten auch 33 mutige Frauen in einer

Der steinige Weg zum

«Erst heute begreife ich jene Männer, die mir

am Anfang meiner Karriere sagten, die Frau

gehöre ins Haus. Recht hatten sie. Die Frauen

gehören ins Gemeindehaus, ins Rathaus, ins

Bundeshaus»: Zitat Josi Meier, ehemalige

CVP-National- und -Ständerätin, 1993.

Setzten sich vehement für das Frauenstimmrecht ein:

Peter von