Zenit Nr. 3. September 2025

Heliane Canepa «Jeder muss sein Leben selber leben» 3|25 SEPTEMBER Blick in die Geschichte Via Francigena – Pilgerweg nach Rom Herbstsammlung Spenden für die Altersarbeit Was macht eigentlich? Zu Besuch bei Sr. Annelis Kurmann SCHWERPUNKT: Endlichkeit

Tanzen mit neurologischen Herausforderungen Tanz Informationen und Anmeldung: konTAKT@luzernertheater.ch luzernertheater.ch/kontakt0

EDITORIAL Die Kostbarkeit des Hier und Jetzt Endlichkeit – ein Wort, das nachdenklich stimmt. Sie wird verdrängt und weggeschoben. Es wird nicht dar- über gesprochen. Gerade diese Begrenzung verleiht dem Dasein aber seine Intensität. Ohne Endlichkeit gäbe es keine Kostbarkeit des Moments, kein Staunen über das Hier und Jetzt. Die Beiträge in der vorliegenden zenit-Ausgabe beleuchten das Thema aus unterschiedlichen Perspektiven. Seelsorgerin Irene Meyer Müller erinnert daran, dass Menschen «so sterben, wie sie gelebt haben». Sie plädiert dafür, den Tod nicht zu privatisieren, sondern öffentlich darüber zu sprechen – in Ritualen, in der Trauer, in unserer Alltagskultur. Diese Offenheit kann Angehörigen helfen, nicht unvorbereitet zu sein, wenn das Unvermeidliche eintritt. Der Beitrag über Palliative Care schildert besonders eindrücklich, wie Angehörige ihren Vater bis zuletzt zu Hause begleiteten. Nähe, Überforderung, Dankbarkeit und Grenzerfahrungen lagen in dieser Zeit eng beiein- ander. Die Geschichte macht deutlich, wie viel Liebe in der Begleitung am Lebensende steckt – und wie wichtig es ist, die eigenen Grenzen ernst zu nehmen. So zeigt sich: Endlichkeit bedeutet nicht nur das Ende, sondern auch den Beginn von Erinnerungen, von einer neuen Haltung zum Leben, manchmal von einer anderen Gelassenheit. Sie lehrt, loszulassen – und ruft zugleich dazu auf, das Leben bewusst zu gestalten. Leben dauert bis zum letzten Atemzug. Es liegt an jedem und jeder Einzelnen, diesen Atemzügen Gewicht, Tiefe und Dankbarkeit zu geben. Herzlich willkommen! Mit dieser «zenit»-Ausgabe erhal- ten Neupensionierte zum ersten Mal das Magazin von Pro Senectute Kanton Luzern. Falls Sie kein gedrucktes Magazin erhalten möchten, können Sie es mit einem Anruf oder einem Mail ganz einfach abbestellen. Vielleicht wäre dann unser monatlicher Newsletter etwas für Sie? Ruedi Fahrni Geschäftsleiter Pro Senectute Kanton Luzern Impressum Zenit erscheint vierteljährlich und ist ein Produkt von Pro Senectute Kanton Luzern Maihofstrasse 76 6006 Luzern 041 226 11 93 kommunikation@ lu.prosenectute.ch Redaktion Esther Peter (Leitung) Robert Bossart Astrid Bossert Meier Heidi Stöckli (publizistische Leitung) Layout/Produktion Media Station GmbH Inserate lu.prosenectute.ch/Zenit Druck und Expedition Vogt-Schild Druck AG Gutenbergstrasse 1 4552 Derendingen Papier Perlen Value Auflage 64 000 Abonnemente Für Spendende und Mitglieder des Gönnervereins Pro Senectute Kanton Luzern im Jahresbeitrag inbegriffen 4 IM ZENIT Im Gespräch mit Heliane Canepa. 10 SEELSORGE Irene Meyer Müller erläutert, warum man den Tod nicht privatisieren sollte. 12 PERSÖNLICHKEITEN Über Herzenswünsche, die wahr werden oder die man sich noch erfüllen möchte. 14 PALLIATIVE CARE Irène Elmiger erzählt, wie sie und ihre Geschwister den Vater pflegten. 17 SOZIALBERATUNG Coaching für betreuende Angehörige. 19 UMFRAGE Möchten Sie wissen, wann Sie sterben? 20 BUCHANGEBOT «Wie lange ist nie mehr» zum Sonderpreis. 23 DOCUPASS Die anerkannte Lösung für die Vorsorge. 24 BLICK IN DIE GESCHICHTE Via Francigena – ein Pilgerweg nach Rom. 26 DIGITALE SENIOREN Kurse für Einsteiger und Fortgeschrittene. 29 WAS MACHT EIGENTLICH? Zu Besuch bei Sr. Annelis Kurmann. 31 TREUHANDIENST Eine freiwillige Mitarbeiterin berichtet. 32 RÄTSEL 33 HERBSTSAMMLUNG Spenden für die Altersarbeit. 34 AGENDA Was wann wo los ist. 39 ADRESSEN VON PRO SENECTUTE Pro Senectute Kanton Luzern 3 | 25 3 inhalt

4 Pro Senectute Kanton Luzern 3 | 25 Fotos: Raphael Hünerfauth Heliane Canepa im Foyer des KKL: «Jeder muss sein Leben selber leben», ist sie überzeugt. «Niemand lebt es für einen. Man ist selbst dafür verantwortlich.»

Sie bewegte sich erfolgreich in den Teppichetagen von internationalen Unternehmen. Nun ist sie die wohl einflussreichste Frau im Schweizer Fussball. Heliane Canepa ist Unternehmerin, Multimillionärin, Mitbesitzerin des FC Zürich und grosse Förderin des Frauenfussballs. Sie erzählt von ihrer faszinierenden Karriere aus einem österreichischen Dorf bis zur Geschäftsleiterin. IM ZENIT Eine Frau wie ein Leuchtturm VON HEIDI STÖCKLI Wir treffen Heliane Canepa Ende Juni anlässlich des Pro SenectuteTALK im KKL. Sie wird vom Chauffeur in einer schwarzen Limousine vor den Künstlereingang gefahren. Steigt mit ihrem blendend weissen Hosenanzug aus und strahlt. Der Wind bläst ihr durch das knallrote, frisch gefärbte Haar und sie meint: «Wie schön Luzern doch ist. Normalerweise sehe ich nur das Allmend-Stadion – das ist doch da hinten irgendwo. Ich muss mit meinem Mann und unseren Hunden unbedingt mal hier an den See kommen.» Die 77-jährige FC-Zürich-Co-Präsidentin ist ein umtriebiges Naturell. Sie wuchs in Götzis, einem kleinen österreichischen Dorf auf, in einem katholischen Umfeld. Schon früh spürte sie, dass sie anders war als ihre drei Schwestern. «Ihr Geschwister seid vielleicht die Schönsten, aber ich bin die Gescheiteste», pflegte sie zu sagen. Und niemand hatte widersprochen. Für Frauen war es zu jener Zeit typisch zu heiraten, eine Familie zu gründen und zu haushalten. Doch Heliane Canepa hatte andere Pläne: Heiraten stand nie im Vordergrund, berufliche Träume hatten Priorität. Mit 20 erhielt sie die Zustimmung ihres Vaters, nach England zu gehen. Fami- lie und Dorf waren enttäuscht, doch sie wollte die Welt entdecken. Rückblickend meint sie dazu: «Ich wollte die Stones und die Beatles erleben und sehen, endlich verstehen, was sie singen.» In London hatte sie aber fürchterlich Heimweh, die Rituale ihrer Grossfamilie fehlten ihr. Aber sie schrieb nach Hause, es gefalle ihr wahnsinnig gut. Sie machte ihre Sprachdiplome, das war ihrem Vater wichtig, doch nach einem Jahr wollte sie nicht zurück, sie wollte weiterziehen. «Also ging ich nach Paris, an die Sorbonne, um Literatur zu studieren.» Sie las begeistert das Buch «Memoiren einer Tochter aus gutem Haus» von Simone de Beauvoir. Ihre Gedanken inspirierten und überzeugen Canepa bis heute: «Jeder muss sein Leben selber leben. Niemand lebt es für einen. Man ist selbst dafür verantwortlich.» Unabhängigkeit und Bildung wurden für sie zum Leitmotiv. Dank ihrer Fremdsprachenkenntnisse begann Heliane Canepa als Praktikantin bei der Maschinenfabrik Rüti, dem damals weltweit führenden Textil- maschinenhersteller. Die Umstellung von Paris nach Rüti empfand sie als gross, war aber offen für Neues. Im Branchenkurs der Firma lernte sie einen jungen Kollegen kennen, Cillo, der Fussballer und Werbeassistent war. Er lud sie zu einem Spiel ein, und obwohl sie zunächst wenig vom Fussball verstand, begeisterte sie die Atmosphäre beim Fussball- «Wie schön Luzern doch ist. Normaler- weise sehe ich nur das Allmend-Stadion.» Pro Senectute Kanton Luzern 3 | 25 5

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IM ZENIT Pro Senectute Kanton Luzern 3 | 25 7 platz. «Ich hatte keine Ahnung, aber es war eine Abwechslung im eintönigen Leben in Rüti. Viele Zuschauer waren dort, ich sah, wie Cillo rannte und spielte, und fand das alles sehr aufregend.» Immerhin fielen sechs Tore. Und nach dem Spiel sagte sie ihm, es sei schon schade, habe sein Team nur unentschieden gespielt. Er musste sie eines anderen belehren, denn seine Mannschaft hatte 6:0 gewonnen und in der Halbzeit bereits 3:0 geführt. Die Fussballnovizin hatte nicht realisiert, dass die Mannschaften in der Halbzeit die Seiten gewechselt hatten. Die Beziehung entwickelte sich langsam, denn Cillo war fünf Jahre jünger – damals ein Tabubruch. Doch Heliane Canepa schätzte seine Gradlinigkeit: «Für einen 20-Jährigen war er bemerkenswert strukturiert. Und er machte auch keine Rechtschreibfehler, das hätte ich nicht ertragen.» Beruflich stieg sie stetig auf: Nach Stationen bei Sonnen- cremehersteller Hamol und der Wirtschaftsberatung Ernst & Young prägte sie schliesslich als Pionierin die Medizinaltechnik-Branche. Dies kam so zustande: «Mir war es dann wichtig, eine Stelle zu finden, bei der ich mit Einzelunterschrift arbeiten durfte. Das war, damals als Frau, gar nicht so einfach, aber ich fand mit der Firma Schneider ein vielversprechendes Start-up in der Medizinaltechnik.» Die Büros befanden sich in einer Zwei-Zimmer-Wohnung in Wiedikon. Dr. Andreas Grüntzig, Assistenzarzt am Unispital Zürich, meldete sich bei Canepa mit einer fantastischen Idee: Statt bei herzinfarktgefährdeten Patienten komplizierte und teure Bypass-Operationen durchzuführen, erfand er den sogenannten Ballonkatheter. Diese kostengünstige und ambulante Behandlungsmethode wurde zum Kassenschlager und die Firma expandierte unter der Leitung von Canepa international. 1979 verkaufte der Inhaber aus Altersgründen das Geschäft an den amerikanischen Pharmakonzern Pfizer für einige Dutzend Millionen Franken. Die Bedingung von Pfizer war aber, dass Canepa bleiben müsse. Sie war zu diesem Zeitpunkt bereits 16 Jahre lang Geschäftsleiterin. Sie blieb und baute die Mitarbeiterzahl von 5 auf weltweit rund 3000 aus, in Bülach waren es 560. Später wurde die Firmengruppe verkauft und nach Irland verlegt. Canepa blieb, bis alle Mitarbeitenden am Standort Bülach eine neue Stelle fanden. «Eigentlich wollte ich mich nach so vielen stressigen, arbeitsreichen Jahren ausruhen», meint sie zu ihrem nächsten Karriereschritt. Irgendwann kamen bei ihr die Unter- lagen von Nobel Biocare auf den Tisch, einem Unternehmen im aufstrebenden Zahnimplantats-Segment. Sie war begeistert von den Möglichkeiten und erkannte sofort, dass Nobel Biocare zwar grossartige Chancen hatte, sich aber operativ verzettelt hatte und auf zu viele Produkte setzte.

8 Pro Senectute Kanton Luzern 3 | 25 Sie zog nach Göteborg und übernahm die Geschäftsleitung. Die Mitarbeitenden waren misstrauisch, als da eine ziemlich kleine, ziemlich laute und schnelle Frau kam und alles umstellte. Sie brachte die schwedische Firma später an die Börse in Zürich, wo sie aufgrund der wachsenden Firmengrösse schon bald in den renommierten Swiss Market Index (SMI) aufgenommen wurde. Sie setzte auch hier neue Mass- stäbe und wurde die erste Frau als CEO eines börsenkotierten Unternehmens in der Schweiz. Sie sagt: «Ich hatte nie das Gefühl, als Frau benachteiligt zu sein. Ich habe mich aber auch nicht durch blöde Bemerkungen aufhalten lassen.» Gleichberechtigung ist für Canepa eine gesellschaftliche Aufgabe: «Es wird besser, viel besser, aber es ist noch ein langer Weg.» Sie lehnt es ab, Frauen als Opfer des Systems zu sehen. Viel eher sollten die Frauen selbstwirksamer agieren. Die Suche nach Eigenständigkeit zieht sich wie ein roter Faden durch ihr Leben. Sie ist eine Frau mit Weitblick und Charisma, die sich nie von Konven- tionen hat bremsen lassen. Ihre Haare trägt sie rot und sie erinnert sich an diesen Entscheid wie folgt: «Als ich zwischen 40 und 50 Jahren immer mehr graue Haare bekam, war für mich klar, dass ich sie knallrot färben will. Für Cillo ist das auch gut, er sagt immer, so erkenne er mich selbst am Samstagmorgen in der Migros zwischen all den Gestellen. Ich sei wie ein Leuchtturm.» Im Fussball ist sie gemeinsam mit ihrem Mann Ancillo Canepa mit Herzblut engagiert. Ihnen gehört der FC Zürich, und sie legen Wert darauf, dass der Verein in Schweizer Händen bleibt. Für sie ist Fussball weni- ger ein Geschäftsmodell als vielmehr eine Leidenschaft, geprägt von Unberechenbarkeit und Emotionen. Es sei bloss schade, dass es immer wieder zu Fangewalt komme. Dies habe aber nichts mit Fussball zu tun, erklärt sie: «Ein klei- «Ich hatte nie das Gefühl, als Frau benachteiligt zu sein.» Heliane Canepa wurde am 25. Februar 1948 in Dornbirn, Österreich, geboren. Sie wuchs mit drei Schwestern und einem Bruder auf. Canepa studierte in London, an der Sorbonne in Paris sowie in den USA. Sie war ab 2001 CEO des schwei- zerisch-schwedischen Unternehmens Nobel Biocare, des weltgrössten Herstellers von Zahnim- plantaten. 2007 gab sie ihren Rücktritt als CEO von Nobel Biocare bekannt. Heliane Canepa wurde 1995, 2000 und 2007 zur Schweizer Unternehmerin des Jahres gewählt und 2005 von der «Financial Times» als sechste der 25 erfolgreichsten Geschäftsfrauen in Europa einge- stuft.Canepa ist Delegierte des Verwaltungsrats des FC Zürich und seit 1973 mit Ancillo Canepa verheiratet. Zur Person

IM ZENIT Pro Senectute Kanton Luzern 3 | 25 9 ner Teil ist von der Gesellschaft benachteiligt, welche sich diese Bühne aussucht.» Kritik an hohen Investitionen und jährlichen Defizitdeckungen nimmt sie mit Humor: «Wir haben ja keine Kinder, die hätten wohl längst versucht, uns zu entmündigen, weil so ein Engagement im Fussball wirtschaftlich schon sehr speziell ist.» Im Sommer und im Winter finden jeweils mehrtägige Trainingslager im Ausland statt. Da verpasse sie kein Training, denn sie schaue immer noch wahnsinnig gerne zu und könne immer noch viel dazu lernen. Der Medienrummel um sie und ihren Mann hat nach- gelassen, und sie geniessen die Anerkennung für ihr Engage- ment. Privat ist Heliane Canepa für ihre Vorliebe für Zigaretten bekannt. Man sieht sie selten ohne Zigarette. «Ich grün- dete in Paris einen Literaturklub, alle pafften Gauloises, nur ich nicht. Also fing ich auch an. Aber ich habe nie inhaliert. Dreimal hörte ich auf, aber ein Laster darf man doch haben. Meine Lungenwerte sind top, weil ich nicht inhaliere.» Und: «Ohne Zigaretten bin ich weniger fröhlich.» Sie singe zum Bei- spiel gern und viel, vor allem am Morgen, nach dem Aufstehen. Am liebsten das Lied «Ich will alles» von Gitte, «und zwar sofort». Als sie nicht rauchte, sagte ihr Mann Cillo, dass sie kaum noch singe und das ein schlechtes Zeichen sei. Auch wenn ihre Singkünste eher bescheiden seien. Für Heliane Canepa ist ein erfülltes Leben eine ständige Aufgabe, die mit Selbstliebe und Neugier einhergeht. «Man muss sich gerne haben und einfach immer daran arbeiten. Erfüllung ist, wenn du am Morgen weisst, eigentlich könntest du Ferien machen, aber du tust es nicht, weil das, was heute auf dich wartet, viel spannender ist.» Sie hat keine Angst vor dem Älterwerden und ihre Stimme klingt nach, wenn sie sagt: «Wir sind endlich, aber ich würde gern 100 Jahre alt werden. Ich möch- te noch einmal mit dem FCZ in die Champions League.» «Man muss sich gerne haben und einfach immer daran arbeiten»

10 Pro Senectute Kanton Luzern 3 | 25 Irene Meyer Müller macht Trauerbegleitungen, ist Seelsorgerin und beschäftigt sich beruflich mit der Endlichkeit. Sie plädiert dafür, dass wir den Tod nicht immer mehr privatisieren, sondern uns öffentlich damit auseinandersetzen. Wie erleben Sie Menschen in ihrer letzten Lebensphase? Welche Gefühle, Gedanken oder Themen beschäftigen sie besonders? Irene Meyer Müller, Seelsorgerin: Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Menschen so sterben, wie sie gelebt haben. Oft möchten Menschen, die ein Leben lang selbstbestimmt gelebt haben, auch am Ende so gehen. Ungeduldige oder Unzufriedene sind auch am Schluss so. Aber man kann nie wissen, wie jemand reagiert, wenn es ums Sterben geht. Es gibt Leute, die nochmals einen riesigen Schritt Richtung Gelassenheit und Abgeklärtheit nehmen. Warum fällt es vielen so schwer, sich mit der Endlichkeit auseinanderzusetzen – selbst im hohen Alter? Ich erlebe über 90-Jährige, die wütend sind, weil sie krank geworden sind. Sie seien doch ein Leben lang gesund gewesen, finden sie und hadern damit, dass sie ins Spital müssen. Es scheint, als rechneten sie nicht mit dem Tod oder mit Gebrechen. Statt dass sie dankbar sind, so lange gesund gelebt zu haben, sind sie wütend. Deshalb ist es wichtig, sich mit dem Tod auseinanderzusetzen, auch öffentlich. Eine Trauerfeier, die man besucht, ist eine Chance, sich mit der eigenen Vergänglichkeit zu beschäftigen. Manche Menschen weichen dem stets aus und sind, wenn ihr eigenes Ende kommt, absolut unvorbereitet. Aber auch sie müssen sterben. Wie gehen Sie mit Menschen um, die nie über ihr eigenes Sterben nachdenken? Grundsätzlich lasse ich sie so, wie sie sind, aber ich nehme den Faden auf, wenn sie das Thema auch nur subtil ansprechen. Ich erlebe Menschen, die, auch wenn sie schwer krank sind, nicht loslassen können und bereit sind, alles mit sich machen zu lassen, um nicht zu sterben. Wenn ich als Seelsorgerin gerufen werde, versuche ich, die Wut, Ohnmacht und Trauer auszuhalten, zuzuhören und einfach da zu sein. Manchmal richten die Menschen von sich aus den Fokus auf das, was gut in ihrem Leben war. Das kann sehr heilsam sein, denn vieles, was man erlebt hat, erkennt man erst im Rückblick als wertvoll. Wie sollte man leben, damit man «gut» sterben kann? Wer lernt zu leben, kann auch gut sterben. Ehrlich sein, im Moment leben, sich mit dem, was kommt, auseinander zu setzen, sich auf Dinge und Herausforderungen einlassen, Krisen aushalten, das Schöne geniessen – das volle Leben und zwar das eigene, nackte Leben, das nicht nur auf Materielles ausgerichtet ist. Sterben ist ähnlich wie geboren werden: Gebären heisst loslassen, nur dann gelingt es. Das ist beim Sterben genau gleich. Viele Menschen sterben, wenn sie allein sind. Vielleicht ist es allein einfacher, ganz loszulassen. Gibt es einen «guten Zeitpunkt», um sich mit dem Sterben auseinanderzusetzen ? Einen richtigen Zeitpunkt gibt es nicht. Wenn man mit dem Thema konfrontiert wird, sollte man nicht ausweichen und auch Kinder nicht davor «schützen». Sie haben einen natürlichen Bezug und Umgang zum Tod, wenn sie gut begleitet sind, können sie das viel besser verarbeiten, als wenn man sie ausschliesst. Was passiert, wenn Menschen das Thema Tod und Abschied zeitlebens verdrängen? «Menschen sterben so, wie sie gelebt haben» Foto: zVg TRAUERCAFÉ Abschied hat viele Facetten. Das Trauercafé ist ein Ort, wo gemeinsam getrauert werden kann. Trauernde kön- nen sich Zeit nehmen, ihre Trauer zu leben. Im Trauercafé können Gefühle geteilt und Gedanken ausgetauscht wer- den. Es kann aber auch gemeinsam geschwiegen werden. Informationen: lu.prosenectute.ch/Trauercafe oder Telefon 041 226 11 99 oder bildung.sport@lu.prosenectute.ch

Pro Senectute Kanton Luzern 3 | 25 11 SEELSORGE Sie bekommen dann einen Intensivkurs, um das Sterben zu lernen. Es gibt Leute, die sich nie mit ihrer Endlichkeit befasst haben und dann trotzdem mit sich im Reinen sind, wenn das Ende kommt. Andere bleiben in ihrer Wut und Verzweiflung. Eine Schülerin erzählte mir einmal von einem Patienten, der immer nur schimpfte. Während der morgendlichen Pflege starb er, sozusagen mit einem Schimpfwort auf den Lippen. Es hat mich gelehrt: Es ist Wunschdenken, dass jeder Mensch am Schluss eine Läuterung erlebt. Aber es gibt viele Menschen, die in den letzten Tagen und Stunden noch viel Wertvolles durchleben. Die Zuwendung ihrer Liebsten, Frieden und Versöhnung. Sterben gehört zum Leben. Leben dauert bis zum letzten Atemzug. Warum sind Trauerfeiern – aus seelsorgerischer Sicht – so wichtig? Was ermöglichen sie den Hinterbliebenen und vielleicht auch den Sterbenden selbst? Sie sind ein Ritual des Übergangs und bedeuten für Angehörige meist einen wichtigen Schritt. Eine solche Feier braucht eine genaue Orchestrierung. Es fängt sehr traurig an, man schaut zurück, es geht um Erinnerungen und es hat auch Platz für Bitterkeit und Ungelöstes. Dann würdigt man den Verstorbenen, das ist auch bei jungen Menschen, die sterben, enorm wichtig. Schliesslich geht es darum, wie es nun weitergeht, wie man mit der Trauer umgeht, einander unterstützt und dass nun eine schwere Zeit kommt. Der letzte Weg zum Grab ist sehr wichtig, er gibt dem Loslassen ein Gesicht. Zentral ist das Leidessen, es ist ein erster Schritt zurück ins Leben, wo man aufein- ander zugeht. Leider passiert es immer noch, dass Menschen die Strassenseite wechseln, wenn sie einen Bekannten sehen, der in Trauer ist – weil sie nicht damit umgehen können. Da helfen Trauerrituale. Was wünschen Sie sich im gesellschaftlichen Umgang mit dem Thema Tod und Endlichkeit – besonders mit Blick auf ältere Menschen? Ich wünsche mir, dass der Tod nicht noch mehr privatisiert wird. Immer mehr Menschen feiern nur noch im engsten Familienkreis. Das ist problematisch, denn es ist wichtig, auch von einem Nachbarn oder entfernten Bekannten Abschied nehmen zu können. Wie bedeutend es ist, an der Trauer beteiligt zu werden, habe ich bei einem tragischen Unfall eines jungen Mannes in unserer Nachbarschaft gesehen. Seine Familie und Kolleginnen und Kollegen haben am Unfallort viele Kerzen entzündet und über zwei Wochen Tag und Nacht dort gewacht. Diese jungen Menschen werden das Erlebnis nicht vergessen und haben wohl gespürt, wie gut das Zusammensein und das gemeinsame Trauern in dieser tragischen Situation getan haben. Das Miterleben von Tod und Endlichkeit ist prägend und man lernt viel fürs eigene Leben. INTERVIEW: ROBERT BOSSART Zur Person Irene Meyer Müller ist freischaffende Seelsorgerin und Leiterin für poetische und kreative Schreibwerkstätten und biografisches Arbeiten. Die diplomierte Pflegefachfrau und ehemalige Berufsschullehrerin absolvierte den Bachelor in Religionspädagogik und arbeitete als Pfarreiseel- sorgerin mit Engagement in der Seniorenseelsorge. Irene Meyer Müller lebt in Eschenbach und arbeitet heute nebst ihrer selbstständigen Tätigkeit als Klinikseelsorgerin in der Hirslandenklinik St. Anna in Luzern.

12 Pro Senectute Kanton Luzern 3 | 25 Wünsche kennen kein Alter Manche Träume erfüllen sich im hohen Alter, andere bleiben bewusst unerreicht. Einige Wünsche warten nur darauf, aktiv angepackt zu werden, sobald die Zeit reif dafür ist. Drei Persönlichkeiten zeigen, wie unterschiedlich Menschen mit ihrer eigenen Löffelliste umgehen. TEXT UND FOTOS: ASTRID BOSSERT MEIER UND ROBERT BOSSART Welch unerschrockene Frau! Zu ihrem 100. Geburtstag wagte Rosa Hess ein Abenteuer, das sich viele Jüngere zweimal überlegen würden: einen TandemGleitschirmflug. Vom 2166 Meter hohen Grindelwald First schwebte sie an einem strahlenden Sommertag hinunter ins Dorf auf 1130 Meter über Meer. Es war ein Geschenk ihrer SAC-Freundinnen und -Freunde, das zwanzig Jahre auf sie gewartet hatte. «Den Gutschein bekam ich zum 80. Geburtstag», erzählt sie lachend. «Damals sagte ich spasseshalber, den löse ich mit neunzig ein.» Mit neunzig verschob sie das Wagnis um weitere zehn Jahre. Als 2024 der 100. Geburtstag nahte, wusste sie: «Jetzt gibt es keine Ausrede mehr.» Rosa Hess (101), Ufhusen Mit 100 Jahren hoch in die Lüfte Am Start fühlte Rosa Hess nicht etwa Knieschlottern, sondern riesige Vorfreude. «Ich habe unzählige Berg- und Skitouren gemacht. Höhenangst kenne ich nicht», sagt Rosa Hess, die auch heute noch kleinere Wanderungen unternimmt. Dennoch war sie froh, mit Hansjörg Walliser einen erfahrenen Gleitschirm-Piloten an ihrer Seite zu haben, den sie kannte. Am Start ging es schnell und unkompliziert. «Er sagte, du musst nur ein paar Schritte rennen, und schon waren wir in der Luft.» Rosa Hess genoss jede Minute des Flugs, den Wind im Gesicht, den Ausblick auf die majestätischen Berner Alpen. Als sie wieder festen Boden unter den Füssen hatte, war sie überwältigt von einem Gefühl grenzenloser Freiheit. «Am liebsten würde ich nochmals gehen», hatte sie damals geschwärmt. Und genau dieser Wunsch wurde wahr. Zum 101. Geburtstag überraschte ihre Tochter Ilse Reber (83), bei welcher sie seit zwölf Jahren lebt, die Jubilarin mit einem zweiten Flug. Auch diesen meisterte die 101-Jährige mühelos – und strahlte wie beim ersten Mal. Doch Rosa Hess weiss: Ein Abenteuer wie dieses ist nicht allein das Geheimnis ihrer Lebensfreude. «Ich habe keine unerfüllten Wünsche. Ich nehme das Leben an, wie es kommt.» Eine Haltung, welche die gebürtige Österreicherin auch durch schwere Zeiten getragen hat. Denn das Leben meinte es nicht immer einfach mit ihr. Mit 19, sie war gerade Mutter geworden, verlor sie ihren ersten Mann im Krieg. Nach Kriegsende musste sie ihre kleine Tochter bei den Grosseltern zurücklassen, um in der Schweiz Geld zu verdienen. Als sie hier die zweite Liebe fand, holte sie die damals 15-jährige Ilse zu sich. Doch Mutter und Tochter muss- ten sich erst wieder annähern. Später, mit 48, verlor Rosa Hess auch ihren zweiten Mann. Doch sie fand immer wieder die Kraft, vorwärtszuschauen. Auch heute, mit 101 Jahren, bleibt sie eine Frau voller Optimismus. Was ist das Rezept ihres Lebens? «Nicht jammern. Wenn man klagt, tun die ‹Bobolis› nicht weniger weh. Und man darf sich nicht in Sorgen verlieren. Viel besser ist es, jeden Tag zu nehmen, wie er ist – und das Schönere zu wählen, wenn man die Wahl hat. Denn niemand weiss, ob man morgen noch da ist.» Foto: zVg

Pro Senectute Kanton Luzern 3 | 25 13 PERSÖNLICHKEITEN «Wenn jemand käme, der mich einlädt und es eine spannende Exkursion mit guten Leuten wäre, würde ich es machen.» Katharina Huter winkt aber gleich wieder ab und fügt an, dass es im Leben nicht darum gehe, sich alle Wünsche zu erfüllen. «Einige schon, aber nicht alle.» Die Antarktis, der Südpol, eine Reise ans andere Ende der Welt habe sie schon immer gereizt. Aber letztlich kam es nie dazu. «Es ist weit, es ist sehr teuer und heute, mit bald 80 Jahren ist es wohl zu spät.» Schlimm findet die Tierärztin das nicht. Schliesslich hat sie die andere Polregion immer wieder bereist. Sie arbeitete längere Zeit im norwegischen Tromsö, an der nördlichsten Universität der Welt, und fährt auch heute noch jedes Jahr dorthin. Auch auf Spitzbergen war Katharina Huter schon. «Die Polregionen faszinieren mich. Und sicher wäre es schön, die Antarktis mit den gigantischen Eismassen und der faszinierenden Vogelwelt zu erleben. Aber wie gesagt: Nicht jeden Sehnsuchtsort muss man besucht haben, wichtig ist, dass man sich den einen oder anderen Herzenswunsch erfüllt.» Katharina Huter reist immer wieder an Orte, die sie interessieren, so war sie dieses Jahr in Estland und hat dort Bären beobachten können. Zudem hat sie vor ein paar Jahren die Sahara und Costa Rica besucht. «Das waren wunderbare Erlebnisse.» Fast könnte einem schwindlig werden, wenn man ihm zuhört. Nach vielen Jahren «chrampfen» als selbstständiger Elektriker möchte der 62-jährige Hubert Müller nun nach und nach die Arbeit zurück- und die Hobbys hochfahren. «Ich spiele schon lange Keyboard, aber künftig will ich täglich üben und Stunden oder mal eine Auszeit zum Üben nehmen.» Tanzen und Singen tut er jetzt schon – das plant er aber aus- zuweiten, in einem zweiten Chor mitzutun und weiteren Vereinen beizu- treten, die seine Leidenschaft mit ihm teilen. «Ich bin ein absoluter Vereins- mensch und könnte jeden Tag tanzen und singen.» Angetan ist er auch von der Sprache unseres südlichen Nachbars. An der Erwachsenenbildung Seetal nimmt er bereits Italienischunterricht und hat schon Sprachaufenthalte gemacht, weitere sollen folgen. Sein Ziel ist es, das A2- oder sogar das B1-Niveau zu erreichen. Natürlich steht auch das Thema Reisen auf seiner Wunschliste. «Am liebsten möchte ich mit einem Büsli durch Europa fahren, darauf freue ich mich sehr», sagt er. Zusammen mit seiner Frau plant er, Polen, Norddeutschland und den Balkan zu er- kunden. Und sonst? Seine Kochkünste Hubert Müller (62), Eschenbach Der Hansdampf in allen Gassen will er noch verbessern, sich als Volunteer an Grossanlässen wie dem Engadiner Skimarathon betätigen, eine Wohnung umbauen, und, und, und ... Er sei Rentner in Ausbildung, meint er und schmunzelt. «Ich hatte immer zu wenig Zeit für meine Interessen, darum freue ich mich, das nachzuholen.» Katharina Huter (78), Hitzkirch Nicht alle Sehnsüchte müssen erfüllt werden

Viele Menschen möchten zu Hause sterben. In der Realität gelingt das jedoch nur selten: Rund 40 Prozent aller Todesfälle ereignen sich im Spital, weitere 40 Prozent im Alters- und Pflegeheim. Lediglich jede fünfte Person kann bis zum Lebensende in den eigenen vier Wänden bleiben. Oft ist dies nur möglich durch eine spezialisierte Palliativpflege und die intensive Begleitung durch Angehörige. Eine Aufgabe, die Ehemänner, Ehefrauen, Töchter und Söhne an ihre Grenzen bringen kann. Wie viel Zeit bleibt noch? Diese Erfahrung machte auch Irène Elmiger-Rölli (56) aus Gelfingen. Gemeinsam mit ihren drei Geschwistern begleitete sie den Vater, bis er im Sommer 2024 zu Hause starb. Zwei Jahre zuvor war bei Karl Rölli Speiseröhrenkrebs diagnostiziert worden, kurz nachdem er seine Frau verloren hatte. Eine Therapie lehnte der 90-Jährige ab. Der Arzt sprach von wenigen verbleibenden Monaten. Doch der Tod kam erst nach zwei Jahren. Gerade die Länge der Krankheit sei herausfordernd gewesen, erzählt Irène Elmiger. «Man weiss nie, ob es noch Tage, Wochen oder Monate dauert.» Auch Pflegefachfrau Flavia Steiner von der Spitex Hochdorf kennt diese Situation. Wer zu Hause ein schwerkrankes Fami- lienmitglied begleite, übernehme eine «intensive Aufgabe über einen ungewissen Zeitraum». Umso wichtiger sei es, offen über mögliche Krankheitsentwicklungen und Grenzen zu sprechen – sowohl was die Pflege betrifft als auch die Belastung der Angehörigen. Im Erstgespräch thematisiert die Palliative-Care-Spezialistin deshalb auch die Möglichkeit einer Pflegeeinrichtung. «Es ist sehr wichtig, einen Plan B zu haben», so ihre Erfahrung. Für Karl Rölli war es jedoch der grösste Wunsch, in der eigenen Wohnung zu bleiben. Der ehemalige Viehhändler war ein selbstbewusster Mann. «Ich spürte eine gewisse Erwartungshaltung uns Kindern gegenüber», sagt die Tochter. Andererseits wollte sie diesen Wunsch erfül14 Pro Senectute Kanton Luzern 3 | 25 Irène Elmiger und ihre Geschwister pflegten den 90-jährigen Vater bis zu seinem letzten Atemzug in den eigenen vier Wänden. Es war eine Zeit der tiefen Nähe, aber auch der Überforderung. Und der Erkenntnis, wie kostbar jeder Moment ist. Der letzte Sommer zu Hause len und dem Vater, der seine Kinder zu eigenständigen Persönlichkeiten erzogen hatte, etwas zurückgeben. Wann holen wir professionelle Hilfe? Anfangs verrichtete Irène Elmiger vor allem Hausarbeiten. Mit der Zeit kam die Pflege hinzu. Die selbstständige Coiffeuse und Familienfrau hatte vor einigen Jahren den SRK-Lehrgang für Pflegehelfende absolviert. Das erwies sich als hilfreich. Auch die Geschwister leisteten ihren Beitrag, verbrachten Zeit mit dem Vater oder kochten für ihn. Als seine Kräfte nachliessen, zog Irène Elmiger die Spitex hinzu. Für den einst starken Mann war es schwer, sich helfen zu lassen. Doch er fügte sich – wenn auch nicht ohne Reibung. «Mein Vater wollte trotz Krankheit ernst genommen und nicht allzu fürsorglich behandelt werden. Das konnte fürs Personal schon eine Herausforderung sein», erinnert sich Irène Elmiger. Oft brauche es etwas Zeit, bis sich eine vertrauensvolle Zusammenarbeit entwickle, sagt Spitex-Co-Leiterin Flavia Steiner. Ihr Team sei es zwar gewohnt, in ganz unterschiedlichen Kontexten zu arbeiten. «Doch manchmal harmoniert es einfach nicht. Dann ist es wichtig, Unstimmig- keiten offen anzusprechen. Nur so können wir eine Lösung finden.» Was sich die Pflegefachfrau zudem von den Familien wünscht: «Angehörige, die sich an der Pflege beteiligen möchten, sind für uns eine willkommene Unterstützung. Wenn möglich und für die Angehörigen tragbar, schulen und instruieren wir sie gerne für pflegerische Handlungen – beispielsweise die Verabreichung von Medikamenten.» Grundsätzlich schätze die Spitex, wenn beim Besuch jemand vor Ort sei und sich mit den Pflegefachleuten über Beobachtungen oder Veränderungen austausche. «Das hilft uns, eine Situation noch besser einschätzen zu können.» Wie weit reicht die Kraft der Helfenden? Die letzten drei Monate vor Karl Röllis Tod waren besonders intensiv. Die Geschwister wechselten sich in BetreuFoto: zVg

Pro Senectute Kanton Luzern 3 | 25 15 PALLIATIVE CARE ungsschichten ab, so gut es in ihrer individuellen Situation möglich war. Irène Elmiger war fast täglich beim Vater, spritzte schmerzlindernde Medikamente und organisierte Nachtwachen, wenn niemand von der Familie bei ihm bleiben konnte. Die Spitex kam ein bis zwei Mal täglich. Auch sein Hausarzt schaute mehrmals pro Woche vorbei. «In dieser Phase war ich am Limit, vielleicht auch über dem Limit», sagt die Tochter. Manchmal sei sie nach den Besuchen im Auto in Tränen ausgebrochen. Obwohl der Vater zu Hause sterben wollte, klärte sie einen Hospizplatz ab. Dazu kam es jedoch nicht. Als Irène Elmiger wenig später eine Nacht nicht wie geplant beim Vater verbringen konnte, wollte er keine andere Begleitung. «Heute muss niemand schauen.» Irène Elmigers Bruder wohnte im gleichen Haus. Als er morgens um zwei Uhr nach ihm sah, war Karl Rölli verstorben. «Das entsprach seiner Art», sagt Irène Elmiger. «Heute bin ich sicher, dass er alleine gehen wollte.» Haben wir uns zu viel zugemutet? Ein Jahr später sind die Erinnerungen noch immer lebendig – an schöne wie an schwere Momente. «Wir haben vieles gut gemacht», bilanziert Irène Elmiger. «Alle vier Geschwister haben beigetragen, was für sie möglich war.» Was Irène Elmiger nicht ausspricht: Sie selber übernahm den grössten Teil, koordinierte Einsätze und Pflege. Die 56-Jährige ist eine positive und energievolle Frau. Doch in dieser Ausnahmesituation war sie dankbar dafür, auf ein stabiles Fundament setzen zu können. Bei ihrem Mann und ihren drei erwachsenen Kindern schöpfte sie immer wieder neue Kraft. Und doch, manches würde sie heute anders machen. Am Ende sei die Belastung so hoch gewesen, dass sie auszubrennen drohte. «Ich habe über meine Verhältnisse gegeben und während dieser Zeit auch einige Freundschaften vernachlässigt», sagt sie. Rückblickend wäre eine Pflegeeinrichtung entlastend gewesen – auch wenn es dem Willen des Vaters widersprochen hätte. Hadern mag sie denDie aufgehende Sonne beleuchtet die geliebten Geranien des Vaters. Am Morgen seines Todestages nahm Irène Elmiger dieses Foto aus der elterlichen Wohnung auf.

PALLIATIVE CARE 16 Pro Senectute Kanton Luzern 3 | 25 Viele schwerkranke Menschen möchten zu Hause sterben. Doch nur für rund 20 Prozent geht dieser Wunsch in Erfüllung. Was läuft falsch? Man kann nicht sagen, dass etwas falsch läuft. Oft fehlen schlicht die Voraussetzungen, damit dieser Wunsch in Erfüllung gehen kann. Gründe sind die demografische Entwicklung, eine längere Lebensspanne und gesellschaftliche Veränderungen wie Individualisierung, kleinere Familien, räumliche Distanz oder berufliche Verpflichtungen. Gerade deshalb ist es unsere Aufgabe als Gesellschaft, Bedingungen zu schaffen, damit vulnerable und unheilbar kranke Menschen zu Hause bleiben können. Palliativ Luzern setzt sich dafür ein, eine mitsorgende Gemeinschaft zu stärken, in der private, öffentliche und freiwillige Kräfte zusammenarbeiten, um Betroffene und Angehörige zu entlasten. Was tun Sie konkret? Wir sensibilisieren die Öffentlich- keit für Themen rund um Kranknoch nicht. «Es war so, wie es in diesem Moment richtig war. Ich glaube daran, dass einem das Leben auflädt, was man zu tragen vermag.» Palliative-Care-Spezialistin Flavia Steiner formuliert es nüchterner: Selbst wenn man einer geliebten Person versprochen habe, sie bis zuletzt zu Hause zu begleiten, dürfe man Nein sagen. «Es ist nicht egoistisch, zu sich selber zu stehen und seine Grenzen wahrzunehmen.» Einfach sei das jedoch nie. «Wie immer Angehörige entscheiden: Sie müssen mit ihrem Entscheid leben.» heit, Sterben und Tod. Am Montagabend, 27. Oktober, laden wir etwa zum Anlass «Sterben, Tod und Abschied in Christentum, Judentum, Islam, Hinduismus und Buddhismus» ein. Zudem koordinieren wir im Auftrag von Kanton und Gemeinden spezialisierte PalliativeCare-Teams, welche die Basis-Versorgung im ambulanten Bereich stärken. Das garantiert palliative Betreuung rund um die Uhr auch in ländlichen Regionen. Zentral bleiben jedoch Angehörige und Frei- willige. Wir arbeiten daran, die Freiwilligenarbeit weiter zu stärken sowie die bestehenden Angebote besser zu vernetzen. Viele Angehörige betreuen schwerkranke Familienmitglieder gratis. Könnten dank fairer Bezahlung mehr Menschen zu Hause sterben? Eine finanzielle Entschädigung ist seit einigen Jahren möglich, und ich befürworte sie. Das ermöglicht beispielsweise einer Person, die Erwerbsarbeit zu reduzieren und für ein krankes Familienmitglied da zu sein. Leider entstehen derzeit auch «Ich befürworte eine Entschädigung» Kurzinterview mit Helene Meyer-Jenni, Präsidentin Palliativ Luzern Heute blickt Irène Elmiger mit Dankbarkeit und Gelassenheit auf die intensiven Jahre zurück. Sie hat erlebt, wie anspruchsvoll, aber auch wie bereichernd eine Begleitung am Lebensende sein kann. Nun beginnt eine neue Etappe, in der die eigenen Wünsche im Mittelpunkt stehen dürfen. Aus der schweren Zeit ist eine tiefe Erkenntnis gewachsen: «Jeder Moment ist kostbar. Ich habe gelernt, ihn noch bewusster zu leben und zu geniessen.» TEXT: ASTRID BOSSERT MEIER Helene Meyer-Jenni (63), Luzern, ist Präsidentin von Palliativ Luzern. www.palliativ-luzern.ch Organisationen, die einen Gewinn abschöpfen, indem sie pflegende Angehörige anstellen. Das entspricht nicht der Idee, und die Politik sucht nach Antworten. Dennoch rate ich Angehörigen, eine mögliche Entschädigung abzuklären. Foto: zVg

COACHING FÜR BETREUENDE ANGEHÖRIGE Die wertvolle und wichtige Aufgabe als betreuende Person kann mit viel Aufwand und psychischen und physischen Belastungen verbunden sein. Es besteht das Risiko, dass betreuende und pflegende Angehö- rige selbst erkranken und die Betreu- ungs- und Pflegesituation nicht mehr sichergestellt werden kann. Im Rahmen der Coaching-Gespräche werden betreuende Personen im Umgang mit belastenden Situa- tionen gestärkt und sensibilisiert. Im Zentrum stehen Ihre Bedürf- nisse und Anliegen. n Die maximal neun Coaching- Einheiten finden in einem Zeitraum von 3 bis 6 Monaten statt. n Kosten: CHF 39.–/Stunde. Das Kennenlerngespräch ist kosten- los. Erfahrene Coaches begleiten Sie gerne. Informationen: lu.prosenectute.ch/Angehoerige Simon Gerber, Bereichsleiter Sozial- beratung, Telefon 041 319 22 82 Was ist das wichtigste Ziel des Coachings für betreuende Angehörige? Dass es einen ver- traulichen Ort gibt, an dem über die oft schwierigen Themen und Herausforderungen beim Begleiten eines chro- nisch kranken Angehörigen gesprochen werden kann. Ebenso sollen Wün- sche und mögliche Ziele für eine entlastende Veränderung im Alltag thematisiert und gemeinsam überlegt werden. Wie gehen Sie in den ersten Gesprächen vor, um die Situation einer betreuenden Person zu erfassen? Zuhören und Anteil nehmen. Ich möchte den Alltag der betreuenden Person kennenlernen, das Augenmerk auf mögliche Überlastungen richten, diese ansprechen und einschätzen, ob und wo eine solche bereits besteht oder droht. Ich motiviere zur Selbsteinschätzung der eigenen Belastungsgren- Pro Senectute Kanton Luzern 3 | 25 17 COACHING Grenzen früh erkennen zen und bespreche Möglichkeiten, wie Veränderungen und Entlastungsmass- nahmen angepackt werden können. Welche Veränderungen sehen Sie häufig bei betreuenden Angehörigen im Verlauf der Coachings? Dass die Betreuenden ein Gefühl bekommen für die grosse Leistung im Alltag. Aber in der Selbsteinschätzung auch Grenzen kennenlernen, wo eine Überlastung aufgetreten ist oder aufzutreten droht, die für sie selbst ungut ist und gesundheitliche Folgen haben kann. Auch eigene Grenzen wahrnehmen und annehmen können und allenfalls Hilfe von aussen zulassen. Vielleicht besteht auch eine soziale Isolation, aus der man heraustreten möchte. Welche Rückmeldung einer betreuenden Angehörigen hat Sie besonders gefreut? Er hat mir gut zugehört. So konnte ich im Erzählen herausfinden, was mir gut tut und was nicht und selbst Entscheidungen treffen, was zu tun nötig ist. INTERVIEW UND TEXT: ESTHER PETER Ruedi Burger Coach und ehe- maliger Arzt für Innere Medizin Betreuende Angehörige laufen oft Gefahr, sich zu überlasten und selber zu erkranken. Ein professionelles Coaching kann helfen, dass es nicht so weit kommt. Mit Unterstützung den Alltag meistern Irma Dubach (80) aus Horw betreut seit sechs Jahren ihren an Frontotemporaler Demenz erkrankten Mann. Der Alltag ist herausfordernd und verlangt viel Kraft. Tiefgründige Gespräche wie früher sind nicht mehr möglich. Verbundenheit bleibt vor allem im Nonverbalen und ist durch feste Rituale spürbar. Über Pro Senectute lernte sie das Coaching-Angebot für betreuende Angehörige kennen, dies genau in einem Moment, als zusätzliche Belastungen wie eine Hüftoperation bei ihrem Mann und Veränderungen in der Wohnung anstanden. Inseln für sich selber schaffen Die Wertschätzung und Klarheit des Coaches stärkte sie, Schritt für Schritt Ziele zu formulieren und in die Praxis umzusetzen. Sie wurde auch darin bestärkt, externe Unterstützung, unter anderem durch die Spitex, zu organisieren, um die Betreuungssituation zu entlasten und ihren Mann bestmöglich begleiten zu können. Dadurch schaffte sich Irma Dubach wieder Freiräume, um vermehrt zu musizieren, Konzerte zu besuchen oder Freundinnen zu treffen. Dies sind alles wohltuende Inseln, um den fordernden Alltag gemeinsam mit ihrem Mann mit Kraft und Zuversicht zu meistern. Foto: zVg

18 Pro Senectute Kanton Luzern 3 | 25 Wir suchen Sie als Mahlzeitenkurier/-in Wir helfen. Helfen Sie mit? Information und Bewerbung: Pro Senectute Kanton Luzern, Telefon 041 226 19 77 bewerbung@lu.prosenectute.ch, lu.prosenectute.ch/Stellen – Freude und Einfühlungsvermögen im Umgang mit älteren Menschen – Eigener PW, gültiger Führerausweis – sehr gute EDV-Kenntnisse Ihre Aufgaben Ihr Profil (Person im Rentenalter) – Lieferung von Mahlzeiten 3 x pro Woche, in der Regel Montag-, Mittwoch- und Freitagvormittag, ca. 3 - 5 Stunden Inserate Caritas stellt Personen aus dem Kanton Bern und der gesamten Zentralschweiz an, die ihre Familienmitglieder pflegen: • Stundenlohn von CHF 35.– • Zahlung von Sozialversicherungen • Begleitung durch diplomierte Pflegefachperson • Anstellung bei einer Non-Profit-Organisation Gerne beraten wir Sie persönlich Telefon: 041 419 22 27 caritascare.ch Lohn für pflegende Angehörige Inserat_pflegende_Angehoerige_ProSenectute_89x121.indd 1 16.01.25 18:53 Wir beraten Sie persönlich mit unserer Expertise und den passenden Vorsorge- und Anlagelösungen. Daniel Hofmann Vorsitzender der Bankleitung Was unsere Beratung ausmacht: Qualität. Raiffeisenbank Horw 23284_Ins_89x121_Anlagekampagne_RVLUOVNW.indd 4 28.02.24 15:40

Pro Senectute Kanton Luzern 3 | 25 19 UMFRAGE Möchten Sie wissen, wann Sie sterben?n? Eine einfache und gleichzeitig schwierige Frage. Zenit-Redaktor Robert Bossart suchte nach Antworten und hörte sich bei Jung und Alt um. «Danach fragen würde ich nicht. Aber wenn es mir jemand sagt, würde mir das viel Freiheit geben, weil ich dann weiss, dass mir bis dahin nichts passieren kann.» Carla, 21, Luzern «Unter Umständen schon. Damit ich nicht komplett unerwartet aus dem Leben gehe und ich mich vorbereiten kann.» Dave Schläpfer, 47, Luzern «Nein, wenn es kommt, kommt es. Man muss einfach jeden Tag so leben, wie wenn es der letzte wäre: einfach leben.» Jeanine Deflorin, 84, Adligenswil «Nein, ich würde mich viel zu sehr auf das Enddatum fokussieren und nicht mehr im Hier und Jetzt leben.» Enya, 21, Luzern «Wenn ich schwer krank wäre und nur noch kurz zu leben hätte, dann ja. Aber mir geht es sehr gut, ob es nun morgen oder in zwanzig Jahren so weit ist, möchte ich nicht wissen.» Andreas Hauswirth, 71, Kanton Luzern Fotos: Robert Bossart

20 Pro Senectute Kanton Luzern 3 | 25 Endlichkeit – ein Wort, das uns unweigerlich an Abschied und Tod denken lässt. Gerade im Alter rückt dabei eine Frage stärker in unser Bewusstsein: Wie will ich die Zeit, die mir noch bleibt, leben? Autorin Doris Büchel hat sich diesen Fragen gestellt. Sie spricht mit Menschen, die wissen, dass ihre Lebenszeit bald zu Ende geht. In diesen Gesprächen ist nichts Theoretisches, sondern das pure Leben: Angst, Abschied, aber auch Dankbarkeit, Versöhnung und ein ungeahnter Reichtum an Augenblicken. Für zenit erzählt Doris Büchel, was sie von diesen Menschen lernt – und wie wir alle, egal in welchem Alter, ermutigt sein können, unsere Endlichkeit nicht zu fürchten, sondern das Leben umso bewusster zu umarmen. Doris Büchel, was hat Sie veranlasst, sich so intensiv mit dem Thema Endlichkeit auseinanderzusetzen? Es waren eine Reihe von Erfahrungen, die mich Schritt für Schritt dorthin geführt haben. Ein Wendepunkt war sicher eine persönliche Krise vor einigen Jahren. Plötzlich merkte ich, dass ich mein Leben und meine Arbeit als Autorin grundsätzlich hinterfragen wollte. Über diesen Prozess kam ich ins Hospiz im Werdenberg und entdeckte so die würdezentrierte Therapie. Die regelmässigen Begegnungen mit Menschen am Lebensende haben mich bald auch mit meiner eigenen Endlichkeit konfrontiert. Irgendwann wurde mir bewusst: All die Fragen, die ich mir dabei stelle, könnten auch für andere Menschen wertvoll sein. So entstand die Idee für mein Buch «Wie lange ist nie mehr». Wer Fragen Inserate Doris Büchel möchte die Lesenden mit ihrem Buch ermuntern, sich mit der eigenen Vergänglichkeit auseinanderzusetzen. Unsere Leserinnen und Leser können das Buch «Wie lange ist nie mehr» unter dem Codewort wm2025ps zum Spezialpreis von CHF 29.90 statt CHF 34.90 (inkl. Porto und Verpackung) bestellen. Entweder direkt über die Website: www.woerterseh.ch, per Mail an leserangebot@woerterseh.ch oder telefonisch unter 044 368 33 68. Bitte Codewort nicht vergessen! SONDERANGEBOT Foto: zVg Gute Beratung beginnt, wenn wir Ihre Bedürfnisse und Ziele zu % verstanden haben. Was unsere Beratung ausmacht: Qualität. Leiter Vermögensberatung Christoph Muther Raiffeisenbank Luzerner Landschaft Nordwest 23284_Ins_180x59_Anlagekampagne_RVLUOVNW.indd 5 28.02.24 15:29

LESERANGBEOT Pro Senectute Kanton Luzern 3 | 25 21 Welche Impulse gibt Ihr Buch, um trotz – oder gerade wegen – der Endlichkeit das Leben bewusst zu leben? Mein Buch liefert keine fertigen Antworten, sondern lädt ein, sich Fragen zu stellen. Tatsächlich gibt es einen mehrseitigen Fragenkatalog: Wie möchte ich alt werden? Wo möchte ich alt werden? Wo sind meine Grenzen – innen, aussen? Was soll mit meinem Körper nach dem Tod geschehen? Wie möchte ich in Erinnerung bleiben? Und was tue ich heute schon dafür? Viele Lesende erzählen mir, dass sie dadurch ins Tun kamen – mit kleinen, aber wertvollen Schritten. Eine Frau schrieb mir etwa, dass sie wieder mit dem Joggen angefangen hat; ein Mann setzte sich nach der Lektüre mit der Familie zusammen, um endlich die Patientenverfügung zu verfassen. Es geht weniger um grosse Antworten als um bewusste Entscheidungen im Alltag. Der Gedanke an den eigenen Tod kann Angst machen. Was haben Sie persönlich von den Menschen, mit denen Sie gesprochen haben, über den Umgang mit dieser Angst und über das Abschiednehmen gelernt? Ich habe gelernt, dass es keine allgemeingültige Art gibt, mit dem nahenden Tod umzugehen. Manche sind gefasst und bereit, andere hadern bis zuletzt. Jeder Mensch und jedes Leben ist einzigartig – und so ist auch das Sterben. Ganz aktuell bewegt mich der plötzliche Tod meines Vaters vor wenigen Tagen. Es hat mir gezeigt, was ich auch im Buch schreibe: Man kann sich gedanklich zwar vorbereiten und wichtige Massnahmen treffen – Patientenverfügung, Vorsorgeauftrag etc. Aber die Emotionen gehen ihren eigenen Weg. Aus den vielen Schriftstücken, die ich gemeinsam mit Sterbenden verfasst habe, nehme ich jedoch als zentrale Erkenntnis mit: Wer sein gelebtes Leben als reich empfindet, kann oft leichter annehmen, was unweigerlich kommen wird. Was ein «reiches» Leben bedeutet, muss jedoch jeder Mensch für sich selbst beantworten. Was ist Ihr wichtigster Rat für einen guten Umgang mit der eigenen Endlichkeit? Mein Rat: Stellen Sie sich selbst die wichtigen Fragen – und schieben Sie die Antworten nicht auf. Informieren Sie sich. Nehmen Sie sich Zeit, seien Sie ehrlich zu sich selbst und werden Sie konkret. Hilfreich finde ich Instrumente wie den Docupass von Pro Senectute, der Schritt für Schritt durch den Prozess führt und hilft, Klarheit zu schaffen. Ebenso wichtig ist das Gespräch – mit der Familie, mit dem Freundeskreis, mit Menschen, denen man vertraut. Die Auseinandersetzung mit der eigenen Endlichkeit ist nicht einfach. Doch sobald wir anfangen, darüber zu reden und Dinge aufzuschreiben, entsteht Sicherheit. Und oft zeigt sich: Wer sich darauf einlässt, merkt, dass in diesem vermeintlich schweren Thema auch Leichtigkeit steckt – und eine grosse Wertschätzung für das Leben. INTERVIEW: ESTHER PETER stellt, schafft Klarheit Würdezentrierte Therapie ist eine Kurzintervention, die vor allem in der Palliativversorgung eingesetzt wird. Ziel ist es, Patientinnen und Patienten zu helfen, Sinn, Selbstwert und Würde trotz schwerer Erkrankung zu bewahren. Im Gespräch entstehen Erinnerungen, Botschaften und ein Dokument, das für Angehörige weitergegeben werden kann. Dies kann Identität, Verbundenheit und Ängste am Lebensende lindern. In Kooperation mit Öffentlicher Vortrag «Auf schmerzfreien Füssen durchs Leben» Dienstag, 14. Oktober 2025, 14.00 bis 15.30 Uhr Seminarlokal Restaurant Rössli, Wolhusen Der Eintritt ist frei. Bitte melden Sie sich auf luks.ch/goz an. Gerne laden wie Sie im Anschluss zu einem gesunden Zvieri ein. Infos zum Thema: Unsere Füsse tragen uns ein Leben lang – doch Verletzungen, Abnutzung und Krankheiten können sie beeinträchtigen. Erfahren Sie, wie Sie vorbeugen und Probleme gezielt behandeln können. Gsond ond zwäg is Alter luks.ch/goz

22 Pro Senectute Kanton Luzern 3 | 25 Inserate Testen Sie unverbindlich und kostenlos die neuesten Hörgerätemodelle. Hörzentrum Schweiz – Ihrem Gehör zuliebe. Gutschein Hörtest und Beratung, Probetragen, Optimierung jedes Hörgerätes Maihofstrasse 95 A, 6006 Luzern, T 041 420 71 91, hzs.ch Rundgänge und Info- Nachmittage. Auf einem geführten Rund- gang zeigen wir Ihnen unsere Alterszentren. Die Alters- wohnungen stellen wir Ihnen am Informationsnachmittag im Viva Luzern Eichhof vor. Daten und Informationen: vivaluzern.ch/events Im Alter zuhause. 10 Viva Luzern Inserat Rundgaenge ZENIT 89 x 121 mm.indd 1 06.07.24 14:25 Wir beraten Sie persönlich in jeder Lebensphase mit passenden und individuellen Finanzlösungen. Marco Röthlisberger Leiter Vermögensberatung und Vertrieb Was unsere Beratung ausmacht: Expertise. Raiffeisenbank Luzerner Hinterland 23284_Ins_89x121_Anlagekampagne_RVLUOVNW.indd 7 08.04.24 10:04

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