Zenit Nr. 2, Juni 2021

34 Pro Senectute Kanton Luzern 2 | 21 BLICK IN DIE GESCHICHTE Männer machen Geschichte – Frauen den Haushalt. Das war einmal. Heute sind bei uns Frauen völlig gleichberechtigt – und gleich wichtig. Tatsächlich? Starke Luzernerinnen Googelt man «Berühmte Luzernerinnen», dann poppen Emil Steinberger, Hans Küng und Hans Erni auf. Be- rühmte Luzernerinnen gibt es für diese Suchmaschine nicht. Auch in der «Galerie berühmter Luzerner» (!) in der Eingangshalle der Zentral- und Hochschulbiblio- thek sind Frauen rar: Es sind fünf von insgesamt 261 Porträts, nämlich Maria Leberer (Hebamme und Heimleiterin), Emilie Dormann (erste Frau Mutter der St. -Anna-Schwestern), Anna Neumann (Ärztin), Josi Meier (Politikerin) und (seit 2020) Marie Amrein-Trol- ler (Retterin des Gletschergartens). Die Porträts gehören der Korporationsgemeinde Luzern. Dort realisierte man die historisch gewachsene Überzahl der Männer und be- rücksichtigt neuerdings vermehrt Frauen. Für weitere starke Luzernerinnen soll es noch Platz haben. Eine zu- fällige Auswahl: Marie Josse Pfyffer von Wyher (1722–1800) Die Patrizierin, die zweimal starb Diese hübsche Französin brachte die Pariser Mode nach Luzern. Sie führte den Parasol und den Parapluie ein und zeigte sich auf der Strasse in ge- wagten Kleidern. Damit war diese frühe «Influencerin» ein schlechtes Vorbild für die Luzernerinnen. Die Stadtregierung erliess daher ein Sit- tenmandat, um die Damenbekleidung genau zu regulie- ren. Dies, obwohl ihr Ehemann, Franz Ludwig Pfyffer (Söldnerführer und Konstrukteur des Zentralschweiz- Reliefs), städtischer Bauminister war. Sie soll 1780 im Hallengrab im Hof begraben wor- den sein. Ein Grabräuber ging nachts an ihren Schmuck. Er wollte ihr den Ring vom Finger schneiden, woran sie plötzlich erwachte. Der Frevler suchte das Weite, und sie kehrte in ihr prächtiges Palais am Löwengraben zurück, das heutige Haus der Herren zu Schützen. Sie soll darauf bis zu ihrem Tode nie mehr gelacht haben. Nach anderen Quellen soll sie weiterhin rauschende Feste gefeiert haben mit französischen Offizieren, die sich in Luzern erholten. Sophie Steiger-Neumann (1801–1867) Die «Generalin» der «Pfefferfrauen» Sie stammt aus Freiburg im Breisgau und heiratet 1828 den Frauenarzt Jakob Robert Steiger. Mit zwei Söhnen und drei Töchtern wohnen sie an der Her- tensteinstrasse 56. Als Anführer des zweiten und missglückten Freischaren- zuges wird ihr Mann am 30. März 1845 im Kesseltum eingesperrt und zum Tode verurteilt. Aus der ganzen Schweiz treffen Gnadengesuche an die konservative Luzerner Regierung ein. Selbst die Schreiben der 338 Frauen und 435 Dienstmägde werden ignoriert: Frauen haben kein Petitionsrecht. Trotzdem wird das Todesurteil in eine Galeerenstrafe umgewandelt. Sardinien erklärt sich bereit, den Revoluzzer in Verwah- rung zu nehmen. Doch die «Pfefferfrauen» mit Sophie Stei- ger an der Spitze (sie sollen den Polizisten Pfeffer in die Au- gen gestreut haben) organisieren seine Befreiung. Hans Gross, ein Gastwirt aus Zürich, reist sechsmal nach Luzern, um Steigers Flucht zu organisieren. Am 13. Juni 1845 ge- lingt der Coup: Drei Gefängniswärter und 8000 Franken in bar verhelfen Steiger zur Flucht. Als Soldat verkleidet geht er durch die Stadt an die Zürichstrasse, wo zwei Kutschen auf ihn warten. 1848 – nach dem Sonderbundskrieg und der Annahme der neuen Bundesverfassung – kehrt der «Galgensteiger» nach Luzern zurück und wird erster libera- ler Justizminister – nicht zuletzt dank seiner starken Frau. Katharina Morel-Kaufmann (1790–1876) Von der Beresina zumGrand Hotel National Sie wächst als Wirtstochter in Luzern auf und besucht die Mädchenschule im Ursulinenkloster Maria Hilf, welches 1798 zum Sitz der Helvetischen Regierung wird. Mit 16 hei- ratet sie Heinrich Peyer, Offizier des französischen Schwei- zer Regiments und zieht mit ihm nach Marseille. 1812 er- lebt sie an seiner Seite den Russlandfeldzug Napoleons bis nach Moskau und überlebt die Schlacht an der Beresina. Von 1815 bis 1821 sind die beiden in holländischen Diens- ten für die Versorgung der Truppen tätig. Zurück in Luzern führen sie mehrere Gastbetriebe. 1837 stirbt ihr erster VON WALTER STEFFEN *

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