Zenit Nr. 2, Juni 2021

22 Pro Senectute Kanton Luzern 2 | 21 Mit einer körperlichen, geistigen oder psychischen Beeinträchtigung zu leben, ist nicht einfach. Sechs Menschen, die in der Stiftung Brändi leben oder arbeiten, haben Astrid Bossert Meier erzählt, wie sie trotz Handicap selbstbewusst durchs Leben gehen. Fotos: Astrid Bossert Meier WERNER KRUSCHKE (50), KLOSTERGÄRTNEREI BALDEGG «Ich bin derselbe und doch ein anderer» Werner Kruschke ist ein Berg von einem Mann. Gross, kräftig, stämmig. Seine Erscheinung will nicht recht zu seinem vorsichtigen Gang und seiner leicht schleppenden Aussprache passen. Bis vor acht Jahren war Werner Krusch- kes Welt in Ordnung. Er hatte einen Job als Vorarbeiter in einem Gartenbauunternehmen, vier Kinder, die aus dem Gröbsten heraus waren. Als er bei einem Kunden ein Rohr anschliessen musste, kam er mit stehendem Wasser in Kontakt, das mit Legionellen verseucht war. Die Bakterien vermehrten sich in seinem Körper explosionsartig. Abends wurde der alleinstehende Mann bewusstlos. Erst drei Tage später fand man ihn in der Wohnung. Sein Leben hing an einem seidenen Faden. Nach fünf Wochen im künstlichen Koma konnte Wer- ner Kruschke weder gehen noch sprechen. Die Entzündung hatte auch sein Gehirn geschädigt. Alles musste er neu ler- nen. «Ich bin noch derselbe Mensch und doch ein anderer. Stiller, langsam im Sprechen, unsicher im Gelände.» Man- ches geht gar nicht mehr – singen beispielsweise, obwohl er früher ein guter Sänger war. Anderes hat er mühsamwieder erlernt – das Autofahren beispielsweise, worauf er stolz ist. «Ob ich mich behindert fühle?», wiederholt er die Frage der Journalistin und überlegt. «Nur ein bisschen. Vorher war ich vielleicht auch behindert, aber anders», kontert er schliesslich mit schelmischem Lachen. Und dennoch: Sich mit seinem neuen Leben zu arrangieren, war nicht einfach. «Manchmal hadere ich schon. Ich musste lernen, mit den Veränderungen klarzukommen.» Dabei sind ihm seine vier inzwischen erwachsenen Kinder eine grosse Stütze. Seit knapp zwei Jahren arbeitet der 50-Jährige in der Klostergärtnerei Baldegg, einem Ausbildungs- und Pro- duktionsbetrieb der Stiftung Brändi. An vier Tagen pro Woche führt er bei einem Grosskunden selbstständig Umgebungsarbeiten aus, vom Rasenmähen bis zu Neu- Sich selber sein trotz Handicap anpflanzungen. Einen Tag proWoche arbeitet er im Betrieb in Baldegg. Die Arbeit sei gut und er schätze es, nicht unter Zeitdruck zu stehen. Dennoch hofft er, irgendwann wieder in die Privatwirtschaft zurückzukehren. «Ob das wahr wird, weiss ich nicht. Aber es bleibt mein Traum.»

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