Zenit Nr. 2, Juni 2021

Auch in einem Heim ist ei 18 Pro Senectute Kanton Luzern 2 | 21 830 Menschen wohnen in den fünf Viva-Betagtenzentren der Stadt Luzern. Weitere Personen wohnen in den 220 Wohnungen mit Dienstleistungen. Kann man in einer so grossen Institution sich selber sein? Diese Frage stellte Zenit Menschen, die in einem Viva-Angebot leben. TEXT UND FOTOS ASTRID BOSSERT MEIER Maske anziehen, Hände desinfizie- ren, sich auf eine Gästeliste eintragen. Das waren bis vor kurzem die Besu- cher-Regeln für das Areal von Viva Luzern Eichhof. Hier, im Haus Saphir, lebt Rosmarie Zihlmann. Vor einem guten Jahr, ausgerechnet zu Beginn der Pandemie, bezog die 86-Jährige ihr Zimmer, dessen helle Fensterfront den Blick auf die grüne Parkland- schaft freigibt. Der Umzug vom Haus mit Garten in das Zimmer im Betagtenzentrum war nicht einfach, erzählt sie. Umso dankbarer war sie ihrer Familie, die sie kreativ und liebevoll unterstützte. Dankbar ist sie auch für die aufmerk- same Pflege. «Aber anfänglich musste ich für alles fragen.» Noch heute hadere sie manchmal damit. «Doch es dauert einfach eine Weile, bis man alle Infos für das Leben hier hat.» Deklarieren, was man wünscht Inzwischen hat sich Rosmarie Zihl- mann ihren Alltag so gestaltet, dass er zu ihr passt. Da schwimmt sie auch mal gegen den Strom. Sie spürte bei- spielsweise, dass sie ab und zu eine kleine Auszeit vom Sechsertisch im grossen Speisesaal brauchte. Seither nutzt sie das Alternativ-Angebot, isst zweimal wöchentlich im Bistro und geniesst diese Unabhängigkeit. Aus- serdem hat die vierfache Mutter, sie- benfache Grossmutter und Urgross- mutter eine alte Tradition aufleben lassen: «Der Sonntagabend war in unserer Familie immer wichtig. Wir haben uns zum Apéro getroffen und dann etwas Gutes gekocht.» Im Be- tagtenzentrum hingegen habe ihr die Menüauswahl am Sonntagabend sel- ten entsprochen. «Also habe ich mich ausgeklinkt und genehmige mir nun jeden Sonntagabend im Zimmer ein Glas Prosecco oder Rosé und eine Kleinigkeit zu essen.» Dass man in einem Betagtenzent- rum mitreden und sich selber sein kann, zeigt zudem Rosmarie Zihl- manns Einsatz für die Eichhof-Bib- liothek. Als sie nach ihrem Eintritt wieder etwas zu Kräften gekommen war, schaute sich die ausgebildete Buchhändlerin und Erwachsenen- bildnerin die Bibliothek an. «Ehrlich gesagt, sie sah lausig aus», sagt sie, und hinter der Gesichts- maske zeichnet sich ein Schmunzeln ab. Die Kritik wurde vom Mitarbei- tenden-Team ernst genommen und ihr Input, bei den Büchern eine ein- ladende Leseecke einzurichten, um- gesetzt. Seither trifft sich Rosmarie Zihlmann alle drei Wochen mit der Aktivierungstherapeutin. Gemein- Bücher begleiten Rosmarie Zihlmann (86) bis heute durchs Leben. Für Renate Huber (76) bedeuten tägliche Stadtbummel Freiheit.

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