Zenit Nr. 2, Juni 2021

10 Pro Senectute Kanton Luzern 2 | 21 Oft fällt es uns im Alltag schwer, das zu sagen und zu tun, was wir wirklich möchten. Marlies Michel*, Expertin für Lebensberatung, erklärt, warum wir uns so oft verstellen und wie wir lernen können, unsere eigene Persönlichkeit zu erkennen und zu leben. INTERVIEW ESTHER PETER «Seine Identität zu finden, ist ein lebenslanger Prozess» Foto: Adobe Stock Sich selber sein – ist oft Wunschdenken und ein- facher gesagt, als getan. Weshalb ist es oft schwierig, sich selber zu sein und nicht einfach eine Rolle zu «spielen»? Vielleicht ist es deshalb anspruchsvoll, weil wir nicht eine einzige, homogene Persönlichkeit sind, sondern viele ver- schiedene Elemente von Charakteren in uns tragen. Die Herausforderung liegt darin, diese unterschiedlichen Selbst kennenzulernen. Je vertrauter sie uns sind, desto eher kön- nen wir im richtigen Moment die richtige «Person» auf unsere Lebensbühne schicken. Dann spielen wir nicht nur unterschiedliche Rollen, sondern wir leben sie als Teil un- serer vielfältigen Persönlichkeit, und das fühlt sich authen- tisch an. Wir haben verschiedene Rollen in unterschied- lichen Phasen unseres Lebens, das macht es reich und vielfältig – solange diese Rollen in der jeweiligen Situation zu uns passen und wir uns darin wohl fühlen. Äussere Faktoren oder Lebensumstände erschweren bzw. beeinflussen unsere Verhaltensweisen und hin- dern uns daran, uns selber zu sein. Wie gelingt dies trotzdem, insbesondere in schwierigen Situationen? Identitätsfindung ist ein lebenslanger Prozess, und die Aus- einandersetzung mit der Frage: «Wer bin ich, wer und wie möchte ich sein und werden?» hört nie auf. Ich erachte es als ein wichtiges Lebensthema, immer weiter zum ureige- nen Kern seiner Persönlichkeit vorzustossen und so immer mehr die Person zu werden, die man im Grunde ist. Da wir soziale Wesen und eingebettet sind in kulturelle, familiäre und gesamtgesellschaftliche Zusammenhänge, ist dies ein

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