Zenit Nr. 1. März 2024

der Wissenschaft, fügt sie an. Was zähle, sei die wissenschaftliche Leistung. Auf der anderen Seite bekam sie zu spüren, dass eine Mutter, die arbeitete, auf Unverständnis stösst. «Nachbarinnen sagten mir, dass so etwas nicht gut sei für die Kinder.» Glücklicherweise wohnte im obersten Stock des Mietshauses eine alleinstehende Frau, die beim «111» arbeitete und nach ihrer Pension nichts lieber machte, als Kathrin Altweggs Kinder zu hüten. Zusammen mit ihrer Mutter, die ihre Enkel auch betreute, konnte sie sich so die nötigen Freiräume schaffen. «Da hatte ich wirklich Glück.» Eigentlich hatte dem Paar gar niemand zugetraut, dass es mal Kinder hätte. «Alle dachten, dass wir nur an der Wissenschaft interessiert seien.» Kathrin Altwegg und ihr Mann genossen aber das ganz normale Familienleben und die Zeit mit ihren Kindern. Zudem unternahmen sie, als die Kinder aus dem Gröbsten raus waren, gemeinsam Weitwanderungen in den Alpen und machten längere Reisen mit ihren Pferden. sein.» Wozu dieser Aufwand? «Kometen sind so etwas wie die Embryonen unseres Sonnensystems, das aus Gas und Staub entstanden ist. Kometen und Asteroiden stammen aus der Anfangszeit dieses Prozesses, möglicherweise geben uns also die Stoffe, die wir finden, Erkenntnisse darüber, wie unsere Erde entstanden ist.» Interessant ist auch, dass Kometeneinschläge mit ihrem Material mit verantwortlich dafür waren, dass auf der Erde überhaupt Leben entstehen konnte. Davon später mehr. Die beruflichen Höhenflüge waren keineswegs von langer Hand geplant. Kathrin Altwegg wuchs im Klus, das zur Solothurner Gemeinde Balsthal gehört, auf. «Das Dorf liegt in einer Schlucht, weshalb der Blick zum Himmel versperrt war», meint sie und lacht. Damals interessierte sie sich aber ohnehin weniger für den Himmel, dafür umso mehr für die irdische Natur, vor allem für Tiere. Deshalb wollte sie Tierärztin werden, aber auch Pilotin und Archäologin standen auf der kindlichen Wunschliste. Wegen letzterem lernte sie am Gymnasium Griechisch und Hebräisch, kurz vor der Matura entschied sie sich dann aber für Physik. «Archäologie kann man als Hobby betreiben, Physik nicht», meint sie. Als Landei in New York Kathrin Altwegg stammt aus einer Ärztefamilie. Da ihre Schwester in die elterlichen Fussstapfen trat und Medizin studierte, war für sie der Weg frei für Physik. Mit der Unterstützung ihrer Eltern belegte sie an der Universität Basel die Fachrichtung Physik und doktorierte in Festkörperphysik. Den danach üblichen Postdoc absolvierte sie zusammen mit ihrem damaligen Freund und heutigen Ehemann in New York. «Wir kamen als Landeier in diese verrückte Stadt, die wir sehr spannend fanden. Trotz kleinem Lohn war es eine schöne Zeit.» Zurück in der Schweiz bewarben sich beide auf die gleichen zwei Stellen, eine in der Industrie, die andere an der Universität Bern. Die junge Frau merkte, was es heisst, sich in einer von Männern dominierten Welt zu bewegen. «Bei der Stelle in der Industrie war völlig klar, dass ich da keine Chance hatte», erinnert sie sich. An der Uni hatte sie das Glück, dass Professor Balsiger das Talent von Kathrin Altwegg erkannte und sie mithilfe seines Zuspruchs eine Anstellung erhielt. Schliesslich sollte sie jahrzehntelang mit ihm zusammenarbeiten. Er war es auch, der sie für die Leitung des Projekts Rosina vorschlug. «Er war ein wichtiger Mentor und hat mir immer den Rücken gestärkt.» Trotzdem wurde ihr klar, dass es als Frau nicht einfach war in ihrem Tätigkeitsgebiet. Als sie dann noch Mutter zweier Kinder wurde, erschwerte sich ihr berufliches Leben noch mehr. «Kinder und Karriere vertragen sich nicht gut», so ihre Erfahrung. In der Kleinkinderphase arbeitete sie nur noch 30 Prozent. Das interessiere aber niemanden in 6 Pro Senectute Kanton Luzern 1 | 24

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