Zenit Nr. 1, März 2022

Pro Senectute Kanton Luzern 1 | 22 11 BETREUENDE UND PFLEGENDE ANGEHÖRIGE einfach ohne Zeitlimite» talente, haben sich mühsam durch die zahlreichen Angebote, welche es gibt, durchgekämpft. Viele Menschen stecken aber bereits so tief drin in einer Situation, dass sie Mühe haben, sich überhaupt Zeit zu nehmen für ein solches Angebot. Manche suchen erst dann Hilfe, wenn es bereits fünf vor zwölf ist. Wann wäre denn der richtige Zeitpunkt, Hilfe in Anspruch zu nehmen? Ich höre immer wieder den Ausdruck: Wenn es dann nicht mehr geht, hole ich schon Hilfe. Aber wann ist dieser Zeitpunkt? Oft stimmt die Selbst- und Fremdeinschätzung von Angehörigen und den Betroffenen nicht überein. Kranke Menschen schätzen ihre Situation und ihre Fähigkeiten oft besser ein, als sie es in der Realität sind. Die nachhaltigsten Lösungen sind jene, wo frühzeitig Hilfe in Anspruch genommen wird. Die Angehörigen werden entlastet, und die Betroffenen gewöhnen sich langsam daran. Das können kostenpflichtige Dienstleistungen sein oder kostenlose Angebote durch Freiwillige. Es beginnt vielleicht mit einem Besuchs- und Begleitdienst, mit Hilfeleistungen im Haushalt, beim Treuhanddienst oder bei Pflegeleistungen über die Spitex. Gibt es klare Zeichen, wann Angehörige Hilfe benötigen? Wenn der Aufwand immer grösser wird, die Gebrechlichkeit der Patienten zunimmt und die Einschränkung den Tagesablauf zu bestimmen beginnt. Wenn sie beim Duschen, Anziehen und anderen alltäglichen Verrichtungen helfen müssen und immer mehr dazukommt, kann die Situation kippen. Oder wenn Angehörige jeden Tag während der Arbeit mit der pflegebedürftigen Person telefonierenmüssen. Sie beraten einerseits betreuende, anderseits pflegende Angehörige. Wo ist die Trennlinie, welches sind die Unterschiede? Die Grenze ist fliessend. Betreuend ist die Situation dann, wenn jemand beim Begleichen von Rechnungen und anderen administrativen Aufgaben hilft. Oder Termine beim Arzt, der Fusspflege oder bei der Bank vereinbart. Das pflegende Element kommt hinzu, wenn ich die Medikamente für meine Mutter bereitstelle, ihr beim Duschen helfe und so weiter. Oft sind sichMenschen anfangs gar nicht bewusst, dass sie in einer betreuenden und später pflegerischen Situation stecken. Man ist derart beschäftigt, den Spagat zwischen Beruf, eigener Familie und dem Unterstützen des Angehörigen zu bewältigen, dass man keine Zeit mehr hat, sich mit der eigenen Situation auseinanderzusetzen. Warummachen Betroffene oft immer weiter bis zur Erschöpfung, weshalb holen sie sich nicht früher Hilfe? Ich glaube, dass es damit zu tun hat, dass sich Familienmitglieder sehr gut und sehr lange kennen und sich mehr oder weniger nahe sind. Ehepaare geben sich das Versprechen, dass sie füreinander bis ans Lebensende sorgen. Aber auch Kinder haben solche Einstellungen verinnerlicht. Wenn ein Elternteil verstirbt, sorgen Töchter – seltener Söhne – für den verbliebenen Vater oder die Mutter, bis man daran zerbricht. Man weiss ja im Voraus meistens nicht, wie lange es dauern wird. Es ist wie ein Marathon, einfach ohne Zeitlimite. Hinzu kommt, dass viele Menschen die Kosten scheuen und es nicht gerne haben, wenn «fremde Leute», etwa von der Spitex, von Pro Senectute oder vom SRK ins Haus kommen. Sie könnten ja sehen, wie unaufgeräumt es aussieht, ist dann oft die Begründung. Wie schwierig ist es, die richtige Unterstützung zu finden? Die Fragmentierung im Gesundheits- und Sozialwesen ist ein riesiger Stolperstein. Wie soll ich wissen, welches der WICHTIGE ANLAUFSTELLE FÜR BETREUENDE UND PFLEGENDE ANGEHÖRIGE Pflegende und betreuende Angehörige leisten in der Schweiz jährlich Pflege- und Betreuungsleistungen im Umfang von rund 80 Mio. Stunden. Aufgrund der demo- grafischen Entwicklung wird die Pflege und Betreuung von Familienmitgliedern durch Angehörige künftig noch wichtiger. Was Angehörige, oft im Verborgenen und ganz selbstverständlich, leisten, ist von unbezahlbarem Wert und verdient grössten Respekt und Dank. Wichtig ist, dass pflegende und betreuende Angehörige zu sich selbst schauen. Es ist essentiell, dass es ihnen gut geht. Gerne beraten wir auch Angehörige von Seniorinnen und Senioren kostenlos: Pro Senectute Kanton Luzern, mit Beratungsstellen in Emmen, Luzern und Willisau, info@lu.prosenectute.ch, 041 226 11 88, www.lu.prosenectute.ch/Angehörige «Manche suchen erst dann Hilfe, wenn es fünf vor zwölf ist.»

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