KINDERÄRZTE.SCHWEIZ 1/2024

01 / 2024 FORTBILDUNG: THEMENHEFTTEIL KINDERÄRZTE. SCHWEIZ 21 Risiko-Abwägung sollte unter Einbeziehung aller Beteiligten erfolgen. Dadurch können Einsicht in die Notwendigkeit einer nachhaltigen Abstinenz gefördert und potenzielle Schädigungen durch gleichzeitigen Beikonsum von Drogen und Alkohol vermieden werden. Medikamente zur Symptomlinderung oder Verringerung des Cravings nach Cannabis sind im Jugendbereich nicht zugelassen (nur «off label use»). Im ambulanten Bereich sollte die Indikation für spezifische Medikamente, z. B. Benzodiazepine, streng geprüft werden. Es ist nicht ungewöhnlich, dass es während der Therapie zu erneutem Konsum von Cannabis kommt. Dieser Wiederkonsum sollte idealerweise analysiert und in die therapeutische Arbeit integriert werden. Wenn trotz intensiver Bemühungen eine nachhaltige Abstinenz für die jugendlichen Patient:innen nicht erreichbar erscheint, könnte eine qualifizierte Entgiftung auf einer jugendpsychiatrischen Akutstation in Erwägung gezogen werden. Dies schliesst die Medikation mit Benzodiazepinen (u. a. Oxazepam) oder sedierenden Antipsychotika (z. B. Chlorprothixen, Pipamperon) sowie die Behandlung von Begleiterkrankungen über mehrere Wochen ein. Es ist ratsam, dies nicht im erwachsenenpsychiatrischen Bereich zu tun und ein Anschlusskonzept (wie ein betreutes Wohnen, ambulante Therapie etc.) bereits vor dem Austritt zu entwickeln. Der Cannabiskonsum bei Jugendlichen kann häufig Auswirkungen auf die Familie und das gemeinsame Zusammenleben haben. Familientherapie und die Anleitung der Bezugspersonen können dazu beitragen, die Kommunikation und den Umgang mit problematischem Verhalten innerhalb der Familie zu verbessern. Dies unterstützt die Erziehungsberechtigten und Geschwister dabei, sich aktiv an der Behandlung zu beteiligen und gemeinsam Lösungen zu finden. Der Einbezug von Lehrpersonen, Ausbildungsbetrieben oder Peers kann gelegentlich auch eine bedeutende Rolle bei der Unterstützung sein. Gruppentherapien speziell für Cannabis konsumierende Jugendliche, die einen Austausch mit Gleichaltrigen ermöglichen, sind leider selten zu finden. Solche Gruppentherapien bieten Peer-Feedback und wertvolle Unterstützung, wie es beispielsweise bei Programmen wie «Can Stop» nach Thomasius et al. (2021) der Fall ist. Eine weitere Anlaufstelle könnten Selbsthilfegruppen wie Narcotics Anonymous sein, die auch in der Schweiz vertreten sind (https://narcotics- anonymous.ch). Zusätzlich stehen Jugendlichen Apps wie bspw. «ready4life» zur Verfügung, die sie im Umgang mit verschiedenen Herausforderungen und allgemeinen Lebensfragen, einschliesslich dem Umgang mit Cannabis, unterstützen (https://www.r4l.swiss). Conclusion und Take Home Messages ■ Es ist wichtig zu betonen, dass nicht alle Jugendlichen gesundheitliche Schäden durch Cannabis entwickeln; die Mehrheit konsumiert nicht oder bleibt beim moderaten Probierkonsum. Der Übergang von gelegentlichem Konsum zu riskantem oder schädlichem Gebrauch ist fliessend, wobei bestimmte Risikofaktoren wie genetische Veranlagung, Einflüsse aus Familie und Gesellschaft, Stress und mangelnde Aufklärung den Konsum begünstigen. ■ Intensiver Cannabiskonsum bei Jugendlichen kann psychische Erkrankungen auslösen oder verstärken, die kognitive Entwicklung beeinträchtigen und zu langfristigen Auswirkungen auf Bildung, soziale Beziehungen und die allgemeine Gesundheit führen. ■ Frühe Identifikation von Jugendlichen mit problematischem Cannabiskonsum ist entscheidend, wobei Haus- und Kinderärzt:innen eine Schlüsselrolle spielen. Therapeutische Ansätze gehen von Beratung über kognitiv-verhaltenstherapeutische Methoden bis hin zu medikamentöser Behandlung. Der Einbezug des sozialen Umfelds ist wichtig. Optimalerweise sollten Fachärzt:innen für Kinder- und Jugendpsychiatrie in die Behandlung miteinbezogen werden. ■ Infobox 4: Rechtliches Der Besitz von kleinen Mengen Cannabis (bis 10g) ist nicht strafbar und kann nicht beschlagnahmt werden. Diese Bestimmungen gelten auch für Minderjährige. Der Konsum von Cannabis im öffentlichen Raum wird mit einer Ordnungsbusse von 100 Franken bestraft, sofern die Person erwachsen ist und weniger als 10 Gramm Cannabis besitzt. Besitzt die Person eine grössere Menge, wird sie angezeigt. Fälle von Handel werden härter bestraft. Wenn der Umsatz 100000 Franken oder das Einkommen 10000 Franken übersteigt, droht eine Freiheitsstrafe. (Quelle: https://www.suchtschweiz.ch/ zahlen-und-fakten/cannabis/ cannabis-rechtliche-grundlagen/)

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