KINDERÄRZTE.SCHWEIZ 1/2024

In der Druckausgabe befindet sich auf dieser Seite ein Hinweis für medizinische Fachpersonen.

KINDERÄRZTE. SCHWEIZ 3 © Kinderärzte Schweiz ■ HABEN SIE ANREGUNGEN, KRITIK ODER LOB? Dann schicken Sie uns eine E-Mail an: info@kis.ch Wir freuen uns. 01 / 2024 INHALT / IMPRESSUM EDITORIAL 5 S uchtverhalten bei Kindern und Jugendlichen – eine Alltagsrealität in unseren Praxen BERUFSPOLITIK 6 mfe INTERN 7 E in paar Fragen an unser neues Teammitglied Yasmin Yahya PINNWAND 8 L esenswertes aus dem KIS Vorstand, unseren Arbeitsgruppen und dem Rest der Welt INTERN 10 Kinderärzte Schweiz Impulsatelier «Planetary Health» VERBANDSZIELE UND DEREN ERREICHUNG 11 Jahresbericht Expert:innengruppe Kinder- und Jugendmedizin 2023 DIE MPA SEITE 13 Erfahrungsbericht MPA-Workshop «Kommunikation – Tools für den Praxisalltag» FORTBILDUNG: THEMENHEFTTEIL 14 «Ich weiss gar nicht, was ihr habt, ich habe doch kein Problem mit Drogen» 18 Cannabiskonsum von Jugendlichen in der Schweiz 23 Interview zu Cannabiskonsum mit einem 17-jährigen Jugendlichen 25 Mediensucht bei Kindern und Jugendlichen 31 Gefährdung kleiner Kinder durch Bildschirme 32 Allgemeine Informationen und Links zu Suchtthemen NACHHALTIGKEIT IN DER PÄDIATRIE 34 Toolkit Planetary Health – Bauen Sie sich Ihre nachhaltige Praxis JAHRESTAGUNG 37 Jahrestagung 2024 KURSE/WORKSHOPS/FORTBILDUNGEN 38 Kurse KIS 39 Veranstaltungskalender 39 Die gute Fortbildung REDAKTIONELLE SEITEN 40 Praxistour: Gemeinschaftspraxis Bachtanne DAS GUTE KINDERBUCH FÜR DIE PRAXIS 42 Der Wortschatz 42 Drei Ziegenböcke names Zack FÜR SIE GELESEN 43 Schlafhund, Schutzanzug & Co. – Hypnosystemische Methoden zur Unterstützung der jugendlichen Entwicklung LESERBRIEF 44 Kinderärztliche Zusammenarbeit mit der Schule Drucksache myclimate.org/01-24-282481 IMPRESSUM REDAKTIONSTEAM: Dr. med. Matthias Ferretti, Winterthur; Dr. med. Stefanie Gissler Wyss, Neuendorf; Dr. med. Raffael Guggenheim, Zürich; Dr. med. Irmela Heinrichs, Uster (Leitung); Dr. med. Cyril Lüdin, Muttenz; Dr. med. Nadia Sauter Oes, Winterthur; Dr. med. Martin Schmidt, Rheinfelden; Dr. med. Jürg C. Streuli, Uznach; Dr. Daniel Brandl, PhD, Geschäftsführer, Dietikon HERAUSGEBER: Kinderärzte Schweiz, Löwenstrasse 17, 8953 Dietikon ABO: 4 Ausgaben/Jahr: Fr. 48.– inkl. Porto (für Mitglieder inklusive) Spezialpreis für MPAs, Mütter- und Väterberatungsstellen sowie Nonprofit-Organisationen im Bereich Kinder- und Jugendgesundheit: Fr. 32.– inkl. Porto BILDER / ILLUSTRATIONEN: Adobe Stock, Kinderärzte Schweiz, Carlsen Verlag GmbH, Daniel Brandl, SWIPE Study, SMARTIES, Theres Lüthi, HPVAlliance, Stefan Roth, U.S. NOOA Raferty AE et al., Anja Diethelm, Zagoverny/Dreamstime, Daniel Ramos/www.unsplash.com, Moritz Kessler, Joachim Zahn, Sucht Schweiz, ZHAW, Gemeinschaftspraxis Bachtanne, NordSüd Verlag, Carl-Auer Verlag. KORRESPONDENZ: Kinderärzte Schweiz Löwenstrasse 17, 8953 Dietikon Telefon 044 520 27 17 info@kis.ch, www.kis.ch INSERATE: Dr. med. Cyril Lüdin, cyril@luedin.eu GRAFIK, SATZ UND DRUCK: Vogt-Schild Druck AG, CH-4552 Derendingen Auflage: 1250 Expl. Nächste Ausgabe: 02/2024 Redaktionsschluss: 4. März 2024 ISSN 2296-2549 (Print) ISSN 2673-4656 (Online) GENDERGERECHTE SPRACHE: Wir achten in unserer Kommunikation auf gendergerechte Sprache. Das heisst, wir beziehen Frauen und Männer gleichermassen in unsere Texte ein, denn Sprache beeinflusst unser Denken und Frauen fühlen sich mit der männlichen Form nicht automatisch mitgemeint. Präferenziell wird eine genderneutrale Sprache verwendet. Das Genderwörterbuch www.geschicktgendern.de dient als Inspiration, passende genderneutrale Alternativen zum generischen Maskulinum zu finden. Wenn dies nicht möglich ist, benützen wir wegen der einfachen Lesbarkeit den Doppelpunkt (z. B. Moderator:innen), um alle Geschlechter anzusprechen. In Ausnahmefällen ist die schwerfällige Beidnennung männlich/weiblich möglich; diese versuchen wir jedoch zu vermeiden.

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01 / 2024 EDITORIAL KINDERÄRZTE. SCHWEIZ 5 Suchtverhalten bei Kindern und Jugendlichen – eine Alltagsrealität in unseren Praxen Liebe Kolleginnen und Kollegen «Auf der Suche nach der verlorenen Zeit» schrieb einst Marcel Proust, und heute – mehr denn je – suchen Kinder und Jugendliche nach Orientierung in einer Welt, die von Reizen und Herausforderungen überflutet wird. In dieser Ausgabe der KIS NEWS widmen wir uns einem Thema, das nicht nur unsere Praxen, sondern das Herzstück unserer Gesellschaft betrifft: Suchtverhalten bei den jüngsten Mitgliedern unserer Gemeinschaft. In unserer täglichen Arbeit erleben wir hautnah, wie sich die Muster von Suchtverhalten bei Kindern und Jugendlichen entwickeln und oft lange unbemerkt bleiben. Es sind nicht nur die offensichtlichen Anzeichen, sondern auch die subtilen Veränderungen im Verhalten, die uns hellhörig machen sollten. Die Tatsache, dass Suchtverhalten oft im Schatten verborgen bleibt und im Alltag untergeht, unterstreicht die Dringlichkeit, über dieses Thema zu berichten und unsere Praxis nicht nur für präventive Massnahmen zu rüsten, sondern auch Antworten auf die Fragen von Patient:innen, Eltern und weiteren Bezugspersonen parat zu haben. Dieses Heft bietet praktische Einblicke und Werkzeuge, um Suchtverhalten frühzeitig zu erkennen und zu behandeln. Wir sind uns bewusst, dass wir dieses grosse Thema nicht umfassend und abschliessend behandeln können. Darum haben wir uns auf das praxisrelevante Problemverhalten im Zusammenhang mit Cannabis, Medikamenten und Medien beschränkt. Wir möchten dazu beitragen, das Bewusstsein für das Thema zu schärfen, denn es geht nicht nur um die Behandlung von Symptomen, sondern um die Gestaltung einer gesunden Zukunft für die heranwachsende Generation. Wer von uns ist nicht schon erschrocken ob des oft selbstverständlichen Medienkonsums von Kleinkindern, ob gestörtem Sprach- und Sozialverhalten solcher Kinder und ob dem Unwissen der Eltern? Bereits hier gilt es anzusetzen und aufmerksam zu sein. Wir empfehlen euch dazu den eindrücklichen Dokumentarfilm «Generation Bildschirm», den ihr auf unserer Pinnwand erwähnt findet. Aufmerksam sein gilt auch in der Berufspolitik und beim Thema Nachhaltigkeit. Für beides engagiert sich KIS stark. Der Jahresbericht der Expertengruppe Kinder- und Jugendmedizin sowie die mfe Seite erläutern einige der politischen Aktivitäten der letzten Zeit. Dass uns die zukünftige Gesundheit des Planeten (und insbesondere die unserer Kinder) am Herzen liegt, wird mit der Wahl des Themas unserer Jahrestagung 2024 ebenso verdeutlicht wie mit dem Fokus des diesjährigen Impulsateliers. Lest dazu auch den Beitrag zum Planetary Health Toolkit für Arztpraxen der FMH. Des Weiteren begrüssen wir Yasmin Yahya, unser neues Teammitglied auf der KIS Geschäftsstelle, und verabschieden uns von der langjährigen Praxistour mit einem letzten Beitrag. Wir hoffen, dass diese Ausgabe nicht nur informativ ist, sondern auch den Anstoss für Diskussionen und Austausch in unserer (pädiatrischen) Gemeinschaft gibt. Kinder und Jugendliche stehen vor einzigartigen Herausforderungen, und es liegt an uns, eine unterstützende und präventive Rolle zu spielen. Gemeinsam können wir dazu beitragen, eine Umgebung zu schaffen, in der Kinder und Jugendliche stark, gesund und selbst- sowie umweltbewusst heranwachsen können. Für die Redaktionskommission Florian Ganzer, Stefanie Gissler Wyss, Nadia Sauter Oes DR. MED. FLORIAN GANZER CO-EDITOR, FACHARZT FÜR KINDER- UND JUGENDPSYCHIATRIE UND -PSYCHOTHERAPIE, BACHELOR PSYCHOLOGIE, WINTERTHUR Korrespondenzadresse: florian.ganzer@ protonmail.com DR. MED. STEFANIE GISSLER WYSS CO-EDITORIN, MITGLIED REDAKTIONSKOMMISSION, FACHÄRZTIN FÜR KINDER- UND JUGENDMEDIZIN FMH, NEUENDORF Korrespondenzadresse: s.gissler@hin.ch DR. MED. NADIA SAUTER OES CO-EDITORIN, MITGLIED REDAKTIONSKOMMISSION, FACHÄRZTIN FÜR KINDER- UND JUGENDMEDIZIN FMH, WINTERTHUR Korrespondenzadresse: nadia.sauter@oes.ch Die Themen der folgenden Hefte sind: News 02/2024: Hämatologie News 03/2024: Transition News 04/2024: Jahrestagung News 01/2025: Die pädiatrische Praxis als KMU 54 OD_9783551728289_kaenguru_Inh_A01_Stand_27-01-2022.indd 54 27.01.2022 16:30:14 Marc-Uwe Kling und Bernd Kissel: Die Känguru-Comics. Also ICH könnte das besser. © Carlsen Verlag GmbH, Hamburg 2022, mit freundlicher Genehmigung.

BERUFSPOLITIK 01 / 2024 KINDERÄRZTE. SCHWEIZ 6 um nur die grössten Brocken zu nennen. Wir konnten dank unserer Kontakte und mit unseren Partnern an verschiedenen Orten Einfluss nehmen, Schädliches verhindern, beugen oder zumindest abschwächen und Wichtiges unterstützen. Wenn ein Gesetz aber einmal in Kraft ist, wird es extrem schwierig, etwas daran zu ändern. Ebenso gibt es Gesetze, die nicht nur uns im Gesundheitswesen betreffen: Die Datenschutzgesetzgebung hat nicht nur einen schweizerischen, sondern einen europäischen Hintergrund; wie auch das Arbeitssicherheitsgesetz betrifft es alle Betriebe, von der Schreinerei über den Bäcker bis zum Grossverteiler – ja, auch uns Ärzt:innen in der Praxis! Ausnahmen zu fordern von einem Gesetz, welches notabene schon seit über 20 Jahren in Kraft ist, käme dem Anspruch gleich, dass alle Kinderärzt:innen innerorts schneller fahren dürfen … Engagement Das Positive an der Diskussion bei KIS ist, dass sich Kolleg:innen gemeldet haben, um sich berufspolitisch zu engagieren, um innerhalb einer neuen AG zu diskutieren, an welchen Stellen der Schuh drückt. Vor allem aber müssen sie versuchen, Lösungen zu finden, denn diese liegen bekanntlicherweise nicht auf der Strasse. Die Politik ist ein hartes Geschäft! Es braucht dafür Spezialist:innen, die gut vernetzt sind, Einfluss haben, zur richtigen Zeit am richtigen Ort stehen. Dies haben die Grundversorgerverbände im Rahmen der Hausarztinitiative rasch verstanden: Fachgesellschaften und Berufsverbände sind weder in der Lage noch dazu ausgestattet, politische Arbeit zu leisten. Hier müssen die Kräfte gebündelt werden, weil man allein zu schwach, zu unbedeutend ist. Genau deshalb wurde 2009 mfe gegründet! Der probate Weg, sich wirkungsvoll politisch zu engagieren, ist in den Gremien von mfe. Aber dazu muss man Mitglied sein… Tarife Auch für die Tarife, die eure Arbeit abbilden, ist mfe zuständig. Heidi und Rolf haben diesen Schwerpunkt geleitet. Die Erarbeitung des Tardoc lag in ihren Händen; mit Sachverstand haben sie im Rahmen des Möglichen Verbesserungen erreicht. Das Dossier liegt jetzt bei Bundesrätin Baume-­ Schneider, und wir sind alle gespannt auf ihre nächsten Schritte. Wir wissen, dass ihr die Grundversorgung am Herzen liegt! Das stimmt schon etwas zuversichtlich. Abstimmungen Übrigens: Im Juni kommen zwei gesundheitspolitische Initiativen zur Abstimmung: die Prämienentlastungs- initiative der SP und die Kostendämpfungsinitiative der Mitte. Erstere tut uns nicht weh, Zweitere schon. Entsprechend werden wir uns engagieren müssen im Abstimmungskampf. Ich zähle auf eure Unterstützung! ■ Interimistisches Nachfolge Auch wenn ein mfe Vorstand ohne Pädiater:in eigentlich undenkbar ist, ist diese Situation eingetreten. Trotz Mandatsverlängerungen ist es nicht gelungen, aus dem Pool der Kinderärzt:innen der Schweiz Kandidat:innen zu finden. In der Zwischenzeit scheint sich aber etwas zu tun … Um Gerüchten klar entgegenzutreten: Unsere Vorstandsmitglieder sind einstimmig und einhellig für eine starke Vertretung der Pädiatrie im mfe Vorstand und wir plädieren ganz klar für eine Zweiervertretung. In Anfangszeiten wurde die Pädiatrie durch Stephan Rupp vertreten. Danach wurde er durch Heidi Zinggeler Fuhrer und Rolf Temperli ersetzt. Zeitweise hatten wir mit Pius Bürki sogar drei Pädiater:innen im Vorstand. Dieses Commitment wurde noch verstärkt durch die Wahl von Heidi als Vizepräsidentin. Leider hat die Nachfolgesuche bisher nicht zum gewünschten Ergebnis geführt. Nachfolge bedingt auch Nachwuchs: Der Masterplan Nachwuchs ist das grosse aktuelle Thema von mfe, wir versuchen, von vor dem Studium bis zur Praxistätigkeit den ganzen Bogen der kinder- und hausärztlichen Aus-, Weiter- und Fortbildung zu stärken. Wir haben bei Bildung und Innovation zusätzliche 200 Mio. Franken beantragt. Befindlichkeit Man könnte meinen, die Kinderärzt:innen seien alle rundum zufrieden und bedürften keiner starken Stimme in Tarif und Politik. Wie sonst wäre zu erklären, dass niemand an uns gelangt ist, um sich über die Anforderungen und Aufgaben der mfe Vorstandsarbeit zu erkundigen? Doch die letzte Mitgliederversammlung von KIS hat uns ein ganz anderes Bild gezeigt: Wutbürgermässig wurde geschimpft auf die unfähigen Verbände, die zugelassen haben, dass auch Kinderärzt:innen dem Datenschutzgesetz und dem Arbeitssicherheitsgesetz unterstellt sind. Da müsse man doch eine Ausnahme machen können! Völlig ausgeblendet wurden die sachkundigen Informationen des Präsidenten und des Vorstands. Um es nochmals festzuhalten: Wir haben uns seitens mfe sehr wohl Gedanken gemacht; auch wir wehren uns gegen die zunehmenden administrativen Aufwände. Aber wir kämpfen nicht wie Don Quichotte gegen Windmühlen − dafür fehlen uns schlicht die Ressourcen. Gesetze Politische Arbeit beinhaltet zu einem grossen Teil Diskussionen um Gesetze. In den letzten Jahren hat die Legiferierung ein Ausmass angenommen, das weit entfernt von gesund ist. mfe hat sich sehr stark engagiert in Verhandlungen um Qualität, Zulassung, Kostendämpfung, spezielle Leistungserbringer und EFAS (einheitliche Finanzierung von ambulanten und stationären Leistungen), DR. MED. PHILIPPE LUCHSINGER PRÄSIDENT MFE, AFFOLTERN AM ALBIS Korrespondenzadresse: philippe.luchsinger@ hausaerzteschweiz.ch

01 / 2024 INTERN KINDERÄRZTE. SCHWEIZ 7 Zur Unterstützung von Beatrice Kivanc und Daniel Brandl suchten wir eine routinierte und motivierte Persönlichkeit mit kaufmännischer Ausbildung, Berufserfahrung und guten Französischkenntnissen. Letzteres, um für die Zukunft gewappnet zu sein. Yasmin Yahyas überzeugende Bewerbung und ein anregendes Gespräch im Team sorgten dafür, dass «Kopf» und «Bauch» bald für alle stimmten. ■ Yasmin, als Historiker interessieren mich immer die Geschichten hinter den Personen. Möchtest Du Deine Geschichte in ein paar Sätzen zusammenfassen? Geboren wurde ich Ende der 1960er-Jahre im damals «swinging» London, als erstes Kind einer schweizerischen Mutter und eines indischen Vaters. Nach ein paar Jahren zogen meine Eltern in den Aargau, wo ich aufgewachsen bin. Ich habe zwei Geschwister, davon eine Schwester, welche meine Eltern aus Pakistan adoptiert haben. Diese Hintergründe haben mich natürlich geprägt. Nach dem Handelsdiplom habe ich einige Jahre im Raum Zürich als Sachbearbeiterin gearbeitet. Nach einer Zweitausbildung zur Goldschmiedin führte mich die Liebe nach Frankreich. Dort habe ich drei Kinder grossgezogen und gleichzeitig in der Bretagne ein Goldschmiedegeschäft mit Ladenlokal geführt. Nach über 20 Jahren entschied ich mich für einen Neuanfang in der alten Heimat: Gründe dafür waren das fortschreitende Alter meiner Eltern in der Schweiz, das schwierige politische Klima in Frankreich und der Wunsch meines jüngsten Sohnes, in der Schweiz eine Uhrmacherlehre zu absolvieren. ■ Wie bist Du eigentlich auf die Stelle bei KIS gekommen? Seit meiner Rückkehr in die Schweiz führe ich ein Werkstattatelier in einer alten Spinnerei, wo verschiedene Selbständige basiert sind. Dort findet zwar ein reger Austausch untereinander statt, aber ich merkte, dass mir die berufliche Herausforderung mit Menschen fehlt. Ein Verkaufsgeschäft kam für mich aber aus verschiedenen Gründen nicht mehr infrage, daher hatte ich im Sinn, Anfang 2024 wieder im Administrationsbereich Fuss zu fassen. Mir schwebte eine vielseitige Stelle in einem Bereich vor, mit dem ich mich identifizieren kann und der sinnstiftend ist, also beispielsweise bei einem Hilfswerk, im Sozialbereich, in einem Verein, im Kulturbereich oder bei einer ähnlichen Organisation. Im Spätherbst 2023 fing ich an, die Fühler auszustrecken und dabei stiess ich auf die ausgeschriebene Stelle von KIS, und da auch noch Französisch gefragt war, konnte ich mich sofort in die beschriebene Stelle hineinprojizieren. Da ich ein paar Fragen zur Stelle hatte, rief ich Daniel Brandl an, und bereits den ersten Kontakt fand ich äussert herzlich. INTERVIEWER: DR. DANIEL F. BRANDL, PHD GESCHÄFTSFÜHRER KINDERÄRZTE SCHWEIZ, DIETIKON Korrespondenzadressen: daniel.brandl@kis.ch yasmin.yahya@kis.ch Seit Mitte Januar 2024 verstärkt Yasmin Yahya das Team auf der KIS-Geschäftsstelle im 40%-Pensum. Wir heissen Yasmin herzlich willkommen und möchten sie mit diesem Interview unseren Mitgliedern vorstellen. Ein paar Fragen an unser neues Teammitglied Yasmin Yahya ■ Erzähle uns bitte etwas über Deine Firma, die Du führst, wenn Du nicht für KIS arbeitest. Ich habe verschiedene Schwerpunkte: den Direktverkauf via Atelierbesuche, Ausstellungen, Messen etc., den Webshop und bis anhin mit Wiederverkäufer:innen im In- und Ausland. Mit den Wiederverkäufer:innen möchte ich aufhören, da der starke Franken den Export erschwert und die Margen der Wiederverkaufenden einfach zu hoch sind. Den direkten Kundenkontakt finde ich am befriedigendsten: Ich arbeite auch auf Mass und es gibt nichts Schöneres, als wenn ein Kunde (oder ein Paar) Schmuckstücke, deren Design wir zusammen erarbeitet haben, abholt und sich darüber freut. Seit ein paar Monaten biete ich auch Workshops an, und das Weitergeben meines Wissens ist für mich Neuland, aber es gefällt mir sehr! ■ Hast Du denn noch Freizeit neben Deinen Jobs? Ja sicher! Ich bewege mich sehr gerne, am liebsten draussen und in der Natur, also Velofahren, Wandern, Schwimmen im Sommer und Favorit im Winter sind geführte Schneeschuhtouren. Ansonsten (be)koche ich sehr gerne. Ich probiere liebend gern mal neue Techniken oder andere Handwerke in Workshops oder in einem Verein aus, ausserdem bin ich eine begeisterte Strickerin (am besten mit einem Podcast, einem Hörbuch, einem spannenden Film). Meine Töchter sind zurzeit noch in Frankreich, diese besuche ich regelmässig; dort geniesse ich dann das französische Savoir-vivre und natürlich Kino und Museen. ■ Was hast Du bei KIS erwartet und vorgefunden? Der Job ist ziemlich genau wie erwartet, im Moment bin ich noch in der Lernphase und manchmal raucht mir dann der Kopf, aber das herzliche Team ist einfach Gold wert, und es beeindruckt mich, wie viel Vertrauen mir entgegengebracht wird. Die Vielseitigkeit und die gute Organisation der Geschäftsstelle, der Aufgaben und die Arbeit im Team begeistern mich. Meine Französischkenntnisse waren bisher noch nicht so oft gefragt, aber das kommt vielleicht noch. ;-) ■ Wie kannst Du dich bei KIS einbringen? Zuerst hoffe ich natürlich, dass ich sehr schnell effizient und selbständig sein werde und somit Bea und Dany soweit entlasten kann, dass sie nicht mehr so viele Überstunden leisten müssen! Ich agiere gerne im Hintergrund, und es freut mich, wenn ich mitdenken und eigene Impulse und Ideen einbringen darf, welche ich aus meinem Erfahrungsschatz schöpfe. Herzlichen Dank für dieses Gespräch. ■ Foto: Daniel Brandl

Lesenswertes aus dem KIS Vorstand, unseren Arbeitsgruppen und dem Rest der Welt Pinnwand SWIPE: Neue Onlinestudie für Eltern mit Kindern von 0 bis 5 Jahren In Zusammenarbeit mit den Universitären Psychiatrischen Kliniken Basel UPK, der Fachhochschule Nordwest-schweiz (FHNW), Haute École de Travail Social et de la Santé, Lausanne (HETSL), Hochschule für Heilpädagogik, Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) und dem UKBB in Basel wurde die SWIss Study on Preschool Screen Exposure (SWIPE) lanciert. In dieser Onlinestudie wird untersucht, welche digitalen Medien Kinder im Vorschulalter nutzen, wie lange sie diese nutzen und welche Inhalte sie dabei konsumieren. Die Fragen sind in Deutsch, Französisch, Italienisch oder Englisch bis Ende April 2024 beantwortbar. Weitere Informationen zur Studie und zur Teilnahme finden Sie auf www.swipe-study.ch. (Text: SWIPE Study/KIS-DFB / Illustration: SWIPE Study) SRF Puls: «Generation Bildschirm: Kinder und digitale Medien» Passend zum Thema dieses Heftes empfehlen wir euch diese Sendung, welche auf Play SRF nachgeschaut werden kann: Zu viel Bildschirmzeit wirkt sich negativ auf Kinder und Erwachsene aus und führt zu Problemen wie geringer Frustrationstoleranz und verzögerter Sprachentwicklung. Studien zeigen, dass intensive Bildschirmpräsenz bei Kindern das Sprechenlernen verzögert, selbst die Handynutzung der Eltern kann dabei eine Rolle spielen. Die digitale Belohnungssystematik, vergleichbar mit dem Verhalten dressierter Tiere, verstärkt die Bindung von Menschen an Bildschirme. Ego-Shooter-Games, trotz ihrer Kritik, werden in der medizinischen Behandlung von Aufmerksamkeitsdefiziten genutzt. «Puls kompakt» bietet Tipps, Tricks und Altersregeln, um eine bewusstere Bildschirmnutzung zu fördern. (Text: SRF/KIS-DFB / Logo: SRF) Arbeitsgruppe Nachhaltigkeit 2: Unterstützung Positionspapier KLUG Die Klimakrise gefährdet nicht nur die Gesundheit von älteren und kranken Menschen. Auch und gerade Kinder und Ungeborene sind durch die zunehmende Erderwärmung gefährdet. Todesursache Hitze, so lautet schon jetzt immer öfter die Diagnose. Die Zahl der Früh- und Totgeburten steigt mit jeder Hitzewelle, der zunehmende Klimawandel schädigt Ungeborene schon im Mutterbauch. Die steigende Erderwärmung, aber auch Luftverschmutzung und Extremwetterereignisse beeinträchtigen Kinder gesundheitlich deutlich stärker als Erwachsene. Den genauen Zusammenhängen gehen Kinderärztinnen und -ärzte der Deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit e.V. (KLUG) auf den Grund. Sie haben am Tag der Kinderrechte am 20. November 2023 anlässlich einer Pressekonferenz mit dem deutschen Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach in Berlin ihr Positionspapier «Kinder vor den Folgen der Klimakrise schützen» vorgestellt. Dieses zeigt auf, wie massiv die kindliche Gesundheit durch die Klimakrise bedroht ist und was aus kinderärztlicher Sicht politisch dagegen getan werden muss. Durch die gute Vernetzung und die Initiative der Leitung unserer Arbeitsgruppe Nachhaltigkeit durfte KIS das Positionspapier mitunterzeichnen. (Text: KLUG/KIS-DFB / Logo: KLUG) SMARTIES-Studie: Digitale Medien im Familienalltag Mit diesem wissenschaftlichen Forschungsprojekt untersucht ein Team der UPK, ob und wie sich der Konsum digitaler Medien im Familienalltag auf die sozioemotionale Entwicklung von Kindern auswirkt. Ziel ist es, herauszufinden, ob sich digitaler Medien- konsum auf Beziehungen innerhalb der Familie auswirkt. Hierbei interessiert vor allem die Eltern-Kind-Beziehung. Die Erkenntnisse werden hilfreich sein, um Empfehlungen betreffend Nutzung von digitalen Medien abzugeben – also wie wir Smartphone, Tablet, TV und Co. im Familienalltag verwenden. Wer kann bei der Onlineumfrage mitmachen? • Eltern mit Kindern im Alter von 2 bis 16 Jahren. (Die Umfrage kann bis Ende April 2024 beantwortet werden.) Weitere Informationen und den Link zur Onlinestudie finden Sie auf www.smarties-studie.ch. (Text: SMARTIES-UPK/KIS-DFB / Illustration: SMARTIES) Arbeitsgruppe Nachhaltigkeit 1: «bike to work Challenge 2024» bike to work ist die grösste Gesundheits- und Veloförderaktion der Schweiz. Jedes Jahr treten bei der Challenge im Mai und Juni rund 100000 Mitarbeitende schweizweit in die Pedale und schwingen sich an möglichst vielen Arbeitstagen aufs Velo, um attraktive Preise zu gewinnen. Mit bike to work stärken so rund 3300 Betriebe die Fitness sowie den Teamgeist ihrer Mitarbeitenden und fördern eine nachhaltige Mobilität. Schwingen Sie und Ihre Mitarbeitenden sich im Mai und Juni möglichst oft aufs Velo! Stärken Sie spielerisch Ihre Fitness und Ihren Teamgeist und schonen Sie dabei die Umwelt. Werden Sie jetzt Teil der grössten Velo- und Gesundheitsförderaktion der Schweiz! Weitere Informationen und Anmeldung auf www.biketowork.ch. (Text: bike to work/KIS-DFB / Logo: bike to work) Familienzentrierte Vernetzung: Früherkennung und Unterstützung mehrfach belasteter Familien Nicht alle Familien schaffen es, ihren Kindern einen guten Start ins Leben zu ermöglichen. In den meisten Fällen ist Überforderung der Grund, wenn Kinder in den ersten Jahren nach der Geburt schweren Belastungen wie emotionaler Vernachlässigung oder Gewalt ausgesetzt sind. Die damit verbundene Stressbelastung ist toxisch und hat für die betroffenen Kinder verheerende körperliche, psychische und soziale Folgen. Aus diesem Grund ist es von zentraler Bedeutung, mehrfach belastete Familien möglichst früh zu erkennen und sie unterstützend zu begleiten. Der Ansatz der Familienzentrierten Vernetzung ist darauf ausgerichtet, das Potenzial der Fachleute im Frühbereich für die Früherkennung dieser Familien auszuschöpfen. Das Ziel dieses Ansatzes ist es, den Familien durch diese Vermittlung möglichst früh eine freiwillige und bedürfnisorientierte Unterstützung zukommen zu lassen. Damit soll das Risiko einer zu starken Stressbelastung der kleinen Kinder reduziert und die Wahrscheinlichkeit für Kindesschutzmassnahmen verringert werden. Weitere Informationen erhalten Sie von alliance enfance via E-Mail: info@alliance-enfance.ch. (Text: Martin Hafen, Hochschule Luzern HSLU / Logo: alliance enfance)

HPVAlliance Schweiz: Schluss mit HPV! In der Schweiz erkranken pro Jahr rund 260 Frauen an Gebärmutterhalskrebs. Die Präventionsmassnahmen zur Verminderung von Humanen Papillomaviren (HPV-)assoziierten Krebserkrankungen werden zu wenig genutzt und der gesellschaftliche Wissensstand über HPV ist unzureichend. Weiter gibt es keine einheitlich organisierten Impf- und populationsbasierten Krebsfrüherkennungsprogramme und es fehlt an einer übergeordneten, koordinierten und systematischen Zusammenarbeit auf nationaler Ebene. Dies will die HPVAlliance, zentrale Kooperations- und Koordinationsplattform zur Prävention, Bekämpfung und Elimination von HPVassoziierten Erkrankungen in der Schweiz, ändern: Ihre Ziele sind die Förderung der wirksamen Prävention und die Bekämpfung und die Elimination von HPV-assoziierten Erkrankungen. Konkret richtet sich ihre Nationale Strategie 2030 an den Zielen der WHO und umfasst die Sensibilisierung der Bevölkerung, die Intensivierung der Präventionsprogramme und die verbesserte Datenerhebung. Auf der Website her HPVAlliance erfahren Sie, was Sie gegen HPV tun können: www.hpv-alliance.ch (Text: HPVAlliance/KIS-DFB / Logo: HPVAlliance) INFORMATION IST DER BESTE SCHUTZ Wissensvermittlung Förderung der Prävention Datenqualität SIGIP – Schweizerische Interessengruppe für Integrative Pädiatrie Die SIGIP organisiert halbjährlich spannende Fortbildungen zu Themen der komplementären und integrativen Medizin in der Praxis. Zuletzt am 26. Oktober 2023 mit Dr. Stéphanie Progin (Lausanne), Fachärztin Kinder- und Jugendmedizin mit Fähigkeitsausweis Phytotherapie, zu «Phytotherapie in der pädiatrischen Praxis». Hier die wichtigsten Quick-Infos: • Es gibt eine Vielzahl von zugelassenen pflanzlichen Arzneimitteln, die für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen geeignet sind. • Phytotherapie ist in der pädiatrischen Praxis eine nützliche und oft bewährte Ergänzung oder Alternative zur Schulmedizin. • Stéphanie Progin hat (auf Französisch) ein «Vademecum de phytothérapie pédiatrique» zusammengestellt, das die Verschreibung von pflanzlichen Arzneimitteln für Kinder erleichtern soll. Die Schweizerische Medizinische Gesellschaft für Phytotherapie (SMGP) stellt Empfehlungen für Kinderdosierungen auf Deutsch und Italienisch zur Verfügung: https://smgp-sspm.ch/public/ document/download/178126 Die SMGP gibt auch Empfehlungen zu ätherischen Ölen ab: https://smgp-sspm.ch/files/filemanager/download/inline/ c0c9a5f8cad3d7ca8bec46078681ab05 Die nächste SIGIP Fortbildung findet am 21. März 2024 in Olten statt. Bei Fragen und Interesse an einer Mitgliedschaft einfach melden unter E-Mail: integrativepaediatrie@gmail.com. Weitere Informationen auf der Homepage: https://sigip.org/de/veranstaltungen/ (Text: SIGIP/KIS-DFB / Logo: SIGIP) Jahresausflug und Planungssitzung Redaktionskommission Die Mitglieder unserer Redaktionskommission haben sich für ihre ausgezeichnete und äusserst engagierte Arbeit an den «KIS NEWS» jedes Jahr als Dank einen Ausflug mehr als verdient. Dieser wird stets mit der Planung der Hefte für das übernächste Jahr kombiniert. Am 16. November 2023 durften einige unserer gekonnten und erfahrenen Amateure hinter die Kulissen der NZZ Redaktion blicken. Von Nicole Althaus, der Chefredaktorin Magazine und Mitglied der Chefredaktion «NZZ am Sonntag», und der Wissen- und Medizinjournalistin Theres Lüthi wurden wir herzlich empfangen und durch die verschiedenen Abteilungen geführt. Nach einem Blick von der Dachterrasse aus über Zürcher Opernhaus, Innenstadt und See durften wir bei einem Kaffeeplausch Fragen an die beiden Profis stellen. Zur Planungssitzung ging es in die KIS Geschäftsstelle in Dietikon, wo sich die restlichen Mitglieder der RK dazugesellten um Inhalte und Themen unserer Hefte 2025 zu besprechen und zu beschliessen. Zum Abschluss genossen wir feine Pizzas, Rotwein und anregende Gespräche. (Text: KIS-DFB / Foto: Theres Lüthi) v.l.n.r. This Ferretti, Cyril Lüdin, Beatrice Kivanc, Stefanie Gissler Wyss, Irmela Heinrichs, Daniel Brandl. (Nicht auf dem Foto: Raffael Guggenheim, Nadia Sauter Oes, Martin Schmidt, Jürg Streuli.)

INTERN 01 / 2024 KINDERÄRZTE. SCHWEIZ 10 Am 1. Februar 2024 trafen sich rund 20 Pädiater:innen in Dietikon für einen interaktiven Austausch zum Thema «Planetary Health». Nach der Begrüssung durch unseren Präsidenten Marc Sidler eröffnete Patrick Hetzel den inhaltlichen Teil des Nachmittags mit einem eindrücklichen Kurzreferat über die Bedeutung der Klimaveränderungen für uns und – besonders unmittelbar – für unsere nachfolgenden Generationen (siehe Grafik 1). Er hob die Wichtigkeit hervor, sich für Klimagesundheit zu engagieren. Isabell Iff-Tureczek informierte über das bisherige Wirken der Arbeitsgruppe Nachhaltigkeit. Seit ihrer Gründung im September 2023 konnte die Gruppe im Januar 2024 auf sechs Mitwirkende erweitert werden. Neben der Wissensvermittlung im beruflichen Umfeld streben wir die Vernetzung mit anderen Berufsgruppen innerhalb der Schweiz und Europas an. Mit der Ausarbeitung von Empfehlungen möchten wir auf gesundheitspolitische Entscheidungen einwirken. Zurzeit erarbeiten wir einen «Leitfaden klimasensible Sprechstunde». Nach dieser Einführung kamen unsere Gäste zu Wort: Online zugeschaltet war Robin Rieser, Leiter der Strategie Planetary Health der FMH aus Bern: Er gab uns einen Einblick über die Themenschwerpunkte der FMH innerhalb ihrer Nachhaltigkeitsstrategie. Diese fokussiert zurzeit auf den ambulanten Sektor des Gesundheitswesens; hierfür wurde ein Toolkit erarbeitet, welches für niedergelassene Praxen anwendbar ist (siehe dazu den Artikel auf Seiten 32–33). Unsere Kollegin Martine Bidoux1 war extra aus Genf angereist: Gemeinsam mit ihrem Co-Präsidenten bei der Genfer Gesellschaft für Pädiatrie, Jean-Yves Corajod, und Prof. Johanna Sommer vom Institut für Familien und Kinder der Universität Genf hat sie den Aktionsplan «12 mois – 12 actions» erarbeitet, welcher seit Januar 2024 in der Westschweizer Grundversorgung umgesetzt wird. Motiviert durch die Realität, dass das Schweizer Gesundheitssystem sowohl in Bezug auf die gelieferte Qualität, aber auch bezüglich des CO2-Ausstosses weltweiter DR. MED. ISABELL IFF-TURECZEK FACHÄRZTIN KINDER- UND JUGENDMEDIZIN FMH, CO-LEITERIN DER KIS ARBEITSGRUPPE NACHHALTIGKEIT, HORGEN Korrespondenzadresse: iff-tureczek@hin.ch DR. MED. PATRICK HETZEL FACHARZT FÜR KINDER- UND JUGENDMEDIZIN, CO-LEITER DER KIS ARBEITSGRUPPE NACHHALTIGKEIT, RIEHEN Korrespondenzadresse: patrick.hetzel@hin.ch Kinderärzte Schweiz Impulsatelier «Planetary Health» Spitzenreiter ist,2 will dieses Projekt durch Bewusstseinsförderung sowohl Klima- als auch Gesundheitsschutz propagieren. Im Hervorheben der Co-Benefits liegt ein zentrales Element des Plans: Jede der 12 Aktionen soll sowohl für den Planeten als auch für das einzelne Individuum ganz konkrete positive Resultate erbringen. Mithilfe der Medien wurde der Plan publiziert und ist nun in allen interessierten Grundversorgerpraxen der Westschweiz mit einem Plakat und elektronischen Zusatzinformationen einsehbar. Persönlich hat uns die ambitionierte und direkte Art unserer Genfer Kolleg:innen sehr motiviert. So hat sich KIS entschieden, den «12 Monate – 12 Aktionen»-Plan auf Deutsch übersetzt in den monatlichen Rundmails zu publizieren – mit bestem Dank an unsere Westschweizer Kolleg:innen für die uns dafür übertragenen Rechte. Wir von der Arbeitsgruppe Nachhaltigkeit bedanken uns bei allen Teilnehmenden für diesen sehr motivierenden Nachmittag, welcher durch die zahlreichen wertvollen Impulse von einem «atélier d’impulsion» zu einem veritablen «atélier de propulsion» wurde. Besonderer Dank geht auch an das Team der KIS Geschäftsstelle für das wie immer sehr gastfreundliche Willkommen in Dietikon! ■ 1 Co-Präsidentin der Genfer Gesellschaft für Pädiatrie (Société Genevoise de Pédiatrie), Dozentin am Institut für Familien und Kinder der Universität Genf, Ratsmitglied der Genfer Ärztevereinigung (membre du Conseil de l’Association des Médecins du Canton de Genève) sowie Kinder- und Jugendärztin in der Praxis in Onex. 2 Andrieu et al. The exponential relationship between healthcare systems’ resource footprints and their access and quality: a study of 49 regions between 1995 and 2015. The Lancet, preprint August 2022. Grafik 1: U.S. NOOA Rafterty AE et al. Nature (Communications Earth & Environment) 2021 Fotos: Stefan Roth

01 / 2024 VERBANDSZIELE UND DEREN ERREICHUNG KINDERÄRZTE. SCHWEIZ 11 Seit 2018 erarbeitet die Expert:innengruppe Kinder- und Jugendmedizin politische Lösungen für strukturelle Herausforderungen in der Gesundheitsversorgung von Kindern und Jugendlichen in der Schweiz. Innerhalb dieser Gruppe erfolgt ein regelmässiger Austausch zwischen Politiker:innen verschiedener Ausrichtungen und Fachexpert:innen der Kinder- und Jugendmedizin, um unsere Anliegen im Parlament zu vertreten. KIS ist 2022 als aktives Mitglied in diesem Gremium vertreten. Der detaillierte Geschäftsbericht ist auf Anfrage von der KIS- Geschäftsstelle erhältlich: E-Mail: daniel.brandl@kis.ch. Im Jahr 2023 traf sich die Expert:innengruppe viermal virtuell, einmal physisch und tauschte sich einmal persönlich mit der parlamentarischen Gruppe Kinder- und Jugendmedizin aus. Wir fassen nachstehend die folgenden Prioritäten des vergangenen Jahres kurz zusammen: Massnahmen zur Verbesserung der psychischen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen erarbeiten und umsetzen Am 25. August 2023 fand der Runde Tisch II «Versorgungssituation Kinder- und Jugendpsychiatrie» statt, organisiert vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) und der Gesundheitsdirektorenkonferenz (GDK). Schwerpunkt war die Aktualisierung eines Dokuments zur Entwicklung der Versorgung in der kinder- und jugendpsychiatrischen Behandlung. Die Expert:innengruppe bezeichnete die vorhandene Auflistung als unvollständig und zufällig, mit dem Wunsch nach einer standardisierten und systematischeren Liste. Es wurde vorgeschlagen, Schulen und Psychiatrie besser zu vernetzen, indem Fachpersonen regelmässig in Schulen gehen, um konkrete Probleme zu besprechen. Die Finanzierung solcher Dienstleistungen, die sich im Bereich Gesundheit und Prävention bewegen, soll mit der Stiftung Patientensicherheit besprochen werden. Das BAG wies auf laufende parlamentarische Vorstösse hin, darunter die Stärkung der psychischen Gesundheit der Jugend, die Untersuchung des psychischen Gesundheitszustands der Schweizer Bevölkerung und einen Bericht zu den Auswirkungen der Corona-Pandemie DR. MED. MARC SIDLER PRÄSIDENT KINDERÄRZTE SCHWEIZ, BINNINGEN Korrespondenzadresse: marc.sidler@hin.ch Jahresbericht Expert:innengruppe Kinder- und Jugendmedizin 2023 und möglichen Heilungsansätzen. Für 2024 ist die Durchführung eines weiteren Runden Tisches geplant. Datenlage Kinder- und Jugendmedizin verbessern Am 12. September 2023 veröffentlichte das Bundesamt für Gesundheit (BAG) das «Minimal Set of Indicators» für die Schweiz mit 100 Indikatoren, welches in Zusammenarbeit mit Expert:innen der Kinder- und Jugendmedizin, Interface und der Universität Zürich entwickelt wurde. Im Mittelpunkt steht die Frage, ob die gewählten Indikatoren die Praxis angemessen widerspiegeln und wie ihre Umsetzung unterstützt werden kann. Die Herausforderung besteht darin, aussagekräftige Daten für Politik und Praxis zu erheben. Für das Jahr 2024 plant die Expert:innengruppe Gespräche mit Wissenschaftler:innen und Praktiker:innen, welche die Kinder- und Jugendmedizin in der BAG-Arbeitsgruppe unterstützt haben. Zudem bietet die Gruppe dem BAG an, die Perspektive der Praxispädiatrie bei der Umsetzung einzubringen. Versorgung Kinder- und Jugendmedizin sicherstellen / Kostendeckungsgrad ambulante und stationäre Kinder- und Jugendmedizin erhöhen Der Gesundheitsminister zeigte wenig Bereitschaft, parlamentarische Aufträge umzusetzen, was bei Expert:innen und Parlamentsmitgliedern Unverständnis auslöste. Die Expert:innengruppe hofft auf die Einführung von Tardoc, erkennt jedoch die Notwendigkeit einer spezifischen Rechtsgrundlage, um Besonderheiten der Kinder- und Jugendmedizin im Tarifsystem zu berücksichtigen. In der Arbeitsgruppe «Mehr Zeit für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen» wurden verschiedene Punkte besprochen, darunter Gesetzeslücken im KVG, Mangel an ambulanten Spezialist:innen, begrenzte Abrechnungsmöglichkeiten für ärztliche Leistungen, geringe politische Unterstützung für Kinder und andauernde Probleme durch Covid. Die Expert:innengruppe beauftragte einen Rechtsanwalt, gemeinsam mit einem Mitglied Lösungsvorschläge auf Gesetzesebene zu erarbeiten, um die Situation zu verbessern. Mehrere Parlamentsmitglieder zeigten Interesse an einer Prüfung und möglichen Einreichung als Kommissionsinitiative in der Gesundheitskommission. Massnahmen gegen Medikamentenengpässe in der Pädiatrie erarbeiten Die Expert:innengruppe hat die Arbeitsgruppe «Versorgung mit Arzneimitteln aus dem Ausland» ins Leben gerufen, bestehend aus Philipp Jenny, Christoph Aebi, Giacomo Simonetti, Marc Sidler und Stefan Roth. Ihr Ziel ist es, sicherzustellen, dass Kinder und Jugendliche in der Schweiz medikamentös mindestens so gut behandelt werden können wie in der EU. Die Arbeitsgruppe identifizierte drei Handlungsfelder, darunter Versorgungs- ■ Ständerätin Marina Carobbio Guscetti, SP TI (bis 6.4.2023) ■ Ständerätin Maya Graf, Grüne BL ■ Nationalrätin Verena Herzog, SVP TG ■ Nationalrätin Tiana Angelina Moser, GLP ZH ■ Ständerat Damian Müller, FDP LU ■ Nationalrat Benjamin Roduit, Mitte VS Co-Präsidium der parlamentarischen Gruppe Kinder- und Jugendmedizin 2023:

VERBANDSZIELE UND DEREN ERREICHUNG 01 / 2024 KINDERÄRZTE. SCHWEIZ 12 engpässe bei zugelassenen Medikamenten, fehlende Zulassung für neue Medikamente und Generika sowie Lösungen für Vergütungen ohne festgelegten Selbstkostenpreis. Ein Rechtsanwalt wurde beauftragt, Gespräche zu führen und einen Gesetzesvorschlag zu erarbeiten. Folgearbeiten für 2024 umfassen die Diskussion des Vorschlags mit der Arbeitsgruppe und der Expert:innengruppe, die Abstimmung mit relevanten Gremien und die Koordination mit dem BAG und Versicherungsverbänden. Am 25. Mai 2023 fand ein Treffen der Expert:innengruppe mit Christoph Amstutz, Leiter des Fachbereichs Heilmittel im Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung (BWL), statt, um Lieferengpässe bei Kinderarzneimitteln zu besprechen. Der Fachbereich Heilmittel ist für die Versorgung des Landes mit lebenswichtigen Arzneimitteln zuständig. Im Dezember 2023 übersandte SwissPedDose dem BWL eine Liste mit Off-Label-Anwendungen von Arzneimitteln in der Pädiatrie. Für 2024 plant das BWL die Überprüfung der Liste, um zu entscheiden, welche Arzneimittel ins Pflichtlager aufgenommen werden sollen und ob weitere Massnahmen erforderlich sind. Gründung Arbeitsgruppe Invalidenversicherung Am 11. September 2023 wurde die Arbeitsgruppe IV gegründet, bestehend aus Philipp Jenny, Alain di Gallo und Anna-Barbara Schlüer. Die Gruppe wird sich mit Themen wie Vorleistungspflicht bei Leistungen der Invalidenversicherung (IV), obligatorischer Krankenpflegeversicherung (OKP) und Schulen, der Neudefinition von Geburtsgebrechen, Leistungen der Kinderspitex und fehlenden Leistungen in der MiGeL-Liste IV befassen. Die AG schlug vor, Leistungen für Kinder unter einem Jahr über die OKP und Leistungen ab einem Jahr über die IV zu vergüten. Treffen parlamentarische Gruppe Kinder- und Jugendmedizin Am Treffen der parlamentarischen Gruppe Kinder- und Jugendmedizin am 6. Juni 2023 präsentierte Ständerat Damian Müller die Hauptgründe für die Gruppenbildung vor fünf Jahren und betonte den unzureichenden Umsetzungsgrad von angenommenen Vorstössen im Gesundheitswesen. Weitere Referierende, darunter Philipp Jenny, Alain di Gallo, Anna-Barbara Schlüer und Katja Berlinger, informierten über aktuelle Herausforderungen in der pädiatrischen Versorgung. Die Diskussion, moderiert von Co-Präsidentin Tiana Angelina Moser, wurde mit sechs Mitgliedern des Bundesparlaments geführt. Die Expert:innengruppe verteilte einen Forderungskatalog zu Themen wie der Umsetzung der Motion «Mehr Zeit für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen», pädiatrischer Aus- und Weiterbildung, Massnahmen zur Förderung der psychischen Gesundheit, Versorgungsengpässen bei Kinderarzneimitteln und der Versorgung von Migrant:innen. Nach der Diskussion beschloss Nationalrätin Flavia Wasserfallen, die Motion «Bildungsinhalte zur Pflege von Kindern und Jugendlichen» einzureichen. Parlamentarier:innentreffen Psychische Gesundheit Kinder und Jugend 2023 Am 12. September 2023 führten die drei parlamentarischen Gruppen Kinder und Jugend, Kinder- und Jugendmedizin, psychische Gesundheit und die SAJV (Schweizerische Arbeitsgemeinschaft der Jugendverbände) ein Parlamentarier:innentreffen zur psychischen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen durch. Referierende waren Prof. Kerstin von Plessen, Katja Schönenberger und Jan Burkhardt. Die Organisator:innen stellten Kernforderungen wie qualitative und koordinierte Daten, Finanzierung von Prävention und ambulanten Diensten, Entstigmatisierung und Prävention, Vernetzung der Akteure sowie Partizipation und Einbeziehung von Jugendlichen. Acht Mitglieder des Bundesparlaments nahmen teil, und Nationalrätin Sandra Locher Benguerel reichte im Anschluss ein Postulat zur Schliessung von Lücken in der Versorgungskette der psychischen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen ein. Die Expert:innengruppe hat sich im vergangenen Jahr neben den genannten Prioritäten intensiv mit Vernehmlassungseingaben, parlamentarischen Vorstössen und Fragen beschäftigt. Diese Zusammenfassung gibt einen Einblick in die bedeutende, anspruchsvolle und langwierige Kooperation zwischen Kinder- und Jugendmediziner:innen und Parlamentarier:innen. Ein besonderer Dank geht an den Geschäftsführer der Expert:innengruppe und Lobbyisten Walter Stüdeli, Köhler, Stüdeli & Partner für sein Netzwerk und Wissen, von dem die Gruppe und die Kinder- und Jugendmedizin profitieren. Die interprofessionelle und fächerübergreifende Zusammensetzung der Expert:innengruppe, die sich für eine starke Pädiatrie im ambulanten und stationären Sektor einsetzt, ist von grossem Wert. Die politischen Prozesse mögen langsam sein, aber sie schreiten stetig voran. Wir bleiben am Ball! ■ Mitglieder der Expert:innengruppe Kinder- und Jugendmedizin ■ pädiatrie schweiz Dr. med. Philipp Jenny; Prof. Dr. med. Giacomo Simonetti; Prof. Dr. med. Nicolas von der Weid; Claudia Baeriswyl ■ Kinderärzte Schweiz KIS Dr. med. Marc Sidler ■ Schweizerische Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie SGKJPP / SSPPEA Prof. Dr. med. Alain Di Gallo; Prof. Dr. med. Oliver Bilke-Hentsch ■ Schweizerische Gesellschaft für Kinderchirurgie SGKC Prof. Dr. med. Steffen Berger ■ AllKidS (eigenständige Kinderspitäler) Dr. med. Malte Frenzel ■ Schweizerische Vereinigung für Kinderzahnmedizin Dr. med. dent. Nathalie Scheidegger Stojan ■ Allianz pädiatrische Pflege Schweiz Anna-Barbara Schlüer ■ Schweizerische Vereinigung für Kinder- und Jugendpsychologie SKJP Peter Sonderegger ■ Expertin/Experte Katja Berlinger, Swiss Medi Kids; Dr. med. Conrad E. Müller, Bauchkids.ch ■ Experte Gesundheitspolitik Walter Stüdeli, Geschäftsführer Expert:innengruppe Kinder- und Jugendmedizin

01 / 2024 DIE MPA SEITE KINDERÄRZTE. SCHWEIZ 13 Am 21. September 2023 reisten wir vier MPAs der Kinderarztpraxis Niederholz in Riehen (Sabrina Fontana, Dragana Itin, Denise Wenk, Katja Hetzer) nach Solothurn. Im H4 Hotel wurden wir von der Kursmoderatorin und MPA Frau Anja Diethelm freundlich in Empfang genommen. PD Dr. Noortje Vriends ist selbstständige Psychotherapeutin, Dozentin Psychologie an der Universität Basel und Leiterin des Zentrums für Frühförderung Kanton Basel-Stadt. Sie setzt sich täglich mit Menschen und deren Kommunikation auseinander und hat uns die verschiedenen Ebenen der Kommunikation nähergebracht. Wir fanden es sehr beeindruckend, dass beim Sprechen die Wortwahl am wenigsten gewichtet wird. Dem «gesprochenen Wort» werde gerade nur 7% Aufmerksamkeit zugeteilt. Viel wichtiger sei der stimmliche Ausdruck mit 38% und die Körpersprache mit 55%. Wir haben somit bei einem Gespräch viel mehr Möglichkeiten, uns auszudrücken, als nur mit Worten. Im Brainstorming wurden dann von den Teilnehmer:innen die wichtigsten non-verbalen Kommunikationsebenen wie Mimik, Gestik, Körperhaltung, Blickkontakt, Nähe/ Distanz, Kleidung, Statussymbole, Hilfsmittel und Verhalten im Raum zusammengetragen. Uns allen wurde schnell klar, dass Kommunikation auch auf paraverbale Weise stattfindet. Dazu gehören Stimmlage, Lautstärke, Tonfall, Sprechgeschwindigkeit, Sprachrhythmus, Tonart, Wortwahl und Formulierung. KATJA HETZER MPA, KINDERÄRZTE NIEDERHOLZ, RIEHEN Korrespondenzadresse: kinderaerzte.niederholz @hin.ch Erfahrungsbericht MPA-Workshop «Kommunikation – Tools für den Praxisalltag» vom 21. September 2023 In Gruppenarbeiten wurden Situationen aus dem Praxisalltag besprochen. Wir wendeten die Theorie von Schultz von Thun an, welche einige unter uns bereits kannten – und doch war es wieder einmal spannend, sich zu hinterfragen, mit welchem Ohr ein Gegenüber uns versteht und natürlich auch wie wir unser Gegenüber hören (möchten). Denn jede Nachricht ist schliesslich ein Zusammenspiel zwischen Sender und Empfänger. Wenn man sich dessen wieder einmal bewusst ist, kann dies im Alltag auf jeden Fall weiterhelfen. Es kamen schnell Themen auf, mit welchen sich MPAs in der Praxis auseinandersetzen müssen. Sei es mit «schwierigen» Patient:innen(-eltern) oder auch mit den eigenen Arbeitgeber:innen und Kolleg:innen. In manchen Situationen fragt sich sowohl eine MPA als auch ein Arzt, beziehungsweise eine Ärztin, wie man am besten mit Widerstand des Gegenübers umgehen kann/ soll. An einfachen Beispielen haben wir zusammen mit Frau Vriends so viel geübt, dass wir zukünftig eigentlich den Praxisalltag mit Leichtigkeit meistern sollten. Eine Aussage von Frau Vriends soll hier speziell erwähnt werden: In der Regel ist es so, dass sich zum Beispiel eine verärgerte Patientenmutter meist in einer Notsituation befindet. Wenn wir uns dies vor Augen halten und innerlich auf 10 zählen, kann uns dies dabei helfen, uns besser in Konfliktsituationen zurechtzufinden. Ebenso ist es hilfreich, wenn man sich den oft stressigen Alltag – sei es der von Patienteneltern oder von Teammitgliedern – vergegenwärtigt, um «cooler» reagieren zu können. Anhand der vier Möglichkeiten «Bekämpfen», «Umgehen», «Brücken finden» oder «den Widerstand clever nutzen» haben wir im Plenum praxisnahe Situationen besprochen und versucht, allfällige Konflikte theoretisch so zu lösen. In einer wunderbaren Abschlussbotschaft hat sich Frau Vriends dem Thema Achtsamkeit angenommen. Vor einem Abflug werden wir als Passagiere von den Flight Attendants instruiert, zuerst die eigene Sauerstoffmaske anzulegen, bevor wir anderen Passagieren helfen können – will heissen, dass wir zuerst auf unsere eigene Funktionsfähigkeit achten müssen, bevor wir uns um andere kümmern können, denn unser eigenes Wohlbefinden wappnet uns für den Alltag. Wir danken der Referentin, der Kursleiterin und Kinderärzte Schweiz für einen gelungenen Workshop, der uns viele praktische Tipps für den Praxisalltag, aber auch für uns selbst gegeben hat. Gute Kommunikation ist lernbar und hilft uns, das Leben leichter zu nehmen. ■ Fotos: Anja Diethelm

FORTBILDUNG: THEMENHEFTTEIL 01 / 2024 KINDERÄRZTE. SCHWEIZ 14 Einleitung Im Jugendalter zeigen sich ein recht hohes Mass an Risikobereitschaft und eine Neugier, Neues auszuprobieren, weshalb der Konsum von psychoaktiven Substanzen gerade in diesem Lebensabschnitt nicht zu unterschätzen ist. In der Schweizer HBSC Studie1 zum Konsum psychoaktiver Substanzen 2022 bei Jugendlichen im Alter von 11, 13 und 15 Jahren konnte aufgezeigt werden, dass unter den 15-Jährigen bereits 75% in ihrem Leben eine psychoaktive Substanz konsumiert haben. 23% haben sich in den letzten 30 Tagen mindestens einmal in den Rausch getrunken, 10% illegales Cannabis (THC Gehalt >1%), 36% Tabak und/oder Nikotinprodukte konsumiert. Ca. 4% haben mindestens einmal in ihrem Leben Medikamente eingenommen, um sich zu berauschen. Dabei kann es sich zum Beispiel um Benzodiazepine, Hustenstiller auf Codeinbasis oder Anästhetika wie Ketamin handeln. 5% haben zudem eine andere illegale Substanz als Cannabis ausprobiert (Kokain, Ecstasy, Amphetamine, LSD, halluzinogene Pilze, neue synthetische Substanzen oder Heroin), um sich zu berauschen und ca. 7% haben mindestens LIC. PHIL. KATHARINA HERDENER-PINNEKAMP, LEITENDE PSYCHOLOGIN, KLINIK FÜR KINDER- UND JUGENDPSYCHIATRIE UND PSYCHOTHERAPIE, PSYCHIATRISCHE UNIVERSITÄTSKLINIK ZÜRICH, AMBULATORIUM BÜLACH Korrespondenzadresse: katharina.herdener@pukzh.ch DR. MED. ELVIRA TINI LEITENDE ÄRZTIN KLINIK FÜR KINDER- UND JUGENDPSYCHIATRIE UND PSYCHOTHERAPIE ZENTRUM FÜR JUGENDPSYCHIATRIE, PSYCHIATRISCHE UNIVERSITÄTSKLINIK ZÜRICH Korrespondenzadresse: elvira.tini@pukzh.ch «Ich weiss gar nicht, was ihr habt, ich habe doch kein Problem mit Drogen» Umgang mit missbräuchlichem Substanzkonsum und Abhängigkeit bei Kindern und Jugendlichen einmal im Leben eine Kombination von Medikamenten mit Alkohol zusammen eingenommen. Der Konsum psychoaktiver Substanzen steigt zwischen dem Alter von 11 und 15 Jahren stetig an. Auch wenn der Konsum meist experimentell oder sporadisch ist, stellt sich bei einer nicht vernachlässigbaren Minderheit der 15-Jährigen ein häufiger Konsum und ein Mischkonsum mit Medikamenten ein. Missbräuchlicher Konsum von Substanzen bei Kindern und Jugendlichen ist insgesamt noch wenig untersucht. In den Kinderarztpraxen stellt unter anderem auch der missbräuchliche Konsum von Medikamenten, um psychoeffektive Wirkungen zu erleben, ein nicht zu unterschätzendes Problem dar. Der nichtmedizinische Gebrauch von verschreibungspflichtigen Medikamenten hat nach Cannabis und Alkohol die dritthöchste Prävalenz im Drogengebrauch bei Jugendlichen. Medikamente werden in der Freizeit zum Erzeugen von Rauschzuständen sowie als sogenannte Selbstmedikation, zum Beispiel bei Depressionen und Ängsten, konsumiert. Psychoaktive Medikamente mit Abhängigkeitspoten- zial umfassen insbesondere opioidhaltige Schmerz- und Bild: © Zagovoreny / Dreamstime.com

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