KINDERÄRZTE.SCHWEIZ 3/2023

03 / 2023 FORTBILDUNG: THEMENHEFTTEIL KINDERÄRZTE. SCHWEIZ 29 Quelle: Caleb Woods (www.unsplash.com) Was wünschen sich Eltern von ASS-Kindern von ihrer Kinderärztin? In erster Linie wünschen sie sich eine Person, welche sich Zeit für sie nimmt, Empathie zeigt und auch zuhört. Die Diagnose ist zwar manchmal erwartet, es braucht aber viel Zeit, um sie anzunehmen und die Auswirkungen zu verstehen. Die Eltern wollen dabei unterstützt werden, eine positive Einstellung zu ihrem Kind und seiner Situation zu entwickeln. Dabei muss die Lebenssituation der Familie berücksichtigt werden und es soll die Möglichkeit da sein, eine «Nachdenk- und Bedenkzeit» zu haben. Die Auswirkungen auf Entwicklung, Schule und das Umfeld sind bedeutend und es gilt, diese Themen wahrzunehmen. Wichtig ist für viele Eltern, dass auch die Patientenakte akribisch genau geführt wird, damit dann auch die Anmeldung bei der IV ohne Probleme durchgeführt werden kann, und auch dabei wünschen sie sich entsprechende Unterstützung. Der Kinderarzt soll auch wissen, was, wann und vor allem wo abgeklärt werden muss und dies entsprechend vorschlagen bzw. anmelden. Ein weiterer Punkt ist die Erreichbarkeit der Praxis in einer Notfallsituation. Die Eltern wünschen sich Zugang zu Ressourcen und Entlastungsmöglichkeiten, ebenso auch Information zu Selbsthilfegruppen. Die Kinderärztin ist auch eine wichtige und vertraute Informationsquelle, sowohl in Bezug auf etablierte Therapien, als auch was neue Forschungen und alternative Therapien betrifft. Die medikamentöse Unterstützung gehört ebenso in die Kernkompetenz des behandelnden Arztes, wie auch die Beurteilung und Vermittlung alternativer Therapien. Und – last but not least – die Vernetzung der Ärztin mit Schule, Lehrpersonen, Heilpädagogen und anderen Fachpersonen. ■ Die Ärztin soll sich Zeit nehmen, zuhören und bei Verdacht auf Autismus gezielt relevante Fragen stellen ■ Helfen, die Diagnose und ihre Auswirkungen zu verstehen ■ Eltern und Kind beim Arztbesuch unterstützen, indem die nötige Voraussehbarkeit gegeben wird ■ Akribisches Führen der Patientenakte, damit die Anmeldung bei der IV gelingt. Hüter der Daten sein, was wann angemeldet/abgeklärt werden muss ■ Telefonische Erreichbarkeit der Praxis klar mitteilen und Angabe eines Notfalldienstes ■ Die Wünsche und die Lebenssituation der Familie berücksichtigen, der Familie Bedenkzeit geben ■ Den Eltern den Zugang zu Ressourcen und Unterstützung geben ■ Eltern befähigen, eine positive Einstellung zu entwickeln, Empathie zeigen ■ Tipps für die Bewältigung der Herausforderungen, welche mit ASS in Verbindung stehen oder angeben, wo sich die Eltern melden können Zitate von Eltern «Geschätzt hatte ich an meinem Kinderarzt, dass er die Routineuntersuchungen sehr ernst genommen hat und extrem rasch eine Abweichung vom Median festgestellt hat. So war David bereits mit zwei Jahren auf dem Radar und in der heilpädagogischen Frühförderung. Damals hatte er noch keine Diagnose.» «Ich hätte den Wunsch an die Kinderärzte, dass sie mehr systemisch denken und nicht einfach nur in den angestammten Kategorien.» «Der Kinderarzt ist unserem Wunsch, unser Kind auf ASS abklären zu lassen, nachgekommen. Das haben wir sehr geschätzt. Zudem fragte der Kinderarzt auch immer nach dem elterlichen Befinden, wie es uns geht; auch das ist wichtig, denn unser Kind hatte bereits vor der ASS-Abklärung Entwicklungsverzögerungen/Entwicklungsrückstände. Und wir schätzen dieses Nachfragen auch heute noch sehr. Unser Kinderarzt ist unsere zentrale Anlaufstelle, er unterstützt uns, mit ihm können wir Gespräche auf Augenhöhe führen, Gedanken austauschen, Lösungen entwickeln.» «Unser Kinderarzt half uns auch, einen guten Neurologen zu finden.» «Rückblickend hätten wir uns eine frühere Abklärung gewünscht, da die Intensivtherapien so früh wie möglich gestartet werden sollen und es eine Alterslimite für diese Therapien gibt. Durch die relativ späte Diagnosestellung hatten wir keine Chance mehr, mit unserem Kind in eine Frühintervention zu gelangen. Hier ist es daher wünschenswert, wenn Kinderärzte mehr über Auffälligkeiten in Bezug auf ASS geschult wären und so früher Anzeichen erkennen könnten.» «Wenn die Kinderärzte hier mehr Wissen hätten, wäre das in jedem Falle hilfreich. Sie sollten die Eltern ernst nehmen mit ihren Sorgen. Ich kenne keine Eltern, die sich freiwillig eine Autismus-Diagnose für ihr Kind wünschen. Eltern wollen jedoch wissen, wie sie ihrem Kind helfen können.» «Wir schätzten an unserer Kinderärztin sehr, dass sie sich jeweils sehr viel Zeit für die Konsultationen nahm, sie schien nie in Eile; das kam insbesondere meinem Sohn, aber auch mir zugute. Zudem zeigte sie immer viel Empathie, Humor und Pragmatismus. Auch sagte die Pädiaterin nach der Diagnose: Ihr Kind ist immer noch Ihr Kind, so wie Sie es kennen und lieben, es ist nun einfach Ihr Kind mit einer Autismus-Spektrum-Störung. Das fand ich sehr schön und werde ich nie vergessen.» «Grundsätzlich hatte und habe ich sehr grosses Glück mit den Pädiater:innen. Ein zusätzlicher Benefit wäre aber gewesen, wenn mir die Pädiaterin nach der Diagnose den Verein ads empfohlen hätte. Nach einer solchen Diagnose fühlt man sich doch sehr alleine und hilflos, da kann ads Abhilfe schaffen, wertvolle Informationen und Angebote zur Verfügung stellen und einen mit anderen Angehörigen vernetzen.» «Ich hätte mir gewünscht, dass man mir gesagt hätte, dass ich nichts falsch mache und nicht an der Situation schuld bin.» «Kinderärzte sollten über Autismus gut informiert sein. Und sie sollten ihre Praxis, oder mindestens einen Raum, autismusfreundlich einrichten! Das würde viele Familien, auch ohne Kinder im ASS, unterstützen.»

RkJQdWJsaXNoZXIy MjYwNzMx