KINDERÄRZTE.SCHWEIZ 2/2023

02 / 2023 RECHTLICHES KINDERÄRZTE. SCHWEIZ 13 Weiteres insgesamt sechs Tage bezahlten Betreuungsurlaub beziehen. Alles, was über diese drei bezahlten Tage hinausgeht, ist kontrovers. Am 1. Januar 2021 wurde eine neue Regelung ins Arbeitsrecht (OR) aufgenommen, die für die Betreuung von Familienangehörigen pro Ereignis drei Tage, pro Jahr aber höchstens zehn Tage festlegt. Diese Regelung entspricht einer ähnlichen Regelung im Arbeitsgesetz (ArG). Dabei ist festzuhalten, dass viele Arbeitnehmende, so z. B. in der öffentlichen Verwaltung, wie auch in leitender Position, gar nicht unter die Regelung des ArG fallen. Die Plafonierung von zehn Tagen im OR und im ArG gilt zudem nicht für die Betreuung von kranken Kindern. Um Diskussionen oder Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden, sollten Sie den Eltern raten, sich diesbezüglich genau zu erkundigen, respektive den Arbeitgebenden zu kontaktieren und mit ihm die Sachlage im Vorfeld zu klären. Nach vorliegender Meinung haben erwerbstätige Eltern nämlich Anspruch auf mehr als drei Tage bezahlten Urlaub zur Betreuung ihres kranken Kindes, sofern ihre Anwesenheit notwendig ist, so etwa im Fall eines schwer kranken Säuglings. Diesfalls müssen sie auch keinen Ersatz für die Betreuung ihres Kindes suchen. Dies folgt daraus, dass dem Kindeswohl eine hohe Priorität zukommt. Zudem gewährt die Verfassung Kindern und Jugendlichen einen besonderen Schutz. Die Einschätzung der Notwendigkeit obliegt dem behandelnden Arzt, respektive dem Ärzteteam. Dabei stehen medizinische Überlegungen im Vordergrund, die das Alter des Kindes und die Schwere der Beeinträchtigung mit einzubeziehen haben. Stellen Sie ein Arztzeugnis aus, das mehr als drei Tage attestiert, sollten Sie auf jeden Fall in den Akten festhalten, warum die Anwesenheit der Eltern erforderlich ist, damit Sie Ihren Entscheid später nachvollziehen und begründen können. Ebenso sollten Sie notieren, dass Sie die Eltern dazu angehalten haben, sich über die Lohnfortzahlungspflicht zu informieren. Die oben beschriebenen Regelungen gelten grundsätzlich für Kinder bis zum 15. Altersjahr. Arbeitgebende müssen jedoch bezüglich Arbeits- und Ruhezeiten auf Arbeitnehmende mit Familienpflichten besondere Rücksicht nehmen. Dies hat umso mehr zu gelten, wenn Arbeitnehmende kranke Kinder zu Hause zu pflegen haben, auch wenn diese 14 Jahre oder älter sind. Überstunden dürfen dann beispielsweise nicht angeordnet werden. Erkrankt ein Kind besonders schwer, kann darüber hinaus ein Anspruch auf 14-wöchigen Urlaub für die Betreuung von gesundheitlich schwer beeinträchtigten Kindern bestehen1. Dieser wurde im Juli 2021 eingeführt und ist eine Betreuungsentschädigung, welche über die Sozialversicherung EO (Erwerbsersatzordnung) abgewickelt wird. Sie entlastet unter anderem den Arbeitgebenden von seiner Lohnfortzahlungspflicht, ist aber wie alle Taggeldversicherungen plafoniert. Ein Kind gilt als gesundheitlich schwer beeinträchtigt, wenn eine einschneidende Veränderung seines körperlichen oder psychischen Zustandes eingetreten ist, der Verlauf oder der Ausgang dieser Veränderung schwer vorhersehbar ist oder mit einer bleibenden oder zunehmenden Beeinträchtigung oder dem Tod zu rechnen ist. Ausserdem besteht dieser Anspruch auch, wenn ein erhöhter Bedarf an Betreuung durch die Eltern besteht und mindestens ein Elternteil die Erwerbstätigkeit für die Betreuung des Kindes unterbrechen muss. Der Betreuungsurlaub muss nicht am Stück, aber innerhalb von 18 Monaten nach Erhalt des ersten Taggelds bezogen werden. Sind beide Eltern berufstätig, so dürfen sie insgesamt höchstens 14 Wochen Betreuungsurlaub beziehen. Für den Leistungsbezug müssen sie eine Anmeldung bei der zuständigen Ausgleichskasse einreichen. Als behandelnder Arzt werden Sie aufgefordert, im Formular die Schwere der Einschränkung mittels vorgegebener Auswahlkriterien zu bestätigen. Eltern, die zur Pflege ihres kranken Kindes zu Hause bleiben müssen, sollen sich durch den behandelnden Arzt des Kindes zuhanden des Arbeitgebenden ein Arztzeugnis ausstellen lassen. Dieses dient als Beweismittel dafür, dass die Eltern an der Arbeit verhindert sind, weil sie ein Kind aus medizinischen Gründen pflegen müssen. Als Ärztin oder Arzt bestätigen Sie diesen Sachverhalt und lösen damit eine Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebenden sowie auch einen Kündigungsschutz aus. In der Praxis ist es üblich, dass Eltern nur drei Tage zur Pflege ihres Kindes zu Hause bleiben dürfen. Ist ihre Anwesenheit jedoch darüber hinaus erforderlich, kann und muss die Ärztin sie auch länger von ihrer Erwerbspflicht befreien können. Die Lohnfortzahlungspflicht zur Pflege von kranken Kindern sollte so behandelt werden, als fiele der Elternteil aufgrund eigener Krankheit aus. Eine Ausnahme bildet der 14-wöchige Urlaub für die Betreuung gesundheitlich schwer beeinträchtigter Kinder. ■ 1. https://www.bsv.admin.ch/bsv/de/home/ sozialversicherungen/eo-msv/ grundlagen-und-gesetze/ betreuung-beeintraechtigte-kinder.html

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