KINDERÄRZTE.SCHWEIZ 2/2023

RECHTLICHES 02 / 2023 KINDERÄRZTE. SCHWEIZ 12 Das Ausstellen von Arztzeugnissen ist zentraler Bestandteil des ärztlichen Alltags. Als ausstellende Ärztin oder ausstellender Arzt sollte Ihnen bewusst sein, weshalb ein solches Arztzeugnis benötigt wird und was Sie damit bewirken. So können Sie etwaige Fragen und Unklarheiten antizipieren und im Hinblick auf spätere Nachfragen sachdienliche Informationen dokumentieren. Eltern sind für die Gesundheit ihrer Kinder verantwortlich. Sie haben somit das Recht, aber auch die Pflicht, ihren Kindern dem Alter und der Gesundheitsbeeinträchtigung entsprechende Pflege zukommen zu lassen. Erwerbstätige Eltern müssen für die Betreuung ihrer verunfallten oder kranken Kinder die Möglichkeit haben, ihrer Arbeit fernzubleiben. Das ist im schweizerischen Recht auch so vorgesehen. Die Eltern sind dabei aber im eigentlichen Sinne nicht selbst arbeitsunfähig, sondern zum Zwecke der Erfüllung einer gesetzlichen Pflicht, nämlich der Betreuung eines Kindes mit gesundheitlicher Beeinträchtigung, an der Arbeit verhindert. Somit stellt sich die zentrale Frage, wie lange Eltern bezahlten Betreuungsurlaub vom Arbeitgebenden (sogenannte Lohnfortzahlungspflicht) erwarten können. Im Bereich der pflegenden Angehörigen, zu denen auch Eltern kranker Kinder zählen, gibt es mit einer Ausnahme – dem 14-wöchigen Urlaub für die Betreuung schwer kranker Kinder – keine obligatorische Sozialversicherung, sodass die Lohnfortzahlungspflicht grundsätzlich beim Arbeitgebenden liegt. Fragen rund um Arztzeugnisse für Eltern von kranken Kindern sind deshalb nicht primär sozialversicherungs-, sondern arbeitsrechtlicher Natur. Ob arbeitsrechtliche Fragen in der Praxis Anlass zur Diskussion geben, hängt stark von der realen Situation am Arbeitsmarkt ab. Das Arztzeugnis dient den Eltern von kranken Kindern als Beweismittel: Es bezeugt gegenüber dem Arbeitgebenden, weshalb sie an der Arbeitsleistung verhindert sind. Grundsätzlich kann dieser Beweis auch in anderer Form erbracht werden, jedoch sehen viele Arbeitsverträge vor, dass ab dem dritten, manchmal sogar ab dem ersten fehlenden Arbeitstag, der auf die eigene Krankheit oder jene eines Familienangehörigen zurückzuführen ist, ein Arztzeugnis vorgelegt werden muss. Arbeitnehmende, die unter das Arbeitsgesetz fallen, müssen ebenfalls ein Arztzeugnis vorlegen. Wie LIC. IUR. CAROLINE BRUGGER SCHMIDT MASTER OF EUROPEAN SOCIAL SECURITY (EMSS) , INHABERIN DER FIRMA LEXPLANATION, BEZIRKSRICHTERIN, RHEINFELDEN Korrespondenzadresse: brugger@lexplanation.ch Elterliche Arbeitsabsenzen aufgrund der Betreuung des kranken Kindes (Betreuungsurlaub) alle rechtlichen Beweismittel muss auch das Arztzeugnis gewissen inhaltlichen und formalen Anforderungen entsprechen, damit es von der Gegenpartei oder, im Streitfall, von den Gerichten nicht ohne Weiteres übergangen wird. Inhaltlich darf es keine Diagnose enthalten, da diese dem Arztgeheimnis untersteht. Vielmehr hat es die Dauer des Betreuungsurlaubs festzuhalten. Diese bestimmt sich regelmässig anhand zweier Kriterien: erstens, wie lange das Kind krank ist, zweitens, wie lange ein Elternteil effektiv beim Kind bleiben muss. Da der behandelnde Arzt den Gesundheitszustand des Kindes am besten einschätzen kann, liegt es an ihm, das Arztzeugnis auszustellen. Diese Aufgabe kommt auch Spezial- oder Klinikärztinnen zu. Sie müssen insbesondere dann, wenn sie ein Kind nach Hause entlassen, ggf. bestätigen, dass es weiterhin pflegebedürftig ist und dabei beispielsweise nicht in die Kita kann, da es von den Eltern versorgt werden muss. Übernimmt die niedergelassene Ärztin die weitere Betreuung, liegt es wiederum an ihr, das Arztzeugnis zu erneuern, respektive die Lage neu zu beurteilen. Um den Gesundheitszustand korrekt beurteilen zu können, muss der Arzt das Kind persönlich sehen. Eine telefonische Konsultation genügt nur ausnahmsweise. Ein bis zu drei Tage rückwirkend ausgestelltes Arztzeugnis ist vom Arbeitgebenden für gewöhnlich zu akzeptieren. Notieren Sie jedenfalls wichtige Zusatzinformationen in ihren Akten und versetzen Sie sich dabei in die Position einer Richterin: Was würden Sie wissen wollen, um den Beweis der elterlichen Arbeitsverhinderung zu akzeptieren? Bedenken Sie, dass das Arztzeugnis dazu dient, die Arbeitsverhinderung der Eltern für die Betreuung ihrer kranken Kinder zu beweisen, sodass der Arbeitgebende ggf. den Lohn weiterzahlen muss, ohne im Gegenzug Arbeitsleistung zu erhalten. Mit einem Arztzeugnis lösen Sie somit auch Pflichten bei Drittpersonen aus. Liegt ein Arztzeugnis vor, dürfen Eltern grundsätzlich mit bis zu drei Tagen bezahltem Betreuungsurlaub rechnen. In einigen Gesamtarbeitsverträgen sind fünf Tage vorgesehen. Nach drei Tagen wird davon ausgegangen, dass das Kind wieder gesund ist oder dass die Eltern unterdessen eine alternative Betreuung (z. B. durch Verwandte oder Bekannte) organisiert haben. Sind beide Elternteile berufstätig, können sie sich im Übrigen abwechseln und auf diese Weise ohne Greta, 13 Jahre

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