JAHRESTAGUNG 04 / 2022 K I N D E R Ä R Z T E. SCHWEIZ 32 Wir sind Kinder- und Jugendärztinnen, Fachpersonen mit einer medizinischen Grundausbildung, in unserem Alltag ermächtigt und aufgefordert, Diagnosen zu stellen, zu behandeln, zu beraten, zu unterstützen, zu vertreten, zu verbinden… Wir sind die Anwälte des Kindes. Während des Medizinstudiums streifen wir die rechtlichen Themen; im Arbeitsalltag stehen wir ihnen tagtäglich gegenüber, müssen uns im Selbststudium Wissen und Kompetenzen aneignen, damit wir wissen, was wir tun dürfen, sollen, können, müssen. Als Ärztinnen, als Arbeitgeber, als Arbeitnehmerinnen, als Eltern… Darum sitze ich heute in diesem Workshop, um mir etwas Durchblick in der Welt der Paragrafen zu verschaffen. Die Frage der Fragen lautet: «Wer bezahlt für die besonderen Bedürfnisse?» Hier kommen die Bereiche des Sozialversicherungsrechtes, des Arbeitsrechtes, des Schulrechtes und des Behindertengleichstellungsrechtes zum Tragen. Die Entscheide werden von Juristen gefällt und sind abhängig von den gelieferten Informationen. Sozialversicherungen sind finanziell unter Druck und prüfen Leistungsbegehren intensiver. Wer etwas will, sollte mit einem klar formulierten Bericht beweisen, dass das Recht vorhanden ist. Recht haben heisst nicht Recht bekommen – hier hilft die Kommunikation, die Zusammenarbeit. Mit den Leuten reden, nachfragen, was es braucht, erklären, wie die Sachlage ist. Ist das nicht das, was wir sowieso schon immer tun in unseren Sprechstunden? Der kleine Unterschied macht es aus: In unserem Sprechzimmer will jemand etwas von uns, hier wollen wir etwas von einer Versicherung. REFERENTIN: LIC. IUR. EMSS CAROLINE BRUGGER SCHMIDT Rechtsberatung und Fachbereich Kinder, Jugend und Eltern bei diabetesschweiz, Richterin am Bezirksgericht und selbstständige Tätigkeit als Juristin, Rheinfelden MODERATION: DR. MED. STEFANIE GISSLER WYSS Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin FMH, Praxispädiaterin in Neuendorf AUTORIN: DR. MED. KINGA MÉSZÁROS STRUB Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin FMH, Gemeinschaftspraxis Bachtanne, Oberdorf BL Korrespondenzadresse: kmeszarosstrub@hin.ch Workshop Ärztinnen und Ärzte 12: Rechtliches «Fokus auf Kinder und Jugendliche mit besonderen Bedürfnissen» Wir bleiben im Workshop hängen am Thema «Entschädigungen für die Betreuung eines chronisch kranken Kindes oder eines Kindes mit besonderen Bedürfnissen». Die neue Gesetzeslage seit dem 1. Januar 2022 sieht einen Anspruch auf eine Entschädigung der Erwerbsersatzordnung für 14 Wochen pro Jahr vor. Die Entscheidung wird von der Verwaltung (u. a. Juristen) getroffen, die Informationen liefert die Ärztin. Eltern von Kindern mit besonderen Bedürfnissen ist es empfohlen, eine Rechtsschutzversicherung abzuschliessen und oder sich einem Verband oder einer Patientenvereinigung anzuschliessen. Bei «pro infirmis» oder «procap» finden sie Unterstützung in rechtlichen Belangen. Auch bekommen sie dort Hinweise auf die möglichen finanziellen Unterstützungen, wie Betreuungsgutschriften der AHV für pflegende Angehörige ohne Anstellungsverhältnis, Leistungen der IV wie Taggelder, Hilflosenentschädigung usw. Wir Ärzte sind dann gefragt beim Ausfüllen der Versicherungsformulare. Hilfe finden wir hierfür z. B. in einer Broschüre des Angelman-Vereins: «Gut zu wissen: Ratgeber für Eltern von Kindern mit einer Beeinträchtigung aller Art» (bestellbar bei: www.angelman.ch/marktplatz; aktuell 1. Auflage leider vergriffen, 2. Auflage im Druck). Nach zwei Stunden Paragrafen kenne ich nicht alle Unterstützungsmöglichkeiten, doch ich weiss nun, wo ich nachschauen kann (IV, EO, KVG). Auch weiss ich, dass ich Familien unterstützen kann, indem ich meine Berichterstattung entsprechend meiner Kenntnis klar und deutlich formuliere. ■
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