KINDERÄRZTE.SCHWEIZ 1/2022

18 FORTB I LDUNG: THEMENHEFTTE I L 01 / 2022 K I N D E R Ä R Z T E. SCHWEIZ Als ich während der Vorbereitung dieses Artikels mit verschiedenen Pädiatern das Thema besprach, merkte ich bald, dass dies ein «neuralgischer Punkt für Kinderärzte» ist. Deshalb wird die pädiatrische «choosing wisely group» dieses Thema möglichst bald in Angriff nehmen. In diesem Artikel geht es nur darum, einige Aspekte aus dem Blickwinkel des Praxisalltags gemäss der bestmöglichen Evidenz zu beleuchten. Vorausgeschickt kurz zur Erinnerung: Die Nebenwirkungen von Ibuprofen lassen sich in zwei Hauptgruppen einteilen: 1. Durch Cyclooxygenasehemmung bedingt: Hämodynamisch bedingte Konstriktion von Blutgefässen (Vas afferens Nieren), Bronchokonstruktion und Dysfunktion der Thrombocyten u. a. 2. Nicht durch Cyclooxygenasehemmung bedingt: Hypersensitivität (allergische und nicht-allergische) u. a. 1. Ibuprofen kann allen Kindern bedenkenlos gegeben werden – ungeachtet der Fieberursache. Bei einer Gastroenteritis und/oder einer anderen Erkrankung mit Gefahr der Dehydratation (z. B. hohes Fieber mit Trinkverweigerung) sollte Ibuprofen in Anbetracht der erhöhten Inzidenz renaler Nebenwirkungen nicht oder nur niedrig dosiert gegeben werden, wenn eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr sichergestellt ist.1–13 Ab 6 Monaten (je nach Land ab 3 Monaten) kann Ibuprofen in richtiger Dosierung und nach Massgabe der Beschwerden kurzzeitig (1 bis 2 Tage) gegeben werden, sofern keine Risikofaktoren vorliegen.15–22 Bei präexistenten uronephrologischen Erkrankungen, Frühgeborenen / niedrigem Geburtsgewicht, gleichzeitiger Gabe von nephrotoxischen oder diuretischen Medikamenten oder Hypersensitivität sollte Ibuprofen nicht oder nur nach sorgfältiger Abklärung der Vor- und Nachteile gegeben werden.8, 9 2. Ibuprofen kann die Nierenfunktion transient beeinträchtigen. Die klassische renale Nebenwirkung ist hämodynamisch bedingt und führt wie oben erwähnt bei Dehydratation zu einer eingeschränkten glomerulären Funktion (erhöhtes Kreatinin, Harnstoff).1–9 3. Das Risiko einer spezifischen renalen Nebenwirkung (interstitielle Nephritis) steigt proportional zur jemals im Leben geschluckten Ibuprofendosis. Die (tubulo-)interstitielle Nephritis ist bei Kindern ohne Risikofaktoren selten. Neben Medikamenten werden autoimmune, genetische u. a. Faktoren als Ursache vermutet, z. B. im Rahmen des TINU-Syndroms (tubulointerstitielle Nephritis und Uveitis). Das Risiko einer hämodynamischen renalen Nebenwirkung steigt aber dosisabhängig sowie mit der Verabreichungsdauer, nicht jedoch kumulativ auf Lebenszeit.1–10 DR. MED. NIENSKE PETERS FACHÄRZTIN FÜR KINDER- UND JUGENDMEDIZIN FMH, BERN Korrespondenzadresse: praxisimpfumfrage@ gmail.com PROF. DR. MED. EM. THOMAS J. NEUHAUS FACHARZT FÜR KINDER- UND JUGENDMEDIZIN FMH, LUZERN Die Verschreibung von Ibuprofen bei Kindern stieg in den letzten zwei Dekaden stetig. Es wird immer jüngeren Kindern, niedrigschwelliger, längerdauernder, höher dosiert und oft auch fix vorgeschrieben. Im folgenden Artikel wird versucht, einige dieser Verabreichungspraktiken aus dem Blickwinkel der bestmöglichen Evidenz zu beleuchten. Ibuprofen im Praxisalltag Evidenz oder Schweizer Käse? Quelle und Zustimmung: Abb. 5: Selektivität von COXHemmstoffen In: Thomas Herdegen, Pharmako-logisch! Hemmstoffe der Cyclooxygenasen Deutsche Apotheker Zeitung, Nr. 18/2011 (05.05.2011), Seite 57 © DAZ/Gesine Oberst ✓ ✗ ✗

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