KINDERÄRZTE.SCHWEIZ 4/2017

K I N D E R Ä R Z T E. SCHWEIZ 44 ERFAHRUNGSBER I CHTE 04 / 2017 Tetanus-Antitoxin Nachholimpfung >1000 U/l Keine weitere; weiter gemäss CH-Impfplan >500 U/l aber <1000 U/l Nochmals impfen nach 6 Monaten, dann weiter gemäss CH-Impfplan <500 U/l Weiter mit 0,2,8 Schema impfen, dann weiter gemäss CH-Impfplan zol (Zentel Susp. oder Tabl.: >1j/<10 kg: 200 mg Einmaldosis; >2j/>10kg: 400 mg Einmaldosis) durchzuführen.  Falls das Giardia lamblia-Antigen positiv ist, muss die Therapie auf z.B. Metronidazol 30 mg/kg (max. 2 g): 1–3 mal/Tag für 3 Tage umgestellt werden. Das Tuberkulose-Screening bei der ersten Arztkonsultation ist deshalb sehr wichtig, weil das Risiko der Tuberkulose Exposition während der Flucht und während des Lebens in Gemeinschaftseinrichtungen sehr hoch ist. Kinder jünger als 3 Jahre haben ein erhöhtes Risiko, einen schweren oder disseminierten Verlauf der Tb durchzumachen. Kinder jünger als 5 Jahre weisen ein hohes Risiko für die Progression der Tuberkulose auf (30–55%). Die Lunge ist bei den Kindern zu 80–90% das betroffene Hauptorgan. TB-Abklärung gestaltet sich wie folgt: – < 5 Jahre: TB-Screening bei allen, unabhängig vom Herkunftsland – ≥ 5 Jahre: niederschwellig bei Husten länger als 2 Wochen. Gewichtsverlust/Gedeihstörung, persistierendes (> 1 Woche) unerklärtes Fieber (>38,0 Grad), andauernde, unerklärte Lethargie   Falls <5 J. oder falls ≥5 J. und symptomatisch: Mantoux- resp. Quantiferon-Test und Thorax-Rx Die Schistosomiasis (Bilharziose) ist eine Krankheit, die gesunde Asylantenkinder haben können. Sie wird beim Spielen im Süsswasser erworben. Infizierte Schnecken übertragen den Pärchenegel. Die Larven dringen durch die Haut. Es wird zwischen Schistosoma mansoni und haematobium unterschieden, die zwei unterschiedliche Prädilektionsstellen und Krankheitsverläufe aufweisen (Tabelle 2).  Ulzerierende Wunden werden durch Streptokokken und Staphylokokken (MRSA!) ausgelöst. Differentialdiagnostisch ist eine Hautdiphtherie (Beine!) oder selten eine kutane Leishmaniose oder kutane Tuberkulose in Betracht zu ziehen. Nach Abnehmen eines Wund- und Nasenabstrichs (MRSA-Suche) wird eine empirische Therapie mit Augmentin 25–40 mg/kg KG/Dosis 2-mal täglich begonnen.  Bei Verdacht auf eine Hautdiphtherie muss das Kind hospitalisiert und isoliert werden. Nach stattgehabtem Rachenabstrich erhält es Penicillin per os, evtl. Diphtherie-Antitoxin. Der Impfstatus ist in der Erstkonsultation zu überprüfen. Die Impfanamnese wird erhoben. Nur dokumentierte Impfungen zählen als durchgeführte Impfungen. Der für das Herkunftsland geltende Impfplan kann auf http://apps.who.int/immunization_monitoring/globalsummary/schedules eingesehen und mit dem schweizerischen Impfplan verglichen werden.  Ist ein Kind unvollständig geimpft, empfiehlt es sich entweder fortzufahren, wie wenn ein Kind noch nie geimpft wurde oder es wird eine Tetanusimpfung verabreicht und dann anlässlich der Zweitkonsultation vier Wochen später, eine Blutentnahmemit Bestimmung des Tetanus-Anti- toxin-Titers abgenommen, denn der Tetanus-Antitoxin- Titer ist die Entscheidungsgrundlage, ob anlässlich der 3. Konsultation weitere Impfungen notwendig werden. Der Impftiter ist im Impfausweis einzutragen (Tabelle 3). S. mansoni S. haematobium Prädilektion Darm, Leber Blase Symptome Keine oder milde Bauchschmerzen Durchfall Blut im Stuhl Hepatosplenomegalie Katayama-Fieber Keine Hämaturie Müdigkeit Langzeitfolgen Leberfibrose, Portale Hypertonie, arterielle Hypertonie Blasenwandverdickung, Uretherstrikturen Blasenkarzinom Vorkommen Südamerika, Karibik, Afrika, mittlerer Osten Afrika, mittlerer Osten Tabelle 2  Therapeutisch wird Praziquantel (Biltericide 600 mg Tbl: 40–60 mg/kg als Einmaldosis; nur in Deutschland erhältlich) gegeben.  Infektionen der Haut finden sich oft bei Asylantenkindern. Die Skabies mit ihren Papeln bis kleinen Bläschen an den typischen Prädilektionsstellen ist bekannt. Therapeutisch wird 5% Permethrin Creme (InfectoScab aus Deutschland) oder Ivermectin (Stromectol 3 mg aus Frankreich, >15 kg: Einmaldosis 0,2 mg/kg KG: Tag 0 und Tag 8) eingesetzt.  Eine MMR-Impfung kann, wenn das Kind klinisch gesund ist, ab 9 Monate gemacht werden, wenn keine Anzeichen für eine floride HIV-Infektion vorliegen.  Wenn die Varizellen-Anamnese negativ und/oder unbekannt ist, wird nach dem VZV-Schema geimpft. Die Impfung wird mit Varilrix gemacht, da die Krankenkassen die MMR-Tetra nicht zahlen.  Je nach Herkunftsland der Migranten stehen andere hämatologische Erkrankungen im Vordergrund (Tabelle 4).  Bei persistierendem Fieber ist stets an eine Malaria zu denken. Die Inkubationszeit liegt zwischen 7 Tagen und einem Jahr. Eine schnelle Zuweisung ins Spital ist dringlich.  In der Erstkonsultation ist es wichtig, die Ernährungssituation der Kinder zu beurteilen. Unterernährte Kinder weisen eine erhöhte Morbidität, eine erhöhte Anfälligkeit für Infektionen auf. Unterernährung wirkt sich auf die geistige und motorische Entwicklung der Kinder aus. Tabelle 3

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