Zenit Nr. 4, Dezember 2019

Menschen in all diesen Ländern letztlich nur eines wollen: ein besse- res Leben für sich und für ihre Kinder. Sie wis- sen meist haargenau, dass die Potentaten, wel- che ihre Länder beherr- schen, diese Herrschaft mit Gewalt, mit Klientelwirtschaft und mit der damit ein- hergehenden Korruption zementieren. Für mich war dieser universelle Wunsch nach Rechtsstaatlichkeit aber immer das Fundament der Brücken, die ich bauen wollte, um zu verstehen, was vor sich ging. Das war der Leitfaden; daraus ergaben sich Respekt, aber auch Ablehnung, wenn dieser Wert nicht beachtet wurde. Ausgewogener beziehungsweise «objektiver» Journalismus sollte man ja nicht mit Wert- freiheit verwechseln! «Brückenbauen durch die Berichterstattung, man kann es auch so sehen, ist mühsame Kleinarbeit. Aber es macht Freude, wenn die Brücke einmal hält.» Pro Senectute Kanton Luzern 4 | 19 15 Medialer Brückenbauer eine dringend benötigte Lösung darstellen würde. «Es ist doch eine Win-win-Situation», versuchte er noch zu retten, was schon verloren war. In Griechenland gibt es im harten Verdrängungsgeschäft auf kommunaler Ebene keine Win- win-Situationen, sondern nur Win-loose-Situationen. Ich gewinne, du verlierst. Das Projekt wurde nie verwirklicht, Athen bewegt sich zehn Jahre später immer noch am Rande des Abfallkollapses. Solche Erfahrungen zeigen, wie schwierig es auch für Journalisten sein kann, kulturelle Gräben zu überwinden. Wir müssen das verständlich machen, was nach den Bedin- gungen zu Hause im Grunde gar nicht verstanden wird. Im Verlaufe des sogenannten «arabischen Frühlings» hörte ich öfter, als mir recht war: «Diese Völker haben ja gar nicht die lange Erfahrung mit der Demokratie wie wir.» Dieses Argu- ment reisst einen Graben auf, der kaum noch überbrückbar ist. Als ob wir «unsere» Rechtsstaatlichkeit – die ich über alles schätze – einfach so, sozusagen als Dank für unseren Fleiss und unsere Rechtschaffenheit, erhalten hätten. In den vier Jahrzehnten der Berichterstattung aus Krie- gen und Krisen ist mir heute klarer denn je zuvor, dass die- Seit ziemlich genau vierzig Jahren berichtet Werner van Gent für Schweizer Medien aus einem Gebiet zwischen der Adria und dem Hindukush. Er lebt mit seiner Frau Amalia abwechselnd in Griechen- land und in Remetschwil AG. Seit 2007 organisiert er Reisen für kleine Gruppen sowie Symposien zur Lage der Welt. Mehr dazu auf www.treffpunktorient.ch

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