Zenit Nr. 4, Dezember 2018

Pro Senectute Kanton Luzern 4 | 18 17 Was auf der Welt passiert, lässt sich nicht nur mit natur- wissenschaftlichen Gesetzen erklären. Kann die Natur den Menschen helfen, den Zugang zur eigenen Spiritualität oder zu sich selber zu finden? Davon bin ich überzeugt. Schauen wir uns den Birnbaum direkt vor unserem Stubenfenster an. Er schenkt uns seit 50 Jahren jährlich rund eine Tonne Früchte. Ich habe einen riesigen Respekt vor dieser enormen Kraft, und gleichzeitig spüre ich eine grosse Dankbarkeit. Auch wenn Sie schwere Harasse schleppen? Ich muss auch bereit sein, etwas dafür zu leisten, ein Opfer zu bringen.Vielleicht ist gar nicht schlecht, wenn ich abends spüre, wie viele Früchte ich da geschenkt bekommen habe. Ich bin nicht gegen Hilfsmittel und auch nicht der Meinung, dass man sich körperlich schinden muss. Aber Technik soll aus Respekt allem Lebendigen gegenüber in einem vernünftigen Mass eingesetzt werden. Viele Menschen sagen heute, sie könnten in der Natur Kraft schöpfen. Was meinen Sie als Theologe dazu? Jules Rampini (56) ist als Ältestes von elf Kindern auf dem Hof Ausser-Birchbühl in Luthern im Napfgebiet aufgewachsen. Er studierte Theologie und Sozialarbeit. Neun Jahre lang arbeiteten er und seine Frau Béatrice für die Bethlehem-Mission in Peru, wo das Paar auch drei Kinder adoptierte. 2002 kehrte die Familie in die Schweiz zurück. Jules Rampini übernahm den elterlichen, sechs Hektar grossen Hof auf 800 Metern über Meer. Heute ist er Biobauer und arbeitet mit einem 40-Prozent-Pensum als Pastoralassistent in den Pfarreien Luthern und Ufhusen. Ich finde interessant, dass die Menschen die Natur als Quelle der Kraft wiederentdecken. Gott ist nichts Abgeho- benes. Die Natur hilft vielen Menschen, eine Anbindung ans Leben zu finden. Unsere Welt wird immer virtueller. Man hat Freunde imNetz, kauft online ein. Andererseits bauen Leute auf Hochhausterrassen Kartoffeln an. Was suchen diese Menschen? Ich glaube, sie suchen die Urbindung zum Boden, die Bodenhaftung. Für mich ist das eine gute Entwicklung, sie erhöht die Wertschätzung gegenüber Nahrungsmitteln. Wer sich überlegt, woher das Essen kommt, der überlegt auch, welche Hände dafür gearbeitet haben. Oder stellt sich die Frage: Ist das Nahrungsmittel überhaupt noch durch Hände gegangen oder nur von Maschinen bearbeitet worden? Sind Sie der Meinung, dass das Bauern glücklich macht? Ja. Die Arbeit auf dem Hof bringt zwar auch Sorgen mit sich. Doch ich darf gesunde Luft atmen, mit den Händen arbeiten, ich darf eine Beziehung zu unseren Tieren haben, zu den Bäumen oder zum Ackerfeld. Viele Menschen wünschten sich, ein Tier zu halten oder ein Stück Garten zu bewirtschaften, doch es ist nicht möglich. Hier sind wir privilegiert. Andererseits könnte ich mir ein Leben ganz ohne soziales oder entwicklungspolitisches Engagement nicht vorstellen. Für meine Arbeit in der Kirche brauche ich die Bodenhaftung aus der Landwirtschaft. Und für meine Arbeit auf dem Hof brauche ich meinen Glauben an Gott und meine Spiritualität als Stütze.

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