Zenit Nr. 4, Dezember 2018

16 Pro Senectute Kanton Luzern 4 | 18 Jules Rampini ist Theologe. Und er ist Bergbauer. Wenn er stundenlang Mostbirnen aufliest, spürt er eine tiefe Verbundenheit zu allem Lebendigen und eine grosse Dankbarkeit gegenüber Mutter Erde. Selbst wenn ihn abends der Rücken zwickt. «Menschen suchen wieder mehr Bodenhaftung» Foto: Astrid Bossert Meier Mutter Erde Interview: Astrid Bossert Meier Jules Rampini, als Theologe und Biobauer haben Sie eine ungewöhnliche Berufskombination. Was war eigentlich zuerst? Zuerst war der Bauer, obwohl ich keine fachliche Landwirt- schaftsausbildung habe. Ich bin jedoch in einer bäuerlichen Grossfamilie aufgewachsen und von klein auf in diese Arbeit hineingewachsen. Und wie kam die Theologie dazu? Ich habe schon als Kind gerne an den Pfarreiaktivitäten teil- genommen. Zwei Geschwister meiner Mutter waren zudem in der Mission. Das Leben in fremden Ländern faszinierte mich, und ich wollte immer wissen, was meine Verwandten dort in Afrika machten. Also hörte ich zusammen mit mei- nem Vater regelmässig Nachrichten, und schon als Sieben- jähriger verfolgte ich das Weltgeschehen in der Zeitung. Und dann entschieden Sie, Theologie zu studieren? In der Primarschule sagte ich meiner Lehrerin, ich wolle auch Missionar werden. Sie erklärte mir, dass ich dafür die Kantonsschule besuchen und Theologie studieren müsse. Da dachte ich, also gut, schlage ich diesenWeg mal ein. Später dann haben Sie an der Uni Fribourg tatsächlich Theologie und Sozialarbeit studiert. Nach der Kantonsschule legte ich erst ein Zwischenjahr ein. Ich arbeitete auf dem Bau, umGeld für das Studium zu ver- dienen. Das war aber nicht der einzige Grund. Ich brauchte dieses Angebundensein an die einfache Welt, ich wollte nicht nur mit Studierten zusammen sein. Nach dem Jahr auf dem Bau war ich geerdet und begann mein Studium. Nun hatten Sie mit der Landwirtschaft viele Jahre lang nichts mehr zu tun! Nach meinem Studienabschluss arbeitete ich in der kirchli- chen Sozialarbeit. Und dann warenmeine Frau Béatrice und ich neun Jahre lang für die Bethlehem-Mission in Peru tätig, wo wir uns insbesondere für arbeitende Kinder oder Strassenkinder einsetzten. Die Landwirtschaft hatte ich in diesen Jahren zwar arbeitsmässig verlassen, nicht aber ideell. Was meinen Sie damit? Ich habe mich stets politisch engagiert in der Bewegung für eine faire Landwirtschaftspolitik, eine faire internationale Zusammenarbeit oder für die allererste Tierschutzinitiative in der Schweiz. Zudem lernte ich in Peru viele Bäuerinnen und Bauern kennen, die durch ungerechte Entwicklungen gezwungen waren, in die Stadt zu ziehen, weil sie nicht überleben konnten mit dem, was sie auf dem Land erwirt- schafteten. In Gedanken war ich also nie ganz weg von der Landwirtschaft. 2002 kehrten Sie als fünfköpfige Familie aus Peru zurück ins Luzerner Hinterland und übernahmen den kleinen Bergbauernbetrieb Ihrer Eltern. Sind Sie durch Ihr Theologiestudium ein besserer Bauer? Ich bin sicher nicht einer, der anderen mit irgendwelchen Theorien die Weltzusammenhänge erklären will. Vielleicht habe ich aber durch meine Erfahrungen ein etwas anderes Bewusstsein für die Landwirtschaft. In Südamerika gibt es das Bild von Mutter Erde. Die Bäume sind ihre Haare, der Boden ist ihre Haut. Wenn man ackert und die Erde auf- schneidet, muss man sich danach wieder mit ihr versöhnen. Würden Sie sagen, dass Sie einen spirituellen Zugang zur Landwirtschaft haben? Ja. Spiritualität bedeutet für mich, nicht nur in einer tätigen, sondern auch in einer geistigen Verbindung zur Erde zu stehen. Es ist das Bewusstsein, dass hinter allem Lebendigen höhere Mächte stehen, die uns tragen helfen.

RkJQdWJsaXNoZXIy MjYwNzMx